Ob Pillen, Brausetabletten oder Zäpfli – der Zugang zu Medikamenten und Heilmitteln in der Schweiz wird demnächst wesentlich erleichtert. «Liberalisierung des Marktes der Arzneimittelabgabe» nennt es der Bundesrat. Der Haken bei der neuen Freiheit: Die Krankenkassen machen noch nicht mit.
Mit der Revision des Heilmittelgesetzes ändern sich die Regeln beim Medikamentenverkauf in Apotheken und Drogerien. Ab 1. Januar dürfen Apotheker Medikamente abgeben, für die bisher ein Arztrezept notwendig war. Drogerien dürfen neu auch Schmerzmittel und andere Medikamente verkaufen, die bisher nur in Apotheken erhältlich waren.
Wie verändert dies den Schweizer Medikamentenmarkt? Arzneimittel sind neu in vier Kategorien eingeteilt. Kategorie A, zu der beispielsweise Antibiotika gehören, darf ausschliesslich in Arztpraxen oder Apotheken abgegeben werden – gegen das Rezept eines Arztes –, die Krankenkasse bezahlt. Medikamente der Kategorie B, beispielsweise Blutdruckmittel, darf der Apotheker neu in eigener Verantwortung abgeben.
Drogerie wird zur Apotheke
Das Gesetz macht aus ihm einen halben Arzt, er darf impfen und über verschreibungspflichtige Medikamente selbst entscheiden. Allerdings bezahlt die
Kasse in diesem Fall nicht, sie verlangt vorläufig noch immer nach dem Arzt.
Das Recht zur Abgabe von 650 nichtrezeptpflichtigen Medikamenten der bisherigen Kategorie C, neu Kategorie D, verteilt der Gesetzgeber auf Apotheken und Drogerien. Die Drogerien sind dabei die Gewinner: 85 Prozent der Produkte, die bisher nur in Apotheken verkauft werden durften, sind neu in ihrem Angebot zu finden.
Im Interesse der Patientensicherheit ist eine Fachberatung durch das Verkaufspersonal vom Gesetz vorgeschrieben. Besonders wichtig ist dabei die Abklärung von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
«Keine Banalisierung beim Umgang mit Medikamenten»
Von der Apothekenpflicht befreit sind zudem viele besonders umsatzstarke Produkte wie Schmerzmittel, Säureblocker, Mittel gegen Grippe, Verstopfung und Durchfall. Der Gesetzgeber legt allerdings Wert darauf, dass der Drogeriekunde im Zweifelsfall auf persönlicher Beratung besteht.
Beim Drogistenverband nimmt man die neue Verantwortung ernst. Sprecher Heinrich Gasser: «Trotz Verbreiterung des Angebotes darf es keine Banalisierung beim Umgang mit Medikamenten geben.» Die Bedingungen im Gesundheitsbereich änderten sich laufend: «Früher war ein Schwangerschaftstest ausschliesslich Sache des Arztes, heute kann man ihn aus dem Automaten auf Gleis 1 beim Bahnhof ziehen.»
15 Prozent der alten Kategorie C gehen in die Kompetenz der Apotheken über, vor allem Produkte mit erhöhtem Missbrauchspotenzial aus dem Bereich der Betäubungsmittel, darunter etwa Codein-haltige Hustenmedikamente.
Krankenkassen zahlen nicht
Bringt die neue Regelung eher Einsparungen oder eine Erhöhung der Gesundheitskosten? Lorenz Schmid, Präsident des Zürcher Apothekerverbandes und Inhaber der Apotheke am Paradeplatz: «Die Aufwertung der Apotheker dämpft die Gesundheitskosten, denn der Kunde bezahlt für seine Medikamente selber. Eine Verrechnung über die Krankenkasse ist vorerst nicht vorgesehen. Noch wichtiger ist, dass dank der Konsultation in der Apotheke unvernünftige Behandlungen in der Notfallstation oder in der Arztpraxis, Behandlungen für leichtere Erkrankungen, entfallen.»
Matthias Müller, Sprecher des Krankenkassenverbandes Santésuisse, bestätigt den Punkt mit der Vergütung: «Ohne Rezept eines Arztes gibt es bei Medikamenten unter der neuen Regelung keine Vergütung durch die Krankenkasse.»
Arzneimittel für den Supermarkt
Das ist nicht die letzte Änderung in Sachen Medikamentenabgabe. Das zuständige Heilmittelinstitut Swissmedic hat für die nächsten Wochen Details zur letzten Kategorie E angekündigt, freiverkäuflichen Arzneimitteln im Detailhandel.
Dann werden wir auch erfahren, was neben Ricola, Vitamin-C-Lutschbonbons und Rheumapflastern in den Wühlkörben neben den Kassen bei Migros und Coop sonst noch angeboten werden darf.