Panama wartet auf ein Schiff. Vor den Augen von Staatschef Juan Carlos Varela, befreundeten Präsidenten aus der Region, geladenen Gästen und Tausenden Schaulustigen wird die «Cosco Shipping» am kommenden Sonntag durch die Schleusen von Cocolí fahren und damit den erweiterten Panamakanal eröffnen. Die verbreiterte Wasserstrasse zwischen Atlantik und Pazifik soll eine neue Ära im maritimen Welthandel einläuten.
Künftig können auch Frachter der sogenannten Postpanamax-Klasse mit bis zu 14'000 Containern den Kanal befahren. Bislang wurden nur Schiffe mit maximal 4400 Containern geschleust. Auch Tanker beispielsweise für Flüssiggas können bald die kosten- und zeitsparende Route durch den mittelamerikanischen Kanal wählen, statt das unter Seefahrern immer noch gefürchtete Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas zu umschiffen.
Der Ausbau des Kanals hat Auswirkungen auf die maritime Wirtschaft in der ganzen Region. Zahlreiche Städte bauen ihre Häfen auf, damit dort künftig ebenfalls Schiffe der Postpanamax-Klasse anlegen können. Cartagena in Kolumbien investiert 800 Millionen US-Dollar, Callao in Peru 700 Millionen Dollar und San Antonio in Chile 440 Millionen Dollar. Innerhalb der USA dürften sich nach Einschätzung der Boston Consulting Group zehn Prozent der Containerankünfte von der West- an die Ostküste verlagern.
Damit der Kanal künftig in der globalen Wirtschaft mitspielen kann, haben die Panamaer eine wahre Materialschlacht im Dschungel angezettelt: Insgesamt wurden 150 Millionen Kubikmeter Erde und Geröll abgeräumt. An den neuen Schleusen an der Atlantik- und Pazifikseite verbauten die Arbeiter zwölf Millionen Tonnen Zement. 192'000 Tonnen Stahl kamen zum Einsatz - das entspricht 19-mal dem Eiffelturm in Paris. Während der vergangenen neun Jahre waren rund 40'000 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt.
Mindestens 5,25 Milliarden US-Dollar hat das Megaprojekt gekostet. Die Kanalverwaltung streitet sich mit dem Baukonsortium GUPC noch um nachträglich aufgelaufene Zusatzkosten in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar. Sollte sich die Firma mit ihren Forderungen durchsetzen, könnte der Ausbau noch einmal deutlich teurer werden.
Vom Kontrollturm in Cocolí auf der Pazifikseite überblicken die Schleusenwärter die neue Anlage mit drei Kammern. «Von hier aus lässt sich alles per Mausklick steuern», sagt Abdiel Julio von der Verwaltung. Jede Kammer ist 427 Meter lang, 55 Meter breit und 35 Meter tief. Die in Italien gefertigten Schleusentore brauchen zum Öffnen und Schliessen rund fünf Minuten. Rund drei Stunden dauert es, die Schiffe rund 28 Meter auf das Niveau des Gatún-Sees anzuheben.
«Aus Sicherheitsgründen sind alle Systeme redundant angelegt. Die Schleusentore, die Motoren, die Elektrik und die Düsen», sagt Julio. «Damit stellen wir sicher, dass wir auch bei technischen Problemen den Betrieb aufrecht erhalten können.» Komplett geschlossen wird der Panamakanal tatsächlich fast nie: Erst dreimal soll das in den vergangenen 100 Jahren vorgekommen sein.