Das Schweizer Bankgeheimnis haben die Amerikaner platt gemacht. Jetzt wollen sie ein weiteres Schweizer Geheimnis knacken: das Geheimnis der tiefen Arbeitslosigkeit. Doch keine Angst. Diesmal sind die Amerikaner in friedlicher Mission unterwegs. «Ich bin hier, um von der Schweiz zu lernen», sagt der stellvertretende US-Arbeitsminister Christopher Lu (48).
Gestern besuchte er die Zurich-Versicherung und den Pharmakonzern Roche. Tags zuvor war er bei Schindler. Lu beeindruckt: «Das Schweizer Modell der Berufsbildung ist das beste der Welt. Wir wollen es nachahmen.»
Die USA kennen die Berufslehre zwar ebenfalls. Sie ist aber auf Handwerksberufe beschränkt. Weniger als ein Prozent der Jugendlichen absolvieren eine Lehre. Nun sollen auch für Dienstleistungs- und technische Berufe Lehren angeboten werden. Präsident Barack Obama (53) will die Zahl der Lehrlinge von 420 000 auf 750 000 erhöhen.
Entwicklungshelfer sind Schweizer Firmen. Weil sie in den USA nicht genügend Fachkräfte finden, haben Bühler, Dätwyler und Feintool bereits damit begonnen, Lehrlinge auszubilden. Nun steigen auch Zurich, Schindler, Nestlé, Pilatus und Roche ein. Allein die Zurich schafft im Raum Chicago 100 Lehrstellen.
Angestossen hat das Programm Suzi LeVine (45), die amerikanische Botschafterin in der Schweiz. Sie hofft, dass US-Firmen auf den Geschmack kommen und Lehrlinge ausbilden. «Wir wollen eine kritische Masse an Firmen gewinnen, die den Wert der Berufslehre anerkennen», sagt sie. Ein Problem dabei: Die Eltern und Jugendlichen müssen überzeugt werden, dass eine Lehre keine Karriere-Sackgasse ist.
Dabei hilft ihr Martin Senn (58), der Chef der Zurich-Versicherung. Er hat es vom KV-Stift ganz nach oben geschafft. «Von solchen Beispielen können wir lernen, dass der Weg zum Erfolg viele Anfänge hat», sagt LeVine.
Senn würde auch heute wieder eine Lehre machen: «Man kann bereits als junger Mensch Verantwortung übernehmen. Und wer sich bewährt, empfiehlt sich für höhere Aufgaben.»