SBB streichen 1400 Stellen – den Job-Killern aus den USA war das zu wenig
McKinsey wollte noch brutaler zuschlagen

SBB-Chef Andreas Meyer setzt zum Kahlschlag an: Er will 1400 Jobs abbauen und 1,2 Milliarden Franken sparen. Das Drehbuch schrieb ihm die US-Firma McKinsey.
Publiziert: 23.09.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:38 Uhr
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SBB-Zentrale in Bern: Hier schlägt der Sparhammer besonders hart ein.
Foto: Keystone
Guido Schätti und Bastian Heiniger

Rund 900 Stellen werde die Sparübung in etwa kosten, kündete SBB-Chef Andreas Meyer (55) vor ­einem Jahr an. Damals gleiste er das Kostensenkungsprogramm mit dem unverdächtigen Namen Railfit auf. Doch die Fitnessübung wird zum Kahlschlag: 1400 Jobs fallen in den nächsten vier Jahren weg. Das sind mehr als vier Prozent der gesamten Belegschaft.

Allein in der Verwaltung verschwinden 500 Jobs. In der Verkehrsleitung gehen 250 Stellen verloren, im Verkauf 220 und beim Rangierpersonal 165. Die übrigen verteilen sich über verschiedene Bereiche. Im Gegenzug wollen die SBB 200 neue Jobs aufbauen.

Berüchtigte Beratungsfirma

Das Drehbuch für den Abbau schrieb die berühmt-berüchtigte US-Beratungsfirma McKinsey. Ihre Leute stehen weltweit im Sold von Grosskonzernen. McKinsey-Leute waren es auch, die der Swissair die famose Hunter-Strategie aufschwatzten. Sie führte 2001 zum Grounding.

Regierte bei der Swissair der Grössenwahn, ist es bei den SBB die Sparwut. 1,2 Milliarden Franken will Meyer mit diversen Massnahmen weghobeln. McKinsey wäre gerne noch weiter gegangen: Die Amerikaner wollten auch das Reinigungspersonal auslagern. Hier zog Meyer aber die Notbremse.

Die Bähnler-Gewerkschaft SEV ist auch so empört. «McKinsey fährt wie immer mähdrescherartig drein», sagt SEV-Präsident Giorgio Tuti (52). «Der Abbau ist ein Spiel mit dem Feuer. Man greift tief ins System ein. Das hat Auswirkungen auf Qualität und Sicherheit.»

«Die Service-Qualität bleibt unverändert»

Meyer will davon nichts wissen. «Die Service-Qualität bleibt unverändert», sagt er zu BLICK (siehe Interview unten). Und er macht ein grosses Versprechen: Dank der Sparübung würden die Billettpreise nicht mehr ständig steigen. In Zukunft könnten sie sogar sinken. 

Die Gewerkschaften werden ihm genau auf die Finger schauen. Tuti will nun die Basis befragen. «Es wird zu Protesten und Aktionen kommen», kündet er an. Von Streikdrohungen will er zumindest vorerst aber nichts wissen. Mit gutem Grund: Der SBB-GAV enthält ein Streikverbot. Im Gegenzug dürfen die SBB niemandem aus wirtschaftlichen Gründen kündigen. Auch in diesem Fall soll der gesamte Stellenabbau über reguläre Wechsel und Pensionierungen aufgefangen werden.

Dennoch gibt es Widerstand. Auch von politischer Seite: «Der Abbau gefährdet die Sicherheit», sagt der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn (49). Wenn die SBB bei der Zugverkehrsleitung abbauten, sei dies, wie wenn im Luftverkehr bei der Flugsicherung gespart würde. «Das ist brandgefährlich.» Hadorn will am Montag einen Vorstoss im Parlament einreichen, um den McKinsey-Express zu stoppen.

«Entmenschlichung muss gestoppt werden.»

Auch der Abbau beim Verkaufspersonal kommt schlecht an. «Die Debatte um den Service public hat gezeigt, dass die SBB-Kunden von Menschen bedient werden möchten», sagt Edith Graf-Litscher (52), SP-Nationalrätin aus dem Thurgau. «Die ständige Entmenschlichung muss gestoppt werden.» 

Mit Arbeitskämpfen hat Meyer Erfahrung. Als er seinen Job vor knapp zehn Jahren antrat, kündigte er schon bald den Abbau von 400 Stellen und die Schliessung der Werkstätten in Bellinzona an. Ein Streik machte den Plan zunichte. Die Werkstätten in Bellinzona gibt es noch immer.

Aus dem Debakel hat Meyer Lehren gezogen. «Er hat einen Hang zur Selbstdarstellung, der ihm in früheren Fällen zum Verhängnis wurde», sagt Patrick Suppiger (39), Präsident des Verbandes für Krisenkommunikation. Nun sei Meyer weit cleverer vorgegangen. «Er hat den Abbau angekündigt. Nun ist die Luft schon etwas draussen.» Das schliesse Proteste aber nicht aus. «Entscheidend ist, wie sich die Gewerkschaften und einflussreiche Politiker positionieren.»

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