Schon 200 Millionen Franken eingefroren
Was Liechtenstein bei der Suche nach Oligarchen-Geldern besser macht

Im Fürstentum läufts mit den Russland-Sanktionen glatter als in der Schweiz. Warum?
Publiziert: 23.06.2023 um 10:17 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2023 um 13:58 Uhr
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Gute Aussicht: das Schloss Vaduz über dem Stadtzentrum.
Foto: imago
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Fabienne Kinzelmann
Handelszeitung

Wer die guten und die bösen Buben sucht, kann sie im Ländle erstaunlich nah beieinander finden. In der Aeulestrasse im Zentrum von Vaduz, gleich unterhalb der Fürstenresidenz, trennen sie nur 21 Hausnummern – die IGT Intergestions Trust Reg., eine von den USA sanktionierte Treuhandgesellschaft, und jene Behörde, die Firmen wie der IGT auf den Fersen ist: die liechtensteinische Financial Intelligence Unit, kurz FIU. Bei der Stabsstelle laufen hinter einer unauffälligen Milchglastür die Fäden für Sanktionen und Aufdeckung von Geldwäscherei zusammen.

Die FIU ist zentral, wenn man verstehen will, warum es in Liechtenstein mit der Durchsetzung der Russland-Sanktionen augenscheinlich besser läuft – warum die Regierung im Fürstentum trotz ihres Finanzplatzes und ihrer Nähe zur Schweiz keine kritische Post von den G7-Staaten erhalten hat. Und warum, ganz im Gegenteil, manche Repräsentantinnen aus dem Ausland und Geldwäschereiexperten fast ins Schwärmen geraten, wenn sie über den Umgang Liechtensteins mit den Sanktionen sprechen. Ja, wirklich – Liechtenstein? Jener Finanzplatz, der in der Vergangenheit auch nicht immer durch eine weisse Weste auffiel?

In Liechtenstein wollen sie das selbst nicht glauben. Die Zeiten seien «herausfordernd», das Lob entsprechend mit Vorsicht zu geniessen, sagt ein Behördenvertreter Liechtensteins. Auch der dortige Bankenverband reagiert zurückhaltend. «Ich glaube, wir machen unseren Job und versuchen, den einfach so gut wie möglich zu machen», sagt Geschäftsführer Simon Tribelhorn.

Schneller, kooperationsbereiter

Rund 200 Millionen Franken russisches Vermögen hat Liechtenstein bislang eingefroren. Das ist im Verhältnis zur Grösse des Finanzplatzes eigentlich nicht besonders viel: Allein die drei grössten Banken des Landes verwalten mehr als 400 Milliarden. Trotzdem blieb die Kritik aussen vor. Die «Handelszeitung» hat mit mehr als einem halben Dutzend Personen in Liechtenstein, in der Schweiz und in anderen Ländern gesprochen, um herauszufinden: Was macht das Fürstentum in Sachen Russland-Sanktionen besser – und warum?

Da ist, erstens, die bereits erwähnte Financial Intelligence Unit. Die Behörde ist das liechtensteinische Gegenstück zur Meldestelle für Geldwäscherei (Mros) vom Fedpol. Doch anders als in der Schweiz, wo die Mros nur Verdachtsmeldungen bearbeitet, die Sanktionen aber beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) liegen, kümmert sich die FIU in Liechtenstein auch um die Sanktionen: eine Behörde statt zwei, mehr Erfahrung und weniger Bürokratie. Ein sanktionstechnisches Powerhouse.

«Das ist ein riesiger Vorteil, weil die FIU darauf spezialisiert ist, Verdachtsmeldungen zu analysieren und auszusortieren, und bessere Quervergleiche ziehen kann», sagt der Compliance-Experte Mark van Thiel, der die Mros mit aufgebaut hat und diverse Länder und Institutionen bei der Verbesserung ihrer Financial Intelligence Units zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung berät.

Liechtenstein ist digitaler unterwegs

Zudem ist Liechtenstein auch digitaler unterwegs und nutzt die Software Goaml. Diese Anwendung wurde von der Uno fürs Mitteilen von Verdachtsmeldungen und Verarbeiten unter dem Geldwäschereigesetz entwickelt. Banken und Finanzintermediäre können über die Software Mitteilungen machen, die Daten fliessen zentral ein, und auch die Financial Intelligence Units anderer Länder können darauf zugreifen. Zwar hat auch die Schweizer Geldwäschestelle Mros dieses System, doch das für Sanktionen zuständige Seco verfügt nicht darüber, sondern arbeitet mit einer eigenen Datenbanklösung. Wollen Mros und Seco Daten abgleichen, braucht es ein Amtshilfegesuch. Und das dauert.

Zudem bringt die FIU in Liechtenstein alle wichtigen Player an einen Tisch. Sie ist Dreh- und Angelpunkt für mehrere Initiativen: etwa für eine Public-Private-Partnership, wie sie auch die Mros in diesem Jahr vorantreiben will. Zudem installierte die FIU mit dem Kriegsausbruch eine Taskforce, in die unter anderem die Finanzmarktaufsicht (FMA), das Amt für Kommunikation, das Ausländer- und Passamt, die Landespolizei und die liechtensteinische Steuerverwaltung involviert sind. Zu Beginn tauschten sich die Beteiligten fast täglich aus. Liechtenstein mag klein sein. Es hat sich aber auch aktiv bemüht, die Dienstwege noch kleiner zu gestalten.

Zweitens stellten sich für die Regierung in Vaduz viele Fragen überhaupt nicht: Etwa, ob man sich den Russland-Sanktionen überhaupt anschliessen sollte – und in welchem Umfang. Als Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat Liechtenstein die Wirtschaftsstrafen schnell und konsequent übernommen. Zudem müssen sich die EWR-Mitglieder bei der Geldwäschereibekämpfung an gewisse internationale Standards halten, während die Schweiz einen umstrittenen Sonderweg fahren kann: Rechtsanwältinnen und Notare sind hierzulande vom Geldwäschereigesetz ausgenommen.

Hat sich klar zum Krieg positioniert

Und auch über die Rechtsfragen hinaus läuft in Vaduz und an seinem wichtigen Finanzplatz vieles anders als in der Schweiz. Am wichtigsten, sagen einige unabhängige Beobachterinnen und Beobachter, sei der Mindset. Von Anfang an setzte Liechtenstein auf internationale Zusammenarbeit und hat sich sehr klar zum Krieg positioniert.

Als treibende Kraft gilt dabei auch Aussenministerin Dominique Hasler, die für ihre Haltung und Kommunikation im Ausland gelobt wird. «Stop the war», twitterte die Politikerin kurz nach Putins Einmarsch in die Ukraine. Ansprechbar, kooperations- und lernwillig: So wird Liechtenstein auf dem internationalen Parkett wahrgenommen. Das Land beteiligt sich unter anderem an der EU-Taskforce zur Suche nach Oligarchengeld.

Für die Repo-Taskforce der G7 und Australien haben die Liechtensteiner zwar im Gegensatz zu den Schweizern noch keine Einladung erhalten – so abwegig wie in Bern fände man eine Teilnahme im Fürstentum aber wohl nicht.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Liechtenstein will die Umgehung von Sanktionen über die eigenen Landesgrenzen möglichst verhindern: Zu gross erscheint das Risiko von Sekundärsanktionen, zu gross der potenzielle Schaden für den eigenen Ruf, wenn Putins Netzwerk seine Geldflüsse im grossen Stil über das Fürstentum leiten könnte.

Bleibt nur die Frage: Hat Liechtenstein denn schon genug eingefroren? Oder ebenfalls bislang nur die Spitze des Eisbergs entdeckt, wie es vor allem die USA der Schweiz vorwerfen?

Eine schwierige Frage. Auf Nachfrage will keine Gesprächspartnerin und kein Gesprächspartner eine Hochrechnung oder Prognose abgeben. Zu gross seien die blinden Flecken: die zahlreichen Ehe- und Geschäftspartner der Sanktionierten, die komplizierten Immobilien- und Eigentumsstrukturen.

Man könne sich nur verbessern, wenn man sich Fehler eingestehe, sagt ein Experte in Bezug auf die Suche nach Oligarchenvermögen im Gespräch. Daniel Risch machte das kürzlich vor. In einem Interview mit dem deutschen «Handelsblatt» sagte Liechtensteins Regierungschef: «Jeder, der behauptet, er sei sich sicher, alle versteckten Vermögenswerte gefunden zu haben, zeigt nur, dass er nicht versteht, worum es geht.»

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