Die SBB sind diesen Sommer im Ausnahmezustand: Insgesamt 30 Baustellen, drei davon nicht nur gross, sondern riesig, beeinträchtigen die Reisenden. Vor diesem Hintergrund haben die Verantwortlichen heute vor den Medien um Verständnis geworben.
Für Kritik sorgen nicht nur die Umleitungen. Sondern auch die Entschädigung für Reisende, die besonders unter den Baustellen leiden. Und zwar, weil diese Entschädigung an eine App gebunden ist, die nur auf der neuesten Handygeneration funktioniert und weil Reisende, die ein solches Smartphone nicht besitzen, auch keine Entschädigung geltend machen können.
Es gibt einen 100-Franken-Gutschein
Zudem wird die Entschädigung nur in SBB-Gutscheinen und nicht bar entrichtet. Dieser Kritik sind die Verantwortlichen bei den SBB nun, nach etwa der Hälfte der Geltungsdauer des Sommerfahrplans, mit einem Zwischenfazit entgegengetreten.
So stellte Linus Looser, Leiter Verkehrsmanagement Personenverkehr, weniger die Entschädigung als solche in den Vordergrund, sondern den Fakt, dass es sich dabei um ein «mindestens in Europa einzigartiges Pilotprojekt» handle. Per Post erhalten Reisende, die wegen der Baustelle zwischen Lausanne und Chexbres während mindestens zehn Tagen über 20 Minuten länger unterwegs sind, einen Gutschein von 100 Franken.
Laut Looser nehmen 1500 Personen an dem Pilotprojekt teil, rund 2500 Reisen seien bereits registriert worden, und die ersten Kunden hätten die vorgegebenen 10 Reisetage erreicht. «Die Anzahl der registrierten Personen entspricht rund 10 Prozent der Reisenden und genügt für den Pilot», sagte Looser.
Anreiz für Preisgabe von persönlichen Daten
Der Punkt für die SBB ist, dass mit der Registrierung über die App nachvollzogen werden kann, wer sich wirklich auf der entsprechenden Strecke bewegt (Tracking). Diese Bewegungsdaten sind die Grundlage dafür, dass die SBB austüfteln können, wie sie auch künftig in Krisensituationen, etwa bei einem Streckenunterbruch, reagieren können.
Aus Sicht des Bahnunternehmens sind demnach die 100 Franken für die Kunden weniger eine Entschädigung als mehr ein Anreiz, dass Kunden ihre Daten zur Verfügung stellen. Looser sagte denn auch: «Mit diesem Pilot prüfen wir einen Weg in die digitalisierte Zukunft.» Ein Fazit wollte er noch nicht ziehen.
Darüber hinaus wollen die SBB auch Rückmeldungen von Kunden, die nicht am Pilot teilnehmen. In den nächsten Wochen will das Bahnunternehmen seine Kunden auch mit Fragebögen auf Papier befragen.
Variante «kurz und intensiv»
Um für Akzeptanz der gesamten Baumassnahmen zu werben, wiederholte Looser grundsätzlich die Hauptargumente, die auch schon im Vorfeld des riesigen Bauprogramms angeführt wurden: Man habe sich für die Variante «kurz und intensiv» entschieden. «Das bringt zwar grössere Auswirkungen für die Kunden mit sich, verkürzt aber dafür die Bauzeit mit Lärmbelästigungen und reduziert die Gesamtbaukosten», sagte Looser.
Konkret: Ganze Streckenabschnitte während der Bauzeit komplett gesperrt oder nur teilweise befahrbar. So herrscht auf den Baustellen rund um die Uhr Betrieb und nicht nur, wie bis anhin üblich, während der wenigen Nachtstunden. Dadurch verkürzt sich die Bauzeit auf den drei Grossbaustellen und 2,5 bis 8 Monate. Die Kosten reduzieren sich durch diese Vorgehensweise um insgesamt 29 Millionen Franken.
Zur Halbzeit des Sommerfahrplans ziehen die SBB insgesamt eine positive Bilanz: Der Betrieb verlaufe störungsfrei und stabil; die Pünktlichkeit habe sich auf 92 Prozent erhöht. Bei 1,26 Millionen Reisenden pro Tag haben sich die täglichen Anrufe auf der Hotline bei 80 eingependelt. Schriftlich melden sich rund 120 Kunden pro Woche. «Wir haben mit mehr gerechnet», sagte Looser. (sda)