Der Bundesrat hatte am 11. November seine Position zum Rahmenabkommen festgelegt, sie allerdings nicht öffentlich kommuniziert. Der Bundesrat wolle seine Position nicht offenlegen, um den «Spielraum für die Schweiz zu bewahren», hatte Bundesratssprecher André Simonazzi den Entscheid begründet.
Die EU-Kommission hat derzeit wegen verschiedenen anderen offenen Dossiers keine Zeit für Gespräche über Präzisierungen in den Bereichen Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen. Laut Aussenminister Ignazio Cassis wird sich das aber in den nächsten Tagen ändern.
Für die SP sind insbesondere Verbesserungen beim Lohnschutz unabdingbar, wie Fraktionschef Roger Nordmann (VD) sagte. Sibel Arslan (Grüne/BS) forderte vom Bundesrat eine «baldige verbindliche Klärung der offenen Punkte».
Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) will den Klärungen eine Chance geben. «Das Schweizer Volk muss über das Ergebnis abstimmen können.» Roland Fischer (GLP/LU) war gleicher Meinung. Er sprach im Namen seiner Fraktion von einem «guten Vertrag».
Kritischer war Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL): «Ohne weitere Konzessionen wird der Vertrag weder im Parlament noch beim Volk eine Mehrheit finden.» Weil noch kein Plan B existiere, sei noch unklar, was passiere, wenn das Abkommen nicht zustande komme.
Die Landesregierung will 2021 den Prozess zum Abschluss des Abkommens und zur Verabschiedung einer Botschaft fortsetzen, wie es in den Jahreszielen heisst. Das ist der SVP zu vage: Sie verlangte in einem ersten Vorstoss, dass die Klärungen verbindlich im Vertragstext festgehalten werden sollen.
Der Bundesrat erwecke den Anschein, dass er sich mit unverbindlichen Erklärungen seitens der EU zufriedenstellen lassen könnte, argumentierte SVP-Sprecher Andreas Glarner (AG). Die notwendige rechtliche Sicherheit bezüglich der offenen drei Punkte könne jedoch nur mittels Anpassungen im Vertragstext selber erreicht werden.
Aussenminister Cassis entgegnete, dass nicht die Form der Lösungen entscheidend sei, sondern der Inhalt. Der Bundesrat habe seit Sommer 2019 mit den Kantonen und Sozialpartnern zusammengearbeitet, um intern breit abgestützte Lösungen für die noch zu klärenden Punkte zu finden.
«Der Bundesrat wird das institutionelle Abkommen nur unterzeichnen, wenn für die offenen Punkte zufriedenstellende Lösungen vorliegen», sagte Cassis. Dies setze namentlich voraus, dass die Lösungen für beide Parteien verbindlich seien, damit die erforderliche Rechtssicherheit gewährleistet sei. Das Anliegen der Motion sei deshalb bereits erfüllt.
Die grosse Kammer lehnte den Vorstoss mit 111 zu 64 Stimmen bei 19 Enthaltungen ab. Dieser ist damit vom Tisch.
Mit einer zweiten Motion verlangte die SVP-Fraktion, das institutionelle Abkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, das Vorhaben abzuschreiben und dies der EU klar und unmissverständlich mitzuteilen. Das Verhandlungsergebnis sei inakzeptabel, sagte Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG). Er plädierte für «Beziehungen auf Augenhöhe» mit der EU, eine dynamische Rechtsübernahme widerspreche dem.
Auch diese Motion lehnte der Nationalrat ab - mit 142 zu 52 Stimmen. Cassis sagte, dass der Bundesrat den Kontakt mit der Europäischen Kommission wiederaufgenommen habe. Ziel sei ein «grösstmöglicher Marktzugang mit grösstmöglicher Souveränität».
Der Ständerat hat am Donnerstag ebenfalls eine ausserordentliche Session zum Thema auf dem Programm. Traktandiert sind ebenfalls zwei Motionen der SVP.
(SDA)