Frau Ribar, was verlangen Sie von Ihrem neuen CEO?
Monika Ribar: Einen ganzen Strauss an Anforderungen, die eine einzelne Person gar nicht alle perfekt erfüllen kann. Zwei Punkte sind jedoch zentral: Erstens muss man ein komplexes Unternehmen mit völlig verschiedenen Mitarbeitenden führen können. Dabei ist auch die Sozialpartnerschaft extrem wichtig. Zweitens muss man die ständige Öffentlichkeit aushalten sowie eine starke Verbundenheit haben mit der Politik.
Um die Sozialpartnerschaft stand es schon besser. Würde es helfen, wenn der Neue von innen kommt und die Leute an der Basis kennt – also Bähnler ist, nicht Manager?
Gegenfrage: Ab wann ist man ein Bähnler? Herr Meyer war über 20 Jahre im Bahnbusiness tätig ...
… aber er hat nie an der Basis gearbeitet. Vielen in der Branche ist das sehr wichtig.
Das ist richtig. Und wir sind offen für jemanden von der Basis. Aber ob wir wirklich so eine Person finden, ist fraglich. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass man «Bahn» lernen kann. Die SBB haben sehr viele hochprofessionelle Mitarbeitende, die jeden Tag eine tolle Arbeit machen – und darüber auch gerne reden. Wer auf diese Leute zugeht und ihnen zuhört, kann viel lernen.
Wenn Sie die Wahl hätten, was würden Sie bevorzugen: interne oder externe Bewerber?
Die SBB sind gut aufgestellt und brauchen nicht zwingend jemanden von aussen. Wir sind in einer Situation, in der beides möglich ist. Eine interne Person hat aber natürlich den Vorteil, dass sie das Unternehmen bereits kennt. Grundsätzlich ist eine interne Lösung deshalb immer zu bevorzugen – die Person muss aber geeignet sein.
Wäre zum Beispiel jemand wie Personenverkehrschef Toni Häne eine gute Option – einfach 10, 15 Jahre jünger?
Klar, ich schätze Herrn Häne sehr. Aber können Sie ihn verjüngen? (Lacht.)
Welche Rolle spielt das Alter?
Jemand, der älter ist als Herr Meyer, wäre wohl nicht die richtige Wahl. Die Person sollte eine langjährige Perspektive haben. Wichtig ist zudem, dass sie beurteilen kann, was die heute 10- bis 15-Jährigen von uns erwarten, unsere künftigen Kundinnen und Kunden sowie unsere künftigen Mitarbeitenden. Wir brauchen Leute, die ein Feeling haben für die junge Generation.
Ist das wirklich so wichtig? Herr Meyer wurde ja vorgeworfen, dass er sich lieber mit neuen Apps oder der Mobilität der Zukunft beschäftigte statt mit dem Kerngeschäft. Wäre jetzt nicht jemand gefragt, der darauf fokussiert, dass die Züge wieder zuverlässig von A nach B fahren?
Intern war es für uns immer das wichtigste Thema, dass die Bahn sicher und pünktlich ist. Aber ich gebe Ihnen absolut recht: Wenn wir unsere Kommunikation anschauen, dann kam das zu kurz. Wir haben in den letzten zwei Jahren zu viel über andere Themen geredet. Deshalb konnte man den Eindruck erhalten, als hätten wir das Kerngeschäft vernachlässigt.
Was muss der Neue besser machen als Andreas Meyer?
Besser oder schlechter ist Ansichtssache. Es wird eine völlig andere Persönlichkeit sein, die eigene Akzente setzt. Besser machen, ich meine …
… etwa einen stärkerer Fokus auf das Kerngeschäft?
Das wird sicherlich anders sein in Zukunft. Wir werden den Fokus vermehrt auch wieder auf das Kerngeschäft legen. Aber der Blick in die Mobilität der Zukunft ist auch wichtig, sonst werden wir zur Märklin degradiert! Wir können uns nicht nur um die Bahn kümmern. Aber klar: Es ist das absolut Wichtigste. Wenn das nicht funktioniert, müssen wir über alles andere gar nicht reden.
Welche Ansprüche hat Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga? Hat Sie andere Schwerpunkte als Doris Leuthard vor ihr?
Mit Frau Leuthard habe ich das Thema nicht diskutiert, weil es noch nicht aktuell war. Die Anforderungen von mir und Frau Sommaruga gehen aber nicht auseinander. Wir wollen auf Diversity schauen. Wenn wir eine Frau finden, noch so gerne! Sie muss einfach die Fähigkeiten haben, diese Aufgabe zu übernehmen – genauso wie ein Mann.
Sie haben sehr viel Zeit für die Suche, maximal bis Ende 2020. Weshalb so lange?
Wir haben bis jetzt erst das Anforderungsprofil erstellt und beginnen nun mit der Suche. Eine frühe Ankündigung und lange Vorlaufzeit ist bei grossen Unternehmen nicht unüblich. Sonst kann man gar nicht auf den Markt gehen und mit Leuten reden. Wenn jemand von aussen kommt, könnte diese Person zudem eine lange Kündigungsfrist haben. Der Wechsel kann aber im ganzen Jahr 2020 passieren.
Die SBB durchlaufen schwierige Zeiten. Sie als Präsidentin waren in den vergangenen Wochen und Monaten jedoch auffällig ruhig. Wieso?
Wir haben intern viel darüber diskutiert, ob und wie ich mich äussern soll. Es ist aber so: Viele Dinge werden noch aufgearbeitet. Und bevor ich keine Fakten kenne, kann ich mich auch nicht äussern und Fehler analysieren.