Schalter in Pratteln BL wird am 1. Januar geschlossen
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Mitarbeiter bleiben bei SBB:Schalter in Pratteln BL wird am 1. Januar geschlossen

SBB schliessen fünf Bahnschalter, darunter Pratteln BL
Jetzt übernimmt der Automat Daniel Pfirters Job

Das neue Jahr bringt immer auch Veränderungen. Für den Baselbieter Ort Pratteln bedeutet das 2019 den Verlust des Bahnschalters. Reisende bedauern die Schliessung. Geschäftsleiter Daniel Pfirter aber ist sich Job-Veränderungen gewöhnt.
Publiziert: 31.12.2018 um 01:45 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2018 um 09:45 Uhr
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Daniel Pfirter war neun Jahre Geschäftsführer des SBB-Reisebüros in Pratteln. In Zukunft wird er nur noch in Rheinfelden AG arbeiten. Bisher hatte er beide Bahnhöfe betreut.
Foto: STEFAN BOHRER
Julia Fritsche

Auf ihrer Webseite versprechen die SBB vollmundig: «Von frühmorgens bis spätabends sind wir für Sie da.» Doch ab morgen stimmt das zumindest für den Bahnhof Pratteln BL nicht mehr. Die SBB schliessen dort den bedienten Schalter – für immer. Billette gibts zum 1. Januar nur noch am Automaten oder online. 

Als BLICK den Bahnhof Pratteln und seinen Noch-Geschäftsleiter Daniel Pfirter (49) in der Woche vor Weihnachten besucht, herrscht noch reger Betrieb. Überraschend viel für einen Bahnhof, der schliessen muss, weil zu wenig läuft. Auf den Gleisen – acht Regio-Züge pro Stunde verbinden den Baselbieter Ort mit Basel, Frick AG, Pruntrut JU und Olten SO –, aber auch an den zwei Schaltern ist einiges los.

Dann läuft es also gar nicht so schlecht? Gerade jetzt schon nicht, sagt Pfirter. Das sei aber nur ein saisonaler Effekt, denn viele würden Ende Jahr ihre Abos verlängern. Ein Blick auf die Verkäufe des Morgens zeigt, neben Aboverlängerungen kaufen Kunden Billette ins nahe Ausland, Junior-Karten oder überweisen Geld. Ab dem 1. Januar müssen die Prattler für solche Erledigungen nach Basel oder Liestal ausweichen. 

Auch vier weitere Schalter machen dicht

Während sich die Tagesverkäufe sehen lassen können, spricht die harte Statistik eine andere Sprache: «Nur noch rund jedes zehnte Billett wurde am bedienten Schalter gekauft», sagt SBB-Sprecher Reto Schärli. Heisst, pro Stunde waren es weniger als acht Billette. Über die letzten drei Jahre gesehen sanken die Billettverkäufe um rund 20 Prozent. Der Umsatz sinkt und gleichzeitig müssen die SBB haushälterisch mit ihren Mitteln umgehen. Das fordert der Bund als Besitzer.

Die Folge: Pratteln aber auch Muri AG, Richterswil ZH, Romont FR und Rümlang ZH haben ab Anfang 2019 keinen bedienten Schalter mehr. Sie alle haben die regelmässige Überprüfung der SBB nicht bestanden. Damit geht das Schaltersterben im neuen Jahr weiter, nachdem die SBB 2018 acht Bahnhofshops schlossen.

Jetzt bleibt nur noch das Aufräumen

«Schade» sei die Schliessung, sagen Reisende, die an diesem Mittwoch in Pratteln auf ihren Zug warten. Die meisten bedauern das Schalter-Ende, viele allerdings waren selbst keine regelmässigen Käufer. «Schade für die Kunden», sagt auch Pfirter. Er hat extra für den Besuch seine Berater-Uniform angezogen. Denn während seine Mitarbeiterinnen die Kunden bedienen, ist er bereits mit Aufräumen beschäftigt. Einen grossen Teil der Einrichtung übernehmen andere Bahnhöfe der Region.

Auch die Mitarbeitenden werden verteilt. Die SBB dürfen aus wirtschaftlichen Gründen niemanden entlassen, so schreibt es der Gesamtarbeitsvertrag vor. Daniel Pfirter arbeitet künftig am Bahnhof Rheinfelden AG, für den er bereits die letzten zwei Jahre verantwortlich war. Eine Mitarbeiterin betreut künftig SBB-Kunden in Liestal. Der zweite Mitarbeiter lässt sich zum Lokführer umschulen. Entschieden hatte er sich aber schon vor dem Schliessungsentscheid. Für seinen Mitarbeiter habe der Job, so wie er sich über die Jahre entwickelte, nicht mehr gestimmt, erklärt Pfirter.

Vom Rangierer zum Berater

Auch der Job des Geschäftsleiters hat sich mit den Jahren stark gewandelt. Obwohl Pfirter den SBB seit seiner Lehre 1985 treu ist. «Gelernt habe ich Bahnbetriebsdisponent. Damals machten wir am Bahnhof noch alles selbst. Wir haben das lokale Stellwerk bedient, Züge rangiert, Frachtpapiere ausgefüllt, Reisegepäck in die Gepäckwagen ein- und ausgeladen und zwischendurch Billette verkauft.» Noch in den 90er-Jahren waren fast alle der schweizweit 800 Bahnhöfe bedient.

2001 wurde der Personen- und Güterverkehr getrennt. «In Muttenz, wo ich damals arbeitete, kam diese Trennung relativ spät. Wir haben noch selbst rangiert, als das anderswo längst aus der Ferne geschah.» Er habe sich dann für den Personenverkehr entschieden: «Ich bin dem Bahnhof treu geblieben.» Seine neue Rolle: Reiseverkäufer.

Doch lange sollte das nicht so bleiben. «In den letzten fünf Jahren haben sich unsere Aufgaben nochmals verändert, auch als Folge der Digitalisierung. Heute sind wir Berater.» Ab dieser Woche allerdings nicht mehr in Pratteln.

300 Poststellen auf der Kippe

Eben hat die Post mit 25 Millionen ausgelieferter Päckli einen neuen Weihnachtszeit-Rekord vermeldet. Das Schaltergeschäft aber schwächelt. Seit 2000 wurden dort 68 Prozent weniger Briefe sowie 44 Prozent weniger Pakete und Einzahlungen verarbeitet.

Wie die SBB überprüft deshalb auch die Post regelmässig ihr Netz. Die Folge: Seit 2001 sinkt die Zahl der selbst bewirtschafteten Filialen Jahr für Jahr. Von einst 3212 bleiben mit Stand Oktober 2018 noch 1114. Gleichzeitig baut die Post aus. Für Kunden heisst das mehr Hausservice. Dazu kommen Servicepunkte und Postagenturen mit Partnern wie Bäckereien oder Apotheken.

Das Postnetz der Zukunft soll bis 2020 auf über 4200 sogenannte Zugangspunkte anwachsen. Gleichzeitig wird bei den eigenen Filialen weiter ausgemistet. Weitere 300 könnten wegfallen oder durch Partneragenturen ersetzt werden.

Für ihren Entscheid schaut die Post auf die Marktsituation, das Kundenverhalten und ob die flächendeckende Versorgung gewährleistet ist. Schliesslich zählt wie bei den SBB auch die Wirtschaftlichkeit.

Eben hat die Post mit 25 Millionen ausgelieferter Päckli einen neuen Weihnachtszeit-Rekord vermeldet. Das Schaltergeschäft aber schwächelt. Seit 2000 wurden dort 68 Prozent weniger Briefe sowie 44 Prozent weniger Pakete und Einzahlungen verarbeitet.

Wie die SBB überprüft deshalb auch die Post regelmässig ihr Netz. Die Folge: Seit 2001 sinkt die Zahl der selbst bewirtschafteten Filialen Jahr für Jahr. Von einst 3212 bleiben mit Stand Oktober 2018 noch 1114. Gleichzeitig baut die Post aus. Für Kunden heisst das mehr Hausservice. Dazu kommen Servicepunkte und Postagenturen mit Partnern wie Bäckereien oder Apotheken.

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Für ihren Entscheid schaut die Post auf die Marktsituation, das Kundenverhalten und ob die flächendeckende Versorgung gewährleistet ist. Schliesslich zählt wie bei den SBB auch die Wirtschaftlichkeit.

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