Siemens-Chef Joe Kaeser (62) gibt dem Druck von Klimaschützern nicht nach: Er will an der umstrittene Lieferung für ein riesiges Kohlebergwerk in Australien festhalten.
Unmittelbar nach seiner am Sonntagabend über Twitter verkündeten Entscheidung, den 18-Millionen-Euro-Auftrag weiterzuverfolgen, gab es Kritik. Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future kündigte sofort weitere Proteste an.
«Unentschuldbarer» Fehler
«Joe Kaeser macht einen unentschuldbaren Fehler», sagte die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer (23) am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur. «Diese Entscheidung ist aus dem Jahrhundert gefallen.» Kaeser hatte sich noch am Freitag mit Neubauer getroffen und ihr einen Posten in einem Aufsichtsgremium des künftigen Unternehmens Siemens Energy angeboten, den sie aber ablehnte.
Das Treffen vom Freitag hatte neben der Tatsache, dass Kaeser den eigentlich bereits unterschriebenen Vertrag noch einmal überprüft hatte, Hoffnungen der Klimaschützer befeuert, dass Siemens sich gegen die Lieferung entscheiden könnte. Das Unternehmen will für eine Eisenbahnlinie von der Kohlemine in Australien zu einem Hafen eine Zugsignalanlage zuliefern. Der Auftragswert ist mit 18 Millionen Euro für die Verhältnisse des Konzerns eher klein.
Enormer Wasserverbrauch
Entstehen soll eines der grössten Kohlebergwerke der Welt, das aus fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern soll. Bei der Kritik an dem Projekt geht es neben dem Klimaschutz auch um enormen Wasserverbrauch, die Zerstörung von Lebensraum und den Transport der Kohle über das Great Barrier Reef, das grösste Korallenriff der Welt.
Kaeser schrieb in einer am Sonntag veröffentlichten längeren Stellungnahme, ihm sei bewusst, dass die Mehrheit sich eine andere Entscheidung erhofft habe. Er betonte aber, dass es seine Pflicht als Konzernchef sei, verschiedene Interessen abzuwägen. Es sei die «höchste Priorität» von Siemens, seine Versprechen zu halten. Und es gebe praktisch keinen rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen Weg, den Vertrag aufzulösen.
Für oder gegen das Klima
Neubauer kritisierte, Konzerne müssten anfangen, bestehende Verträge zur Förderung von Kohle, Öl und Gas aufzulösen, sonst seien die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht einzuhalten. «Auf diesen Vertrag zu pochen, während Australien brennt und alle Konsequenzen für Mensch und Umwelt bekannt sind, ist Wahnsinn.»
Die Menschen seien an einem Punkt in der Geschichte angekommen, an dem jeder Vorstandsvorsitzende «in dieser Grössenordnung gefragt ist, sich zu entscheiden: für oder gegen das Klima, für oder gegen die Rechte zukünftiger Generationen und den Schutz der Menschen und Tiere, die heute betroffen sind».
Umweltaktivisten empört
Auch australische Umweltaktivisten reagierten empört auf den Beschluss von Siemens. Die Entscheidung sei «nichts weniger als schändlich» und ruiniere das Image der Firma, teilte die Australian Conservation Foundation der Deutschen Presse-Agentur mit. «Mit dieser Entscheidung zeigt das Unternehmen sein wahres Gesicht.»
Die angebliche Klimawandel-Strategie des Konzerns habe sich als «inhaltsleer und bedeutungslos» entpuppt – er sei keinen Deut besser als die von der Ausbeutung fossiler Energieträger profitierenden Firmen, mit denen er zusammenarbeite. Der Protest gegen das Bergwerkprojekt werde weitergeführt, kündigten die Aktivisten an.
Siemens mit Schlüsselrolle
Am Freitag hatten Anhänger von Fridays for Future in deutschen Städten gegen die Mitwirkung von Siemens an dem Bergbauprojekt protestiert. Auch die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg schaltete sich ein. «Es scheint so, als ob Siemens die Macht habe, den Bau der riesigen Adani-Kohlemine in Australien zu stoppen, zu verzögern oder zumindest zu unterbrechen», schrieb sie am Samstag auf Twitter.
Auch Neubauer hatte Siemens zuletzt eine Schlüsselrolle für das Projekt zugeschrieben. (SDA/zas)