Ruf nach Unterstützung und Regulierung
Die Wirtschaft schreit plötzlich nach mehr Staat

Ein Jahr nach dem Frankenschock ist in der Schweizer Wirtschaft noch immer keine Ruhe eingekehrt. Im Gegenteil: Jetzt fordern immer mehr Köpfe finanzielle Hilfe und neue Gesetze.
Publiziert: 06.01.2016 um 16:26 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2018 um 21:25 Uhr
Frische Papierrollen in der Fabrik der Chemie+Papier Holding in Perlen im Kanton Luzern.
Foto: KEYSTONE/URS FLUEELER

Nächste Woche jährt sich die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Nationalbank (SNB). Für die Ökonomen der drittgrössten Schweizer Bank Raiffeisen ist klar: Die Schweizer Wirtschaft wird die Folgen erst in diesem Jahr richtig zu spüren bekommen.

«Es besteht die Gefahr, dass die Schweiz einen Teil ihrer industriellen Basis endgültig verliert», warnt Chefökonom Martin Neff in einer Mitteilung. Die Wirtschaft drohe, abgewürgt zu werden. Darum müsse nun «der Bund die Wirtschaft gezielt selektiv unterstützen, bis der Anpassungsprozess aus eigener Kraft fortgesetzt werden kann», heisst es weiter.

Das soll in Form einer Wechselkursabsicherung geschehen, was faktisch auf einen Mindestkurs von 1.10 Franken hinaus läuft. Profitieren sollen aber nur die fitten Firmen. Wer ohnehin nur knapp über die Runden kommt, soll nichts erhalten.

Ruf nach strengeren Regeln

Der Ruf einer Bank nach Staatshilfe für die Wirtschaft ist relativ selten. Überhaupt die Tatsache, dass Unternehmen nach staatlicher Hilfe oder Regulierung rufen, löst normalerweise bei wirtschaftsliberalen Menschen einen Würgereflex hervor.

Raiffeisen-Neff ist nicht der einzige Unheilsprophet für den Liberalismus. Erst von zwei Wochen forderte Investor und Denner-Erbe Philippe Gaydoul neue Regulierungen im Detailhandel. Der «Schweiz am Sonntag» sagte er: «Man muss sich fragen, ob es nicht wieder einen gesetzlich geregelten Ausverkauf bräuchte, so wie früher, als nur zwei Ausverkaufsphasen pro Jahr bewilligt wurden. Ich meine Ja.»

Gaydoul gehört unter anderem die Schuhmarke Navyboot und der Kleiderhändler Jet Set.

Thomas Herbert, Chef der Globus-Gruppe, simmte ihm sogar zu: «Alle Händler wären froh, wenn der Ausverkauf reguliert würde wie früher.» Die ständige Aktionitis würde den Unternehmen die Marge schmälern.

Schlechtwetterhilfe vom Staat?

Auch Bergbahnen sind nicht vor Sonntagsliberalen gefeit. Ein schlechter Winter reicht schon, um nach dem Staat zu rufen. Kurz vor Weihnachten kündigte Egon Scheiwiller, Direktor der Bergbahnen Motta Naluns, in der «Tagesschau» an, Kurzarbeit einzuführen. Das beabsichtigten offenbar auch andere Bergbahnen.

Dumm nur, dass sie darauf keinerlei Anspruch haben. Kurzarbeit kann laut Seco nur beantragen, wer wegen ungewöhnlicher Wetterbedingungen 75 Prozent weniger Umsatz gemacht hat, als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Scheiwiller kalkulierte lediglich 30 Prozent Einbussen über Weihnachten und kritisierte, die Hürden bei der Kurzarbeit seien zu hoch.

Die Antwort dazu vom Seco: «Es geht nicht darum, Unternehmen schadlos zu halten und das unternehmerische Risiko abzudecken.» (alp)

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