An gewissen Orten ist kein Durchkommen mehr: Viele Luzerner stören sich mittlerweile daran, dass ihre Stadt bei Touristen so beliebt ist. Pro Jahr besuchen 9,4 Millionen Reisende die Stadt. Das ist Jammern auf hohem Niveau. Schliesslich ist es besser so, als wenn sich keiner für Luzern interessieren würde. Doch das macht die Probleme, die der Massentourismus mit sich bringt, nicht weniger dringlich.
Das Unbehagen in der Bevölkerung wachse, stellt CVP-Grossstadtrat Albert Schwarzenbach (65) in der «NZZ» fest. «Die Menschenansammlungen rund um den Schwanenplatz sind nun einmal eine Tatsache», sagt er. «Vor kurzem hat mir eine Frau gesagt, dass sie nicht mehr auf den Wochenmarkt gehe, weil es dort so viele Touristen habe.»
Es geht immer noch mehr
Die Zahlen dazu: Luzern zählt pro Einwohner mehr Touristen als Venedig! 9,4 Millionen Besucher durch 81'000 Einwohner ergibt für Luzern die sogenannte Tourismusintensität von 116. In Venedig liegt sie «nur» bei 96.
Und der sowieso schon hohe Luzerner Wert könnte noch ansteigen: Laut Berechnungen des Tourismusforschers Jürg Stettler (53) von der Hochschule Luzern zählt die Stadt bis 2030 1,6 Millionen Logiernächte und gar 12 bis 14 Millionen Tagesgäste pro Jahr. Zum Vergleich: In Paris geht man von gut 15 Millionen pro Jahr aus – also nicht wirklich viel mehr. Dort bleiben die Leute allerdings dann ein wenig länger als in Luzern, wo viele Gäste nach wenigen Stunden weiterfahren.
Das Wachstum in Luzern soll vor allem bei den Gästen aus Asien und aus den USA stattfinden, wo heute schon viele Touristen herkommen.
Stettler ordnet ein: «Der grosse Vorteil von Luzern ist, dass das momentan starke Gruppengeschäft eigentlich relativ gut gelenkt werden kann.» Zum Beispiel über Anzahl, Preise und Lage der Car-Parkplätze. Man müsse aber davon ausgehen, dass bald mehr Individual-Reisende aus Asien nach Luzern kommen würden, was eine neue Herausforderung sei. Das ist dann nicht mehr so leicht zu lenken.
Je mehr Touristen, desto mehr Kasse
Grossstadtrat Schwarzenbach sagt vor dieser Aussicht, dass man vor allem die Sorgen der Betroffenen ernst nehmen müsse. «Wir müssen aufpassen, dass die Geduld der Bevölkerung nicht überstrapaziert wird. Deshalb muss man sich jetzt Gedanken darüber machen, welchen Tourismus wir in Zukunft wollen.»
Während einige Luzerner sich wohl freuen würden, wüchse der Tourismus nicht weiter, geht es den auf die asiatische Kundschaft ausgerichteten Geschäften am beliebten Schwanenplatz anders: Je mehr Touristen, desto mehr Kasse, heisst es bei ihnen.
Kein Zufall, haben die Uhren- und Schmuckfirmen Bucherer, Gübelin und Embassy sowie das Souvenir-Unternehmen Casagrande gerade ein neues Gutachten zur Wertschöpfung des Gruppentourismus publiziert. Ergebnis: Rund um den Schwanenplatz belief sich die Wertschöpfung im vergangenen Jahr auf 224 Millionen Franken.
Eben, die Luzerner jammern auf hohem Niveau. (kst)