Jedes fünfte Gebäude in der Schweiz hat eine Gasheizung verbaut. Fast 400'000 Haushalte wärmen die Stube damit. Sie beziehen den Rohstoff von den lokalen Gasversorgern. Und bezahlen dafür einen hohen Preis, wie ein Vergleich der Angebote in den Grenzregionen zeigt (siehe Tabelle unten).
Die Energiedienstleisterin Enerprice hat die Zahlen zusammengetragen. Sie liegen BLICK exklusiv vor. Das Resultat ist eindeutig: Die hiesigen Netzbetreiber verlangen einen Schweiz-Zuschlag. Das Geld landet bei den Gasversorgern, die meist in öffentlicher Hand und oft auch der Anbieter von Strom, Wasser oder Fernwärme sind. Die Leidtragenden sind die Hausbesitzer.
Ein Beispiel: Ein durchschnittlicher Hauseigentümer zahlt in Schaffhausen knapp über 8 Rappen für eine Kilowattstunde. Bei einem Jahresverbrauch von 20'000 Kilowattstunden summiert sich die Rechnung auf fast 1700 Franken. Ohne CO2-Abgabe. Bewohner des 50 Kilometer entfernten süddeutschen Dorfes Villingen-Schwenningen zahlen dagegen umgerechnet 370 Franken weniger.
Hauseigentümerverband wehrt sich
Das gleiche Bild zeigt sich in der Nordwestschweiz oder der Bodensee-Region: Hauseigentümer in Pratteln BL zahlen über 500 Franken mehr als die Häusli-Besitzer ennet der Grenze in Lörrach (D). Und die Rorschacher aus dem Kanton St. Gallen berappen sogar fast 1000 Franken mehr im Vergleich zu den Hauseigentümern im österreichischen Vorarlberg.
Die aktuelle Lage ist das Resultat einer unklaren Rechtslage. Die Situation hat auch schon zu Anzeigen bei der Wettbewerbskommission und zu Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geführt (siehe Box). Auf dem Gasmarkt besteht Rechtsunsicherheit, weil das sogenannte Rohrleitungsgesetz aus den 1960er-Jahren die Durchleitung von Erdgas durch Drittanbieter nur rudimentär regelt. Das hat zu einer Monopol-Situation bei den lokalen Versorgern geführt – und zum unschönen Schweiz-Aufschlag.
Der Bund hat nun einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, um Klarheit zu schaffen. Derzeit läuft die Vernehmlassung. Der Entwurf sieht eine leichte Öffnung des Markts vor. Der Grossteil der Endverbraucher hat aber weiterhin keine Wahl. Der Hauseigentümerverband (HEV) lässt deshalb durchblicken, dass er den Gesetzesentwurf torpedieren wird. «Die Kleinen zahlen wieder einmal die Zeche», sagt Thomas Ammann, Ressortleiter Energie- und Bautechnik beim HEV. Die Situation sei ähnlich wie beim Strommarkt, der auch nur teilliberalisiert ist. «Das ist störend.»
Industrie hat die freie Wahl
Eine Parallele zum Strommarkt zieht auch der Konsumentenschutz. Die Organisation ist mit diversen Akteuren im Gespräch über die Vorlage, hat sich aber noch nicht offiziell dazu geäussert. Geschäftsleiterin Sara Stalder tendiert zur vollständigen Öffnung des Markts. Diese Position vertritt der Konsumentenschutz «im Grundsatz» auch im Strommarkt.
Sowohl der Konsumentenschutz als auch der Hauseigentümerverband stören sich an einem Passus im Gesetzestext. Dieser sieht vor, dass nur jene den Gasanbieter frei wählen können, die mindestens 100 Megawattstunden pro Jahr verbrauchen. Darunter fallen grössere Industriebetriebe. Knapp 40'000 Grossverbraucher können also auf Billiggas hoffen. Sie stehen für 70 Prozent des Verbrauchs. Das Gros der Nutzer, die fast 400'000 Haushalte, hat aber weiterhin keine Wahl. Diese Verbraucher müssen einen Schweiz-Zuschlag akzeptieren. Oder sich an den Preisüberwacher wenden, der das System wiederholt an den Pranger gestellt hat.
Immerhin: Gegenüber der aktuellen Situation ist die geplante Gesetzesänderung eine klare Verbesserung. Aktuell haben nur knapp 400 Betriebe die freie Wahl. Sie sind die grössten Verbraucher von Erdgas. Dass sie frei wählen können, ist die Folge einer 2012 geschlossenen Vereinbarung mit der Gasbranche. Seither müssen regionale Netzbetreiber die Durchleitung gewährleisten. Als Resultat hat etwa der Detailhändler Coop in seiner Bäckerei in Aclens bei Lausanne VD die Gaskosten um 14 Prozent pro Jahr gesenkt. Und der Basler Pharmazulieferer Lonza hat sogar 20 Prozent der Energiekosten gespart.