Er ist leicht erkältet, aber gut gelaunt. Markus Mader (54), Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes. Er hat viel zu tun, sollte eigentlich schon längst zum Coiffeur gehen, wie er dem Fotografen sagt. Derzeit läuft seine Aktion 2x Weihnachten. Er freut sich über die Idee, mit ihm zusammen auch jene Artikel zu fotografieren, die als Geschenke in der Hilfsaktion besonders gefragt sind: Hygieneartikel und lange haltbare Lebensmittel.
BLICK: Wenn dieser Mann nicht in den Himmel kommt, wer dann? Das sagte ein Kollege, nachdem er Ihren Lebenslauf gelesen hatte.
Markus Mader: Als ich für das IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) in Auslandeinsätzen war, sagten die Leute schon, es sei heldenhaft, was ich tue.
Ein schönes Gefühl.
Vielleicht so wie heute die Freiwilligen, die in Flüchtlingslagern helfen. Die sind jetzt kleine Helden in den sozialen Medien.
Als Sie anfingen, gab es Facebook noch nicht.
Ich mache das alles, weil es für mich einen Sinn ergibt.
Das heisst?
Weil es auch mir etwas gibt. Das sage ich auch immer unseren freiwilligen Mitarbeitenden: Ihr seid nicht nur für die anderen da. Ihr müsst euch bewusst sein, dass euch das auch etwas bringt, ihr lernt etwas, ihr bekommt etwas zurück: positive Energie, Anerkennung und Wertschätzung.
Ihr Einsatz ist also auch egoistisch.
Ja, das gehört dazu. Und um gleichzeitig etwas Gutes zu tun.
Sie bekamen damals aber keine «Likes».
Bei meinen Auslandeinsätzen spürte ich jeweils eine direkte Anerkennung von der Person, die ich unterstützen konnte. Ich sah verschiedene Länder, lernte Sprachen, ich hatte sinnvolle und spannende Aufgaben.
Aber es ist auch anstrengend, körperlich und seelisch.
Als reiner Idealist hält man die Arbeit kaum lange aus. Da sieht man zu viel. Ich bin ein Realist mit einer guten Portion Idealismus. Ich bin sicher kein Held, überhaupt nicht.
Es gibt aber Menschen, die sich heldenhaft auf die Fahne geschrieben haben, anderen zu helfen.
Wenn mir jemand sagt, er gehe nur auf einen Einsatz, um zu helfen, dann habe ich Bedenken. Diese Helfermentalität ist eine grosse Gefahr.
Wie bitte?
Ja, ich war vergangenes Jahr als Freiwilliger in einem Auslandeinsatz in einem Flüchtlingslager dabei. Dieser wurde nicht von uns organisiert, sondern von einer spontanen Freiwilligenorganisation. Ich wollte selber sehen, wie das funktioniert.
Und?
Es gibt Probleme.
Welche?
Ich habe mir überlegt, was es bei den Flüchtlingen auslöst, wenn alle zehn Tag oder alle zwei Wochen ein neuer freiwilliger Helfer kommt, die gleichen Fragen stellt und Fotos macht.
Was für Fragen haben die freiwilligen Helfer?
Sie wollen Geschichten von den Flüchtlingen hören, möglichst schlimme Geschichten, was ihnen alles widerfahren ist.
Das ist anstrengend für die Flüchtlinge.
Das reisst bei den Flüchtlingen immer wieder Wunden und Traumas auf. Vor allem bei Kindern. Zudem wollen die Helfer dann noch ein Foto, möglichst mit einem Kind auf dem Arm. Sie wollen zeigen, wie schlecht es den Flüchtlingen geht.
Und posten es auf Facebook.
Es geht hier um das Thema Nähe und Distanz zwischen Helfern und Flüchtlingen. Inzwischen haben wir ein Handbuch entwickelt und führen Kurse für die Freiwilligen durch, die auf solche Einsätze gehen.
Sie sind Vater von zwei erwachsenen Adoptivkindern aus Äthiopien. Würden Sie sich freuen, wenn die eine ähnliche Laufbahn wie Sie einschlagen würden?
Ja, ich würde allen empfehlen, mal ins Ausland zu gehen, nicht nur meinen Kindern. Ich bin auch noch Mentor von sieben Studierenden von der Universität St. Gallen. Mein Rat an diese ist immer: Geht schon möglichst jung ins Ausland, aber kommt wieder zurück in die Schweiz. Wir haben es nirgends so schön wie hier.
Die Schweiz ist schön und reich, aber es gibt auch arme Schweizer. Es kommt immer wieder der Vorwurf, dass Schweizer Hilfsorganisationen zu viel fürs Ausland und zu wenig für die Schweiz tun.
Von den 650 Millionen Franken, die das SRK (Schweizerische Rote Kreuz) ausgibt, fliessen nur 50 Millionen Franken ins Ausland. 95 Prozent der festangestellten Mitarbeitenden und 60’000 Freiwillige sind in der Schweiz.
Was tun Sie hier?
Sehr viel, ich kann das gar nicht alles aufzählen. Beispielsweise organisieren wir Besuchs– und Begleitdienste für ältere Personen, die teilweise behindert sind. Freiwillige verbringen dann einen Nachmittag mit ihnen.
Da gibts noch mehr.
8000 Freiwillige der Kantonalverbände fahren jedes Jahr 17 Millionen Kilometer, um ältere oder kranke Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuss sind, ins Spital oder in die Therapie zu bringen. Wir bilden jährlich rund 4500 Pflegehelferinnen und 7500 Babysitter aus.
Das SRK hat Babysitter?
Nein, wir bilden sie aus, die Babysitter erhalten dann ein Zertifikat. Wir stellen eine Plattform zur Verfügung, wo sich Babysitter und Eltern selber organisieren können.
Gut, aber was macht das SRK für die Ärmsten in der Schweiz?
Alle unsere Dienste kommen natürlich auch den Ärmsten zugute. Wir bieten auch Einzelfall-Nothilfe an.
Was ist das?
Wir unterstützen Menschen, die sich etwa keine Zahnbehandlung leisten können. Dort können wir pro Fall mit bis zu 1000 Franken helfen.
Wenn ich also auf der Strasse einer mittellosen Person mit Zahnschmerzen begegne, kann diese sich beim SRK melden?
Ja, beim jeweiligen Kantonalverband. Wir versuchen dann, ohne grosse Formalitäten zu helfen.
Für die Ärmsten ist auch Ihre jährliche Aktion 2x Weihnachten.
Ja, dort erhalten wir im Durchschnitt 70'000 Pakete, die wir alle wieder an die Ärmsten unter der Schweizer Bevölkerung verteilen.
Was erhalten Sie besonders oft in den Paketen?
Kleider erhalten wir immer zu viel.
Also lieber keine mehr davon.
Kleider sollte man lieber in die dafür vorgesehenen Secondhand-Shops unserer Rotkreuz-Kantonalverbände bringen oder in Texaid-Container legen. Und bitte keine abgelaufenen Lebensmittel.
Das sollte allen klar sein. Welche Dinge sind bei der Aktion besonders gefragt?
Hygieneartikel und Lebensmittel, die lange haltbar sind.
Das SRK tut nicht nur etwas für die Schweiz, sondern erhält auch Geld aus der Schweiz. Sie arbeiten mit Schweizer Unternehmen zusammen. Was bezahlen die dafür?
Grosse Sponsoren bezahlen 300’000 bis 500'000 Franken pro Jahr. Nebst der finanziellen Unterstützung ist uns insbesondere die inhaltliche Zusammenarbeit wichtig.
Als Sponsoren hoffen Firmen auf ein gutes Image.
Es ist eine Win-Win-Situation: Der Imagetransfer vom SRK auf die Firmen ist wichtig. Die wollen ihren Kunden und Mitarbeitenden zeigen, dass sie etwas Gutes tun. Aber meist kommt dazu noch mehr. Allianz macht zum Beispiel auch die Versicherung unserer Fahrdienste.
In Ihrer Broschüre zum Sponsoring nennen Sie die Vorteile für die Firmen: Höhere finanzielle Performance, bessere Verkaufszahlen, Stärkung der Marke, bessere und treuere Mitarbeitende. Da steht nichts davon, dass Unternehmen es einfach tun sollen, weil es das Richtige ist.
Das erste Ziel der Wirtschaft ist Geld zu verdienen. Das ist legitim, wenn es im Rahmen von sozialen, ethischen und ökologischen Grundsätzen erfolgt.
Manche Unternehmen haben auch ganz konkrete Geschäftsvorteile durch ihre Arbeit.
Ja, der Rückversicherer SwissRe etwa. Durch jeden Franken, den wir in Haiti investieren, sind die Schäden nach der nächsten Wirbelsturm-Katastrophe um sechs Franken geringer. Darum unterstützt die SwissRe uns auch.
Kann denn jede Firma Sponsor des SRK werden?
Wir schauen uns alle Unternehmen genau an, bevor wir eine Partnerschaft eingehen. Da gibt es ein Prüfverfahren.
Wie würde der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore dort abschneiden?
Da würde sicher eine rote Lampe leuchten.
Auch wenn Glencore-Chef Ivan Glasenberg das Doppelte oder Dreifache des normalen Sponsoring-Betrags bezahlen würde?
Wir würden sicher nicht eine offizielle Partnerschaft als Imagetransfer auf einer Ebene der Gesamtorganisation mit Glencore eingehen. Man könnte höchstens sagen, dass man in einem konkreten Projekt zusammenarbeitet, das klar umrissen ist. Dort müsste klar ersichtlich sein, was Glencore tut und unter welchen Bedingungen.
Eine Einladung an Ivan Glasenberg.
In den Ländern, wo Glencore auch präsent ist, sind wir ohnehin fast nicht tätig. So glaube ich zumindest. Aber wir sind offen für Gespräche.
Gespräche mit der Wirtschaft sind sowieso wichtig, denn alleine kann das SRK nur wenig erreichen.
Das ist richtig. Uns wird manchmal vorgeworfen, dass wir zu wenig tun. Aber die Wirtschaft und die Unternehmen haben den grösseren Hebel, und gemeinsam bewirken wir mehr.
Zum Beispiel dadurch, dass die Unternehmen darauf achten, wie ihre Lieferanten ihre Mitarbeitenden behandeln.
Zum Beispiel, aber auch im Kampf um faire Handelsbedingungen und beim Bemühen, dass der Gewinn dort versteuert wird, wo er auch anfällt. Und ganz generell durch nachhaltiges Arbeiten. Wenn die Wirtschaft das tut, haben wir auch weniger Flüchtlinge bei uns.
Aufgewachsen ist Markus Mader in Eggersriet SG mit zwei Schwestern. Der Vater hatte ein Malergeschäft. Sein erstes Sackgeld soll Mader mit dem Schleppen von Malkübeln verdient haben. Er ist Gründungsmitglied des FC Eggersriet. Mader studierte an der HSG in St. Gallen und wurde später IKRK-Delegierter. Er war in Sri Lanka, Peru, Pakistan und Afghanistan im Einsatz. Seit 2008 ist er Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Aufgewachsen ist Markus Mader in Eggersriet SG mit zwei Schwestern. Der Vater hatte ein Malergeschäft. Sein erstes Sackgeld soll Mader mit dem Schleppen von Malkübeln verdient haben. Er ist Gründungsmitglied des FC Eggersriet. Mader studierte an der HSG in St. Gallen und wurde später IKRK-Delegierter. Er war in Sri Lanka, Peru, Pakistan und Afghanistan im Einsatz. Seit 2008 ist er Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Aufgewachsen ist Markus Mader in Eggersriet SG mit zwei Schwestern. Der Vater hatte ein Malergeschäft. Sein erstes Sackgeld soll Mader mit dem Schleppen von Malkübeln verdient haben. Er ist Gründungsmitglied des FC Eggersriet. Mader studierte an der HSG in St. Gallen und wurde später IKRK-Delegierter. Er war in Sri Lanka, Peru, Pakistan und Afghanistan im Einsatz. Seit 2008 ist er Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Aufgewachsen ist Markus Mader in Eggersriet SG mit zwei Schwestern. Der Vater hatte ein Malergeschäft. Sein erstes Sackgeld soll Mader mit dem Schleppen von Malkübeln verdient haben. Er ist Gründungsmitglied des FC Eggersriet. Mader studierte an der HSG in St. Gallen und wurde später IKRK-Delegierter. Er war in Sri Lanka, Peru, Pakistan und Afghanistan im Einsatz. Seit 2008 ist er Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes.