Schreiner Roland Steiner (59) aus Pfungen ZH ist wütend und ernüchtert. Wütend, weil er nach 35 Jahren im elterlichen Betrieb die Kündigung erhielt. Ernüchtert, weil er trotz 150 Bewerbungen keinen neuen Job mehr findet.
Dabei hat alles einmal so gut begonnen. Nach der Lehre in Winterthur ZH stieg Steiner 1980 in den elterlichen Betrieb ein. «Es waren gute Jahre. Die Wirtschaft brummte. Wir kamen kaum nach mit all den Aufträgen», erinnert er sich. Als der Vater 2007 starb, übernahm Steiner die Leitung der Firma.
Vor einigen Jahren wollte er den 5-Mann-Betrieb als Erbe übernehmen. «Ich wollte mich rechtzeitig um die Übergabe an meinen Sohn kümmern. Und die Schreinerei noch ein paar Jahre mit ihm zusammen führen», sagt Steiner. Doch daraus wird nichts. Er konnte sich mit dem Rest der Familie nicht einigen. «Dabei wäre sogar schon die Finanzierung für die nötigen Investitionen gesichert gewesen.»
«Ich hätte nie gedacht, dass mir das einmal passieren würde»
Die Folge: Vor zwei Jahren wurde die Schreinerei aufgelöst. Seit Ende 2015 steht sie leer. Vier Angestellte verloren den Job. «Nach 35 Jahren im elterlichen Betrieb war ich zum ersten Mal im Leben arbeitslos. So was tut unendlich weh. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen», erinnert sich der Schreiner. «Ich hätte nie gedacht, dass mir das einmal passieren würde.»
Der 59-Jährige hat beste Qualifikationen, ist diplomierter Schreinermeister, Lehrlingsausbildner und Experte bei Lehrabschlussprüfungen. «Und doch habe ich keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. In meinem Alter steht man auf dem Abstellgleis der Schweizer Wirtschaft. Erfahrung zählt heute nichts mehr», klagt er.
Deshalb stört sich Steiner daran, dass viele KMU derzeit lautstark über den Fachkräftemangel klagen. Steiner ist überzeugt: «Wir haben genügend gute Leute im Land. Man gibt ihnen einfach keine Chance mehr, wenn sie über 40 Jahre alt sind.»
Doch Steiner gibt nicht auf. «Ich habe nie auch nur einen Franken Arbeitslosengeld bezogen», sagt er. Der Schreiner gründete eine GmbH, mit der er sich durchschlägt. Steiner führt heute Kleinaufträge aus, er flickt Fenster, ersetzt Türschlösser oder plant kleinere Umbauten.
Sie leben vom Ersparten
Doch reich wird er damit nicht. «In den ersten acht Monaten dieses Jahres habe ich nicht genug verdient, um all meinen Verpflichtungen nachzukommen», gibt er offen zu. «Meine Frau und ich leben vom Ersparten.» Es sei aber wichtig, dass er einen geregelten Tagesablauf habe.
150 Bewerbungen hat er in den letzten Jahren geschrieben. Zwei Mal wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. «50 Prozent der Firmen nehmen sich nicht einmal die Mühe, mir abzusagen. Zeitweise kommen Existenzängste auf. «Wenn es so weitergeht, komme ich bis zur Pensionierung finanziell nicht über die Runden.» Die Zeit danach bereitet ihm noch grössere Sorgen.
Sein grosser Wunsch: noch einmal eine Festanstellung in seinem Beruf zu finden. «Am liebsten in der Planung und Innenarchitektur», sagt er. Er würde sogar noch einmal umziehen. Denn eines ist klar: «Ich gebe nicht auf. Ich will mit Anstand durchs Leben kommen und niemandem auf der Tasche liegen.»