Mit dem Ende der Weihnachtsferien beginnt heute wieder der Pendler-Alltag. Nicht nur Hunderttausende Schüler, Lehrer und Eltern kehren zurück an ihren Arbeitsplatz. Auch die IT-Probleme der SBB bei der Einsatzplanung ihrer Lokführer rücken jetzt wieder zuoberst auf die Tagesordnung. Immer wieder kam es in den letzten Wochen zu Zugausfällen, weil der Lokführer nicht am richtigen Ort aufgeboten wurde oder dessen Einsatz schlichtweg bei der digitalen Planung verloren ging.
Darum haben die SBB für den heutigen 8. Januar eine Krisensitzung anberaumt, will die «NZZ am Sonntag» wissen. In einem Bericht vom 24. Dezember schreibt sie dazu, dass Vertreter der Konzernleitung und des Personals sowie IT-Cracks und Mitglieder einer Task-Force antraben müssen, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Laut den SBB findet heute aber «nichts Spezielles statt», wie sie auf Nachfrage von BLICK nun sagen. Sie bestätigen aber, dass aktuell eine Taskforce mit dem Lieferanten der Software daran sei, das System stabil zu halten.
«Tickende Zeitbombe»
Deutlicher werden SBB-Insider gegenüber BLICK: Es gehe jetzt darum, so schnell wie möglich die «tickende Zeitbombe» zu entschärfen. Diese hat einen Namen: Sopre. Es ist die Pannen-Software, die bereits vor dem Wintereinbruch bei SBB-Fahrgästen und Mitarbeitern wie Lokführer für viel Ärger sorgte.
Sopre heisst die Software zur Personal- und Rollmaterialplanung bei den SBB. Sie wurde im 2011 für knapp 19 Millionen Franken gekauft und im Sommer 2016 für die 2200 Zugbegleiter eingeführt – «praktisch reibungslos», wie die SBB damals sagen. Wegen technischer Probleme ist das System erst seit November 2017 für die 2600 Lokführer im Einsatz. Sopre ist verantwortlich dafür, dass in jeder Zugkomposition auch ein Lokführer sitzt. Das Versprechen konnte nicht eingehalten werden: Bildschirme von Disponenten blieben schwarz: Lokführer fehlten oder wollten wegen Fehlplanung nicht mehr weiterfahren, weil sicherheitsrelevante Arbeitszeitvorschriften dies nicht zuliessen. «Ihre S12 steht derzeit in Zürich HB. Grund dafür ist fehlendes Fahrpersonal.» Solche Durchsagen hörten die Pendler gehäuft bis über den Fahrplanwechsel im Dezember 2017/18 hinaus. Die SBB sagte dazu: «Sopre ist nicht die Ursache für die Probleme, sondern die Auswirkungen sind bei unvorhergesehenen Störungen wie eingefrorene Weichen, Unfälle oder Stellwerkstörungen, die schnelles Umdisponieren der Züge und Lokführer nötig machen, grösser.» Weil der Frost das Flachland in den letzten Wochen verschonte, merkte die Öffentlichkeit damals wenig von der Software-Krise. Gelöst sind die Probleme heute keineswegs, wie nun bekannt wurde. (uro)
Sopre heisst die Software zur Personal- und Rollmaterialplanung bei den SBB. Sie wurde im 2011 für knapp 19 Millionen Franken gekauft und im Sommer 2016 für die 2200 Zugbegleiter eingeführt – «praktisch reibungslos», wie die SBB damals sagen. Wegen technischer Probleme ist das System erst seit November 2017 für die 2600 Lokführer im Einsatz. Sopre ist verantwortlich dafür, dass in jeder Zugkomposition auch ein Lokführer sitzt. Das Versprechen konnte nicht eingehalten werden: Bildschirme von Disponenten blieben schwarz: Lokführer fehlten oder wollten wegen Fehlplanung nicht mehr weiterfahren, weil sicherheitsrelevante Arbeitszeitvorschriften dies nicht zuliessen. «Ihre S12 steht derzeit in Zürich HB. Grund dafür ist fehlendes Fahrpersonal.» Solche Durchsagen hörten die Pendler gehäuft bis über den Fahrplanwechsel im Dezember 2017/18 hinaus. Die SBB sagte dazu: «Sopre ist nicht die Ursache für die Probleme, sondern die Auswirkungen sind bei unvorhergesehenen Störungen wie eingefrorene Weichen, Unfälle oder Stellwerkstörungen, die schnelles Umdisponieren der Züge und Lokführer nötig machen, grösser.» Weil der Frost das Flachland in den letzten Wochen verschonte, merkte die Öffentlichkeit damals wenig von der Software-Krise. Gelöst sind die Probleme heute keineswegs, wie nun bekannt wurde. (uro)
Stellen die SBB jetzt die Weichen neu? Sopre könnte sogar aufs Abstellgleis geschoben werden, weil die Ausgaben für die Nachbesserungen aus dem Ruder laufen: «Die Kosten laufen ins Unermessliche. Die 70-Millionen-Franken-Grenze ist schon vor einiger Zeit überschritten worden», sagt eine bei den SBB in das Projekt involvierte Person zu BLICK. Und dies bei einem Kaufpreis von knapp 19 Millionen Franken, ruft die Person in Erinnerung.
«Keine Kinderkrankheiten, sondern grössere Probleme»
Der Insider möchte anonym bleiben, weil er bei Bekanntwerden seines Namens wohl den Job verlieren würde. Dennoch möchte er öffentlich machen, welcher Frustration jene SBB-Mitarbeiter ausgesetzt sind, die mit der Software dennoch arbeiten müssen, und das wegen ungenügender Leistungsfähigkeit des Systems teilweise gar nicht können. «Im Vergleich zum Vorgängersystem hat man mit Sopre einen drei- bis fünffachen Mehraufwand bei der Lokführerplanung», so der Insider.
Folgende Negativpunkte fallen ins Gewicht: Immer wieder gibt es unnötige und lange Wartezeiten im System, immer wieder gehen erstellte Leistungen für das Lokpersonal verloren. «Merkt dies das System nicht und der Disponent auch nicht per Zufall, so führt das zu ärgerlichen Zugausfällen.» Lokführer können offenbar nicht alle ihnen freigegebenen Informationen abrufen oder einsehen.
«Bedingt durch die Unübersichtlichkeit sind zusätzliche Lokführerdienste unvermeidbar und erhöhen unnötig die Personalkosten», so der Insider weiter. Zudem gebe es «viel zu viele Differenzen» in der Zeit- und Zulagenabrechnung beim Lokpersonal. Kurz: «Das sind keine Kinderkrankheiten einer neuen Software, sondern effektiv grössere Probleme.» Stellvertretend stellt er klar: «Das Personal verweigert sich dem neuen System nicht. Aber viele schlafen schlecht, träumen vom System. Es belastet und beschäftigt das Personal zusehends.»
Lokführer bringen Sicherheit ins Spiel
Diesen Eindruck bestätigt ein Dokument über die Einführung von Sopre, das der Verband Schweizer Lokomotivführer und Anwärter auf seiner Website aufgeschaltet hat. Darin schreibt die Gewerkschaft unter anderem: «Bei unseren Kollegen aus der Lenkung verursacht Sopre enorme Probleme, da alle Systeme softwaretechnisch miteinander verbunden wurden.»
Die Auswirkungen der Software-Probleme auf die Lokführer umschreibt der Verband so: «Jeder Lokführer weiss, dass die grösste Gefahr auf dem Führerstand belastete Gedanken sind, welche von der Führung des Zuges ablenken. Unklare Dienstvorgaben führen zu Stress und Ablenkung bei der Fahrt.» Das neue Planungstool Sopre habe die Erwartungen «definitiv nicht erfüllt».
Laut SBB befinden sich die Verantwortlichen «im regelmässigen Austausch» mit den Gewerkschaften und der Personalkommission. Sopre sei ein komplexes IT-System zur Dienstvorbereitung, man plane damit 20'000 Personalleistungen für mehrere tausend Züge pro Tag.
Berufsstolz wichtig
«Die noch fehlende Leistungsfähigkeit bei Störungen ist das Problem», sagt SBB-Sprecher Reto Schärli. Für Lokführer und Dienst-Einteiler habe das eine grosse emotionale Komponente. «Ihr Berufsstolz ist die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Ihre Bereitschaft, bei Problemen auszuhelfen, ist dementsprechend sehr hoch.»
Zum Aufwand für die Nachbesserungen und den genannten über 70 Millionen Franken Mehrkosten für Sopre will Schärli keine Details geben. «Es kommt im Projekt zu Mehrkosten», bestätigt er lediglich. Die Mehrkosten könnten aber noch nicht beziffert werden, weil die Einführung des Systems noch laufe.
Die SBB halten gemäss eigenen Angaben den «Taskforce-Modus» weiter aufrecht. «Alle Beteiligten arbeiten mit Hochdruck daran, das System stabil zu halten und wir tun alles, um allfällige Auswirkungen auf die Kunden marginal zu halten», sagt Schärli.
Die nächste Sopre-Belastungsprobe kommt mit Sicherheit. Dann, wenn die nächste Kältewelle durchs Flachland rollt, und es wieder gehäuft Störungen gibt. Für die beteiligten Mitarbeiter geht der tägliche Ärger wegen Sopre weiter.