Der Stress steht ihnen ins Gesicht geschrieben, die Erholung ist wie weggeblasen. Statt auf der Heimreise zu sein, müssen viele Ausflügler am Sonntagnachmittag des verlängerten Auffahrtswochenendes eine Zwangspause in Bellinzona einlegen. Oder aber sie werden vom SBB-Personal über die Perrons gescheucht, damit sie sich doch eine Fahrmöglichkeit Richtung Norden ergattern.
Allerdings klappt der Anschluss nicht immer reibungslos, fährt auch der Extrazug ab, ohne dass alle Reisewilligen auch einsteigen konnten. Das heisst, auf den nächsten Zug warten, der genauso überfüllt ist, wie der eben abgerauschte.
Doch selbst mit Reservation läufts nicht Reibungslos. Das musste der Deutsche Familienvater Yannick Bassler (31) erfahren. Grund: «Laut SBB warten wir angeblich an der falschen Stelle des Zuges und es hätte nicht mehr gereicht drei Wagen weiter vorne einzusteigen». Für Bassler, der mit Frau und Kleinind reiste ein «ärgerliches» Erlebnis (siehe Video).
Technische Panne im EC 22
Richtig ärgerlich wird die Fahrt nach Norden für die Passagiere des EC 22 um 17.22 Uhr ab Mailand. Zwischen Balerna und Mendrisio kommt es zu einer technischen Panne. Deshalb wird der Zug nach Chiasso zurückgefahren, wo die Passagiere auf einen Ersatzzug umsteigen müssen. Die Folge ist eine um fast zwei Stunden verspätete Ankunft in Zürich. SBB-Sprecher Daniele Pallecchi: «Wir entschuldigen uns bei den Passagieren für die entstandenen Unannehmlichkeiten.»
Erstaunlicherweise nehmens die meisten Passagiere gelassen, nur vereinzelt gibt es laute Worte. Ein Paar aus Deutschland, wohl auf die Schweizer Tugend Pünktlichkeit fixiert, macht seinem Ärger so richtig Luft.
Seit einer Woche ausgebucht
Denn die schnellsten Verbindungen vom Süden in die Deutschschweiz, die EC-Züge, sind ab dem Mittag schon seit einer Woche ausgebucht. Auch die alternativen Verbindungen in den Norden, die SBB-Extrazüge, die IC- und IR-Bahnen sind sehr gut gebucht, seit es sich herumgesprochen hat, dass die SBB bei überfüllten Zügen regelmässig Personen in Bellinzona rausschicken.
Der Grund für das grosse Umsteigen: Bevor ein Zug durch den neuen Gotthard-Basistunnel darf, müssen besonders strenge Sicherheitsauflagen erfüllt werden, die sich nicht mit den Passagiermassen vertragen. Wer nicht reserviert, kann Pech haben. Ausserdem kann sich das warten in die Länge ziehen, wenn auch der nächste und der übernächste Zug in den Norden schon proppenvoll ist. BLICK berichtete über ein Berner Ehepaar und seine zwei Freunde, die erst im fünften nachfolgenden Zug Platz fanden.
Ohne Reservation keine Chance
Ähnlich ergeht es heute wieder Familien mit Kind und Kegel, Sack und Pack, die an diesem Reisetag ohne Platzreservation auf der beliebten Nord-Süd-Achse heimwärts unterwegs sind. Zwar weisen die SBB auf dem App- und Online-Fahrplan auf die grosse Auslastung am Auffahrtssonntag und auch an Pfingsten hin und empfehlen auch eine Reservation. Doch viele Bahnkunden sind sich im offenen Schweizer System nicht gewohnt, sich im Voraus einen Platz zu sichern. Darüber hinaus ist es noch nicht so lange her, dass es immer irgendwie gelang, noch einen Platz zu ergattern.
Der SBB-Chef, Andreas Meyer (58) hatte letzte Woche im BLICK-Interview an die Passagiere appelliert, die mit den SBB ohne Ärger ans Ziel kommen wollen: «Schauen Sie bitte, wo es Extrazüge gibt, auch ausserhalb des Fahrplans.» Für längere Strecken legt er den Passagieren ans Herz, zu reservieren. Zudem lohne es sich, die Mobilitäts-Apps zu konsultieren, dort sehe man die Auslastungsprognosen der Züge, ergänzte Meyer. Die SBB setzen an diesem und nächsten Wochenende gegen 100'000 zusätzliche Sitzplätze zwischen Nord-Süd ein.