Schock-Zahlen zeigen: Arbeitnehmer zahlen Milliarden für ihre pensionierten Kollegen
So schmilzt Ihre Rente weg!

AHV in Schieflage, Schwindsucht beim Pensionskassen-Guthaben – für die Jungen wirds im Alter ungemütlich. Die Schockzahlen.
Publiziert: 19.09.2015 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:46 Uhr
Von Martina Wacker

Sie ist erst 30 Jahre alt und steckt bereits in einer schweren Midlife-Crisis: die berufliche Vorsorge. Drei Tage lang hat der Ständerat über Reformen beraten. Wie neuste Zahlen zeigen, sind diese bitter nötig.

Wer in die zweite Säule einzahlt, spart für sich und seine Rente. So lautet zumindest die landläufige Meinung. Und so war es bei der Einführung der beruflichen Vorsorge (BVG) 1985 vom Gesetzgeber auch vorgesehen.

Doch die Realität zeichnet ein anderes Bild: Wegen der tiefen Zinsen und der gestiegenen Lebenserwartung müssen Erwerbstätige zunehmend die Renten ihrer pensionierten Arbeitskollegen finanzieren.

Die schockierenden Fakten:

  • Bei der Kasse des Bundes, der Publica, musste im letzten Jahr jeder aktiv Versicherte seinen pensionierten Kollegen rund 1500 Franken abgeben. Mit 62547 aktiv Versicherten und 43305 Rentnern ist Publica die grösste Kasse im Land. Die gesamte Umverteilung belief sich auf 95 Millionen Franken.
  • Bei der Pensionskasse der SBB betrug die Umverteilung zwischen 2007 und 2013 gar 300 Millionen Franken pro Jahr. Über neuere Zahlen verfügt die Pensionskasse nicht.
  • Aktuelle Zahlen hat dafür die BVK im Kanton Zürich, bei der auch das Kantonspersonal versichert ist. Dort belief sich die Umverteilung von Jung zu Alt 2014 auf 450 Millionen Franken. Pro Kopf sind es über 5500 Franken im Jahr: Geld, das den Jungen im Alter bei ihrer Rente fehlt. Nun zieht die Kasse die Reiss­leine. 2017 senkt sie unter anderem den für die Rentenhöhe massgebenden Umwandlungssatz.

«Über die Jahre hat sich die Umverteilung verschärft und wird immer schlimmer», sagt Daniel Kalt (46), Ökonom bei der UBS. Grund sind die Zinsen, die seit Jahren gegen null ten­dieren, und die steigende Lebenserwartung. «Mit dem heutigen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent wäre die Rente eines Pensionärs nach 14,7 Jahren aufgebraucht», sagt Kalt. Der Ökonom spricht bewusst von «wäre».

Denn Fakt ist: Heute leben Männer nach dem 65. Geburtstag im Schnitt 19,4 Jahre, Frauen sogar 22,4 Jahre, wie Zahlen vom Bundesamt für Statistik zeigen. «Das führt jährlich zu einer enormen Umverteilung von rund einer Milliarde Franken über alle Pensionskassen hinweg», so Kalt. Axa Winterthur schätzt die Summe gar auf 3,5 Milliarden Franken, die schweizweit systemwidrig den arbeitenden Beitragszahlern entgeht!

Zu den zehn grössten Kassen in der Schweiz zählt auch Kalts UBS-Pensionskasse. Zwar lag die Umverteilung hier deutlich tiefer als bei Publica und BVK. Dennoch musste auch die PK der UBS im vergangenen Jahr 21 Millionen Franken umverteilen. Keine Zahlen nennen wollten hingegen die Konkurrentin Credit Suisse sowie Post, Nestlé und die PK der Stadt Zürich.

«Die Umverteilung zu Lasten der Jungen höhlt die finanzielle Basis unseres Pensionskassensystems aus», sagt Martin Eling (37), Professor für Versicherungswirtschaft an der Univer­sität St. Gallen. «Bereits heute gilt: Wer pensioniert wird, erhält im Schnitt 40000 Franken zu viel», so Eling. Das zeigen Berechnungen seines Instituts.

Laut UBS-Ökonom Kalt sei es nun wichtig, dass die von Sozialminister Alain Berset (43, SP) geplanten Reformen rasch umgesetzt würden – obschon sie viel zu wenig weit gingen. «Wenn wir nichts unternehmen, werden die Jungen in Zukunft noch mehr bezahlen müssen, beispielsweise in Form von höheren Steuern oder Beiträgen.» Bersets Rentenreform sieht unter anderem vor, den für die Rentenhöhe massgebenden Umwandlungssatz im Obligatorium der zweiten Säule von heute 6,8 auf 6,0 Prozent zu senken. Das heisst, dass es pro 100000 Franken gespartes Kapital pro Jahr nur noch 6000 Franken statt wie bisher 6800 Franken gibt.

Doch damit sei das Problem längst nicht gelöst, so Kalt. Die geplanten Massnahmen seien nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Mit der Reform werden die finanziellen Lücken, die sich im Altersvorsorgesystem der Schweiz in den nächsten 20 Jahren auftun, lediglich zur Hälfte gestopft», sagt er. Ein fairer Umwandlungssatz muss laut Kalt unter sechs Prozent zu liegen kommen. Ins gleiche Horn stösst Professor Eling: Er spricht von einem fairen Umwandlungssatz von 5,5 Prozent. Kathrin Bertschy (36), Nationalrätin der Grünliberalen, schätzt ihn gar auf fünf Prozent.

Unterstützt wird die geplante Senkung auf 6,0 Prozent auch von Ex-Preisüberwacher und alt SP-Nationalrat Rudolf Strahm (72). Allerdings sind für ihn die hohen Kosten in der zwei-ten Säule «weitaus problema­tischer» als die altersbedingte Umverteilung. «Jeder achte Franken geht heute an die Vermögensverwalter, Hedgefonds, Banken, Kassenverwalter usw. Das muss sich ändern», kritisiert er. Laut Bundesamt für Sozialversicherungen betrug der Verwaltungs- und Vermögensverwaltungsaufwand 2013 über alle Pensionskassen hinweg 3,9 Milliarden Franken.

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