Schwarze Zahlen für Tidjane Thiam?
Das fehlt dem CS-Chef noch zum Superstar

Dieses Jahr dürfte Tidjane Thiam das erste Mal Schwarze Zahlen als Chef der Credit Suisse schreiben. Kostenmässig hat er die Bank fit getrimmt. Jetzt braucht er eine Wachstumsstrategie.
Publiziert: 05.08.2018 um 18:17 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:26 Uhr
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Tidjane Thiam (56) wurde kürzlich vom Branchenmagazin Euromoney zum «Banker of the Year» gekürt.
Foto: Bloomberg
Harry Büsser

Seiner hat drei Meter mehr als der von Nachbar Christoph Blocher: 25 Meter Länge misst der Pool in Tidjane Thiams Herrliberger Villa auf der Sonnenseite des Zürichsees. Aber auch sonst hat der Chef der Credit Suisse diese Woche überzeugende Zahlen präsentiert. Viele Finanzanalysten glauben sogar, Thiam stehe besser da als Konkurrent Sergio Ermotti mit seiner UBS (siehe Tabelle).

Viele Finanzanalysten sind der Meinung Thiams Geschäftszahlen seien jetzt sogar noch besser, als die von Konkurrent Sergio Ermotti und seiner UBS.
Foto: zVg

Thiams bisherige Geschichte bei der Credit Suisse hat drei Kapitel – und ein ungeschriebenes viertes. Die Zusammenfassung: Am Anfang schien es, Thiam könne übers Wasser laufen. Später traute man ihm nicht einmal mehr das Schwimmen zu. Jetzt aber scheint er auf festem Boden angekommen. Nur die Kür steht noch aus.

Kapitel 1: «The Lion King»

Am 10. März 2015 wird Tidjane Thiam als neuer Chef der Credit Suisse angekündigt. Die CS-Aktie hüpft vor Freude: Rund acht Prozent Kursgewinn machen die Bank um Milliarden Franken wertvoller. Hauptgrund für die Vorschusslorbeeren an der Börse ist Thiams Erfolg als Chef der britischen
Lebensversicherung Prudential. Deren Wert hat Thiam fast ver­dreifacht. Damit hat er auch die Schweizer Konkurrentin Swiss Life weit hinter sich gelassen.

Auch internationale Medien berichten (hier CNBC): Am 10. März 2015 wird Tidjane Thiam als neuer Chef der Credit Suisse angekündigt. Kurz darauf gewinnt die Aktie sieben Prozent.
Foto: zVg

Die Kommentare in den Schweizer Medien klingen überrascht, aber meist positiv. Skurriles, sogar Rassistisches kommt hinzu. Der Schweizer Kabarettist Gabriel Vetter tweetet am 12. März 2015: «Es soll ja ernsthaft Journalisten geben in diesem Land, die finden, die Diskussion um den neuen CS-Chef sei nicht rassistisch geprägt. #höhö.»

Skurril der «Tages-Anzeiger» tags darauf im Kulturteil, wo ein Text zur Premiere des Musicals «The Lion King» in Basel so eingeleitet wird: «Der Zeitpunkt ist perfekt: Nur wenige Tage nachdem der franko-ivorische Manager Ti­djane Thiam überraschend zum neuen CEO der Credit Suisse ernannt worden war,
feierte das Musical ‹The Lion King› am Donnerstag in Basel Premiere. Afrika ist damit gleich doppelt in der Schweiz angekommen.»

Kapitel 2: Der Wind dreht

Am 1. Juli 2015 beginnt Thiam bei Credit Suisse zu arbeiten. Er präsentiert sich als guter Kommunikator. Der Unterschied zu seinem Vorgänger, dem Amerikaner Brady Dougan, könnte nicht grösser sein. Dougan war eher spröde, ein Langstreckenläufer, der nur Cola light trank und nie wirklich Deutsch lernte.

Thiam spricht sehr gut Deutsch, mit Charme und Humor. Ein Tag ohne Lachen sei für ihn ein verlorener Tag, sagt er dem Schweizer Fernsehen. Bei einem Treffen mit Journalisten reisst er in kleiner Runde einen Witz nach dem anderen. Auch die Aktionäre haben allen Grund, fröhlich zu sein: Der Aktienkurs steigt bis Ende Juli.

Dann dreht der Wind. Mit dem angepeilten Wachstum in Asien dürfte es schwierig werden. Der Abbau im Investmentbanking provoziert Widerstand. Thiam wird nachgesagt, er sei abgehoben, der typische Absolvent einer französischen Eliteschule. Er habe keine Ahnung vom Banking, schliesslich sei er ein Versicherungsmann.

Verwirrung lösen auch seine überraschenden Ernennungen im Topkader aus. Mit Iqbal Khan wird ein Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zum Leiter des internationalen Vermögensverwaltungs­geschäfts. Und mit Thomas Gottstein steigt ein Investmentbanker zum Chef des Schweizer Geschäfts bei Credit Suisse auf. Zuvor galt Gottstein vor allem als begnadeter Dealmaker – und als Golfcrack, der jahrelang mit einem Handicap von 0,2 das Ranking im Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz» anführte.

In drei Jahren bei der CS muss Thiam immer wieder Verluste ausweisen. Im ersten Jahr wird ein grosser Abschreiber auf dem Investmentbanking fällig. Im zweiten wechselt das Jahresergebnis wegen einer Milliardenbusse im Zusammenhang mit US-Immobilienpapieren auf Rot.

Und letztes Jahr zerrte die Steuerreform von US-Präsident Donald Trump das Ergebnis ins Minus.

Kapitel 3: «Banker of the Year»

Hat er bisher nur rote Zahlen geliefert, wird er 2018 mit Credit Suisse schwarze schreiben. Allein im zweiten Quartal beträgt der Reingewinn der Grossbank 647 Mil­lionen Franken. Selbst Kritiker bescheinigen Thiam, er habe Dynamik ins Haus gebracht, sogar einen gewissen Optimismus – obwohl er gleichzeitig
die Kosten deutlich senken konnte.

Das Branchenblatt «Euromoney» kürte ihn vor kurzem gar zum «Banker of the Year».

Kapitel 4: Die Bewährung

Die Richtung stimmt, aber die Zahlen sind noch lange nicht gut genug. Insbesondere die Eigenkapitalrendite liegt in den Augen von Finanzanalysten viel zu tief. Mindestens zweistellig müsse sie sein.

Und einigen Investoren geht der Umbau der Bank bisher viel zu wenig weit. Rudolf Bohli, ein aktivistischer Investor, der rund 100 Millionen Franken in Aktien der Credit Suisse investiert hat, sieht noch viel Automatisierungspotenzial und formuliert radikal: «Es soll alles automatisiert werden, von vorne bis hinten. Menschen sollten nur noch dort eingesetzt werden, wo der Kunde menschlichen Kontakt will oder wo gesetzliche Vorschriften es verlangen.»

Die Kür stehe Thiam erst noch bevor, sagt Bankenexperte und Finanzunternehmer Adriano Lucatelli, der bereits bei CS und UBS im Management tätig war. «Nach Anfangsschwierigkeiten hat Thiam einen guten Job gemacht. Er hat die Bank kostenmässig fit getrimmt. Jetzt muss er die Frage beantworten, wie die Bank wachsen kann», so Lucatelli.

Jetzt ist es an Tidjane Thiam, das vierte Kapitel seiner Geschichte bei Credit Suisse zu schreiben.

Wenn ihm dann auch noch die Kür gelingt, kann er zum Superstar der Manager-Gilde werden.

Wie Christoph Blocher einer war, bevor ihn seine Tochter überflügelte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Persönlich über Tidjane Thiam

Tidjane Thiam ist ein Nachfahre des Staatsgründers der modernen Elfenbeinküste. Dort kam er im Jahr 1962 zur Welt. Der 1,91-Meter-Hüne war Mi­nister und stand nach einem Putsch unter Hausarrest. Er studierte in Frankreich an renommierten technischen Hochschulen und an der Kaderschmiede Insead. Bevor er Chef der CS wurde, war Thiam unter anderem Berater bei McKinsey und CEO bei der britischen Versicherung Prudential.

Tidjane Thiam verdiente im vergangenen Jahr 9,7 Millionen Franken.
Tidjane Thiam verdiente im vergangenen Jahr 9,7 Millionen Franken.
AP

Tidjane Thiam ist ein Nachfahre des Staatsgründers der modernen Elfenbeinküste. Dort kam er im Jahr 1962 zur Welt. Der 1,91-Meter-Hüne war Mi­nister und stand nach einem Putsch unter Hausarrest. Er studierte in Frankreich an renommierten technischen Hochschulen und an der Kaderschmiede Insead. Bevor er Chef der CS wurde, war Thiam unter anderem Berater bei McKinsey und CEO bei der britischen Versicherung Prudential.

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