Rückforderung von Kosten in Millionenhöhe
Krankenkassen zerren Pflegeheime vor Gericht

Wie immer geht es um Geld – um 40 bis 60 Millionen Franken: Die Krankenkassen wollen von Pflegeheimen und Spitexbetrieben Geld zurück, das sie von Gesetzes wegen nicht hätten bezahlen müssen.
Publiziert: 21.08.2018 um 16:25 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:14 Uhr
Seit Januar 2018 muss der sogenannte Restfinanzierer, also Kantone und Gemeinden, vollumfänglich für Pflegematerial aufkommen.
Foto: imago
Sven Zaugg

Vergangenen Herbst fällte das Bundesverwaltungsgericht einen Grundsatzentscheid zugunsten der Versicherer. Die Richter entschieden, dass Pflegematerial, das zur Erbringung von «professionellen Pflegeleistungen» notwendig ist, nicht mehr über die obligatorische Krankenversicherung abgerechnet werden darf.

Seit Januar 2018 muss der sogenannte Restfinanzierer, also Kantone und Gemeinden, vollumfänglich für Pflegematerial aufkommen. Ausserdem hatte das Bundesverwaltungsgericht die Tarifverträge rückwirkend bis Januar 2015 für unzulässig erklärt.

Im Prinzip ist die Verteilung der Kosten für die Pflege von alten und kranken Menschen klar geregelt. Bei der Neuordnung der Pflegefinanzierung im Jahr 2011 wurde festgelegt, dass die Beiträge aus der Krankenversicherung gedeckelt werden, für den Rest müssen die Kantone, also die öffentliche Hand aufkommen. Mehrkosten dürfen nicht auf die Patienten überwälzt werden.

Rückforderungen von 60 Millionen Franken

«Die Prämienzahler haben jahrelang Pflegematerialien finanziert, obwohl sie das gemäss Gesetz nicht hätten tun müssen», sagt Matthias Müller vom Krankenkassenverband Santésuisse zu BLICK. Damit soll nun Schluss sein: Tarifsuisse, eine Tochtergesellschaft von Santésuisse, forderte bereits im Juni von den Pflegeheimen die seit 2015 «zu viel bezahlten» Beiträge für Pflegematerialien zurück.

«Leider erfolglos», wie Müller sagt. Nun ziehen die Krankenversicherer vor Gericht. Nach Ablauf der gesetzten Frist hat Tarifsuisse im Namen von 16 Krankenversicherern eine erste Klage gegen 13 Heime im Kanton Zug zur Rückzahlung der Beiträge an Pflegematerialien eingereicht.

«Die Klage wurde eingereicht, da der Kanton keine Anstalten machte, die Kosten für die Restfinanzierung zu übernehmen», sagt Müller. Im Kanton Zug gehe es um eine Summe von rund einer Million Franken. Zwischen 40 bis 60 Millionen Franken sollen es landesweit sein.

Spitex wehrt sich

Die Senkung der Krankenkassen-Beiträge stösst bei Spitex Schweiz auf harsche Kritik. Die Organisation schrieb im Juli in einem Communiqué, mit der Forderung nach der Senkung der Beiträge der Krankenversicherungen wirke man dem Grundsatz «ambulant vor stationär» entgegen.

«Seit Jahren findet eine gewollte Verlagerung in die Spitex statt. Genau diese Branche soll nun Kürzungen in Kauf nehmen. Das ist für uns unverständlich», so Marianne Pfister, Geschäftsführerin von Spitex Schweiz.

Curafutura lässt Santésuisse links liegen

Die Helsana teilte im Juli mit, dass sie auf eine Rückerstattung der vergüteten Beträge verzichtet. Die mit rund 1,9 Millionen Versicherten grösste Schweizer Krankenkasse begründet das mit einem «nicht zu verantwortenden Mehraufwand und möglichen Gerichtsverfahren».

Die Helsana ist Mitglied des Krankenversicherungsverbands Curafutura. Auch die anderen Verbandsmitglieder CSS, Sanitas und KPT wollen keine Leistungen gegenüber freiberuflichen Pflegefachkräften, Spitex und Pflegeheimen zurückfordern. 

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