In der Postauto-Affäre wächst der Druck auf den Verwaltungsrat. Am Samstag gab überraschend Post-Vizepräsident Adriano Vassalli seinen Rücktritt bekannt. Auch andere Verwaltungsräte sollen die Konsequenzen ziehen, fordern Politiker von links bis rechts.
Es sei nicht akzeptabel, dass in der Postauto-Affäre nur die Geschäftsleitung zur Verantwortung gezogen wird, sagte etwa SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) gegenüber der «Sonntagszeitung«. Die zuständigen Verwaltungsräte hätten ihre Pflicht genauso vernachlässigt.
Mittels einem an die Medien verschickten Schreiben erklärte Vassalli am Samstagabend überraschend seinen Rücktritt auf die Generalversammlung vom 26. Juni. Er habe sich diesen Schritt eingehend überlegt und ihn im Interesse des Neuanfangs gefällt, schrieb er.
Post nimmt Rücktritt zu Kenntnis
Die Post nehme den Rücktritt Vassallis zur Kenntnis, sagte Post-Sprecher François Furer am Samstagabend gegenüber Keystone-SDA. Der Verwaltungsrat werde in den kommenden Wochen das weitere Vorgehen besprechen.
Auch das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) nimmt von Vassallis Entscheid Kenntnis, wie es in einer Mitteilung vom Samstagabend schreibt. Dies trage dazu bei, den Neustart bei der Post zu erleichtern.
Vassalli geriet aber offenbar auch unter Druck. Wiederholt seien ihm in letzter Zeit öffentlich diverse Vorwürfe gemacht worden, schreibt er. Dazu halte er fest, er habe keinerlei Pflichtverletzungen begangen und insbesondere die ominöse Aktennotiz vom 21. August 2013 nie erhalten.
In dieser Aktennotiz machte die interne Revision der Post auf die «Problematik der Kostenumbuchungen zu Lasten des öffentlich finanzierten Verkehrs» aufmerksam. Die Vorwürfe gegenüber Vassalli dürften aber nicht zuletzt auch für Susanne Blank gelten, die neben ihm ebenfalls für das Risikomanagement des gelben Riesen zuständig ist.
«Das geht natürlich nicht»
Wie die Sonntagszeitung berichtet, hätte sowohl Vassalli wie Blank gemäss den letzte Woche veröffentlichten Untersuchungsberichten von der Aktennotiz der internen Revision der Post Kenntnis gehabt. Auch Ex-Postauto-Chef Daniel Landolf belastete die beiden schwer: Sie seien über die illegalen Umbuchung im Bild gewesen. Blank erklärte indes letzte Woche, die Warnungen nicht erkannt zu haben.
Ins Schussfeld der Politiker gerät zunehmend auch Post-Präsident Urs Schwaller. SP-Nationalrat Philipp Hadorn (SO) wirft Schwaller vor, er habe nur jene Zeit untersuchen lassen, in welcher er selber noch nicht Post-Präsident war, wie er gegenüber der Sonntagszeitung sagte. «Das geht natürlich nicht», so Hadorn. Er fordere deshalb, dass die Jahre 2016 und 2017 ebenfalls restlos durchleuchtet werden.
Gemäss den Untersuchungsberichten hätte Schwaller Hinweise zu den Missständen erhalten, schreibt die Sonntagszeitung. Aus einem Entwurf des Berichts der Konzernrevision vom Juli 2016 ging etwa hervor, dass Postauto unter einem Zielkonflikt leide.
«Zu wenig kritische Haltung»
Es gebe einen Widerspruch zwischen den hohen Gewinnvorgaben des Postkonzerns und dem Gewinnverbot im subventionierten Regionalverkehr, welches das Bundesamt für Verkehr erlassen hatte. Um den Zielkonflikt zu lösen, sollten mittels juristischen Postauto-Einheiten die Gewinne gegenüber dem Bundesamt für Verkehr verschleiert werden.
In einer Stellungnahme vom Sonntag schreibt die Post, Schwaller habe anlässlich der Pressekonferenz vom 11. Juni bereits offen kommuniziert, mit all den Kenntnissen aus den nun vorliegenden Berichten und Gutachten die entsprechenden Passagen im Konzernbericht anders zu beurteilen. «Für meine, aus heutiger Sicht zu wenig kritische Haltung übernehme ich die Verantwortung«, sagte Schwaller damals.
Keine Décharge vom Bundesrat
Ex-Post-Präsident Claude Béglé sieht grundsätzlich ein Problem innerhalb des Post-Konzerns. Die Post habe ein grobes Gouvernanz-Problem, sagte Béglé im Interview mit der Zeitung «Matin Dimanche». Béglé stand dem Verwaltungsrat in den Jahren 2009 und 2010 vor.
Die Strukturen und Prozesse der Post seien dermassen undurchsichtig, dass sie den Führungspersonen einen grossen Handlungsspielraum einräumen, erklärte Béglé. Das gelte insbesondere für die Kostenverteilung. Die mangelnde Transparenz im Unternehmen führe zu Missständen, die schwierig zu überwachen seien.
Anfang Februar löste der Vorwurf, die Postauto AG habe jahrelang im subventionierten Geschäftsbereich Regionaler Personenverkehr (RPV) Gewinne erzielt und zu hohe Subventionen von Bund und Kantonen eingestrichen, allenthalben Erstaunen und Entsetzen aus. Der Bundesrat hatte am 8. Juni entschieden, dem Verwaltungsrat der Post für das Jahr 2017 keine vollumfängliche Décharge zu erteilen. (SDA)