Roche-Präsident Christoph Franz über neue Preismodelle
«Nur wenn Medikament wirkt, sollten wir dafür bezahlen»

Leider stehe die Schweiz im Hinblick auf ein digitales Gesundheitswesen erst ganz am Anfang, bedauert Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz im Gespräch mit BLICK. Neue Preismodelle für Medikamente würden geprüft.
Publiziert: 24.11.2019 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2019 um 08:05 Uhr
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Christoph Franz fordert: «Das elektronische Patientendossier muss in der Schweiz jetzt kommen.»
Foto: STEFAN BOHRER
Interview: Christian Kolbe

Christoph Franz (59) ist Verwaltungsratspräsident des Pharmakonzerns Roche. BLICK traf ihn zum Gespräch im Senatszimmer der Universität Zürich. Franz ist als Gastredner ans Schweizerische Institut für Auslandsforschung (SIAF) eingeladen. Das Thema: Digitalisierung im Gesundheitswesen.

BLICK: Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Roche?
Christoph Franz:
Eine sehr grosse, weil wir stark auf personalisierte Medizin setzen. Wir haben immer wieder festgestellt, dass dasselbe Medikament bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich wirkt. Warum das so ist, darüber wussten wir früher viel zu wenig.

Helfen dabei Datenanalysen?
Natürlich, aber es geht darum, dass wir beispielsweise über Genanalysen immer besser verstehen, welche die beste Behandlung bei ganz bestimmten Arten der Zellveränderung ist. Das machen wir durch die Analyse unendlich vieler Daten. Das Ergebnis ist eine bessere und gezieltere Bekämpfung von Krebs. Zudem helfen wir so den Ärzten, bessere Entscheidungen zu treffen.

Inwiefern?
Das verfügbare Wissen explodiert förmlich, und die Ärzte haben gar nicht mehr die Möglichkeit, ständig die neuste Literatur zu lesen. Sie müssen sich um ihre Patienten kümmern. Wir bereiten deswegen Studien und Fachliteratur digital auf. So können wir dem einzelnen Arzt mehr Wissen zur Verfügung stellen.

Wo steht die Schweiz in Bezug auf ein digitales Gesundheitswesen?
Leider ganz am Anfang. Es geht ja nicht nur darum, die Erkenntnisse klinischer Studien auszuwerten, an denen gerade mal vier Prozent der Patienten teilnehmen. Es geht auch darum, die 96 Prozent der Daten zu nutzen, die während der Behandlung im Spital oder in der Arztpraxis entstehen.

Der Netzwerker

Christoph Franz (59) ist seit 2014 Präsident des Verwaltungsrats des Pharmakonzerns Roche. Der Deutsche ist ein Mann mit ausgezeichneten Verbindungen und hat fast seine ganze Karriere bei Netzwerkgesellschaften verbracht: erst bei der Lufthansa, dann bei der Deutschen Bahn und von 2004 bis 2009 als Chef der Swiss. Danach kehrte er in die Zentrale der Swiss-Mutter zurück und übernahm 2011 die Konzernspitze der Lufthansa. Zudem sitzt er im Verwaltungsrat von Stadler Rail. Franz ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in Zürich.

Christoph Franz (59) ist seit 2014 Präsident des Verwaltungsrats des Pharmakonzerns Roche. Der Deutsche ist ein Mann mit ausgezeichneten Verbindungen und hat fast seine ganze Karriere bei Netzwerkgesellschaften verbracht: erst bei der Lufthansa, dann bei der Deutschen Bahn und von 2004 bis 2009 als Chef der Swiss. Danach kehrte er in die Zentrale der Swiss-Mutter zurück und übernahm 2011 die Konzernspitze der Lufthansa. Zudem sitzt er im Verwaltungsrat von Stadler Rail. Franz ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in Zürich.

Sie fordern schon lange das elektronische Patientendossier.
Es muss in der Schweiz jetzt kommen! Wir brauchen stabile und planbare Rahmenbedingungen, unter welchen Voraussetzungen Daten aus der medizinischen Behandlungspraxis genutzt werden können. Ich bedaure es sehr, dass die Schweiz in diesem Bereich, wo es grosse Chancen gibt, nicht ganz vorn dabei ist.

Das grosse Problem ist doch der Datenschutz!
Diese Ängste und Befürchtungen nehmen wir sehr ernst. Gesundheitsdaten sind hochsensibel. Und deswegen dürfen all diese Daten auch nur anonymisiert verwendet werden.

Was haben die Patienten davon?
Die Daten helfen Unternehmen wie Roche, bessere Behandlungsmethoden zu entwickeln. Der Datenschutz sei etwas für Gesunde, hat mal ein Experte gesagt. Da steckt ein Körnchen Wahrheit drin. Die Erfahrung zeigt, dass kranke Menschen eher bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Der Kanton Waadt führt im Hinblick auf genetische Mutationen bei Krebspatienten routinemässig eine Analyse des Krebsgewebes durch. Die Patienten werden gefragt, ob sie bereit sind, ihre Daten auch für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Dem stimmen 85 Prozent zu.

Von massgeschneiderten Medikamenten ist die Rede. Das heisst doch: vor allem sehr teure Medikamente.
Wenn ich ein Medikament sehr breit verabreichen kann, dann ist das eine ganz andere Ausgangslage, wie wenn ich eine Therapie entwickle, die nur wenigen Patienten zugute kommt. Ich kann die Befürchtungen hinsichtlich der Preise im Einzelfall schon verstehen. Aber es geht eben auch um sehr wirksame Medikamente.

Was tun Sie dagegen, dass die Preise nicht durch die Decke schiessen?
Wir setzen uns für innovative Preismodelle ein, wie zum Beispiel «Pay for Performance». Das heisst: Nur wenn ein Medikament wirkt, sollten wir dafür auch bezahlen. Um so ein Preismodell zu etablieren, müssen wir aber in der Lage sein zu erfassen, wie ein Medikament beim Patienten wirkt. Es braucht klare und messbare Erfolgskriterien, die digital erfasst und verarbeitet werden können.

Gibt es bei Roche Medikamente, die erst bezahlt werden müssen, wenn ihre Wirkung nachgewiesen ist?
Wir haben diverse Modelle, zum Teil noch Pilotprojekte. In der Schweiz wenden wir bei Kombinationstherapien, wo ein Patient zwei Wirkstoffe bekommt, neue Preismodelle an. Die Kombination darf nicht so teuer sein wie das Addieren von zwei Einzelpreisen. Das haben wir bei bestimmten Brustkrebsmedikamenten in der Schweiz gemacht.

Wie sicher ist der Forschungsstandort Schweiz?
Entscheidend ist, dass wir in der Schweiz die Voraussetzungen haben, um auch weiterhin unsere Innovationskraft zu entwickeln. Wie sieht unser Bildungssystem aus? Gibt es hier genügend sehr gut ausgebildete Mitarbeiter für die medizinische Forschung? Fühlen sich Mitarbeiter, die aus dem Ausland kommen, um hier zu forschen, in der Schweiz wohl? Erhalten diese überhaupt eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung? Sind wir in der Lage, auf die Ressourcen und Einrichtungen von sehr guten Forschungsinstituten zurückzugreifen? Es geht darum, dass wir in der Schweiz ein innovationsfreundliches Ökosystem behalten.

Roche setzt weiter auf Forschung in der Schweiz?
Ein ganz klares Ja! Wir sind derzeit dabei, in Basel ein neues Forschungszentrum zu bauen. Dafür investieren wir 1,2 Milliarden Franken. Ein deutlicheres Bekenntnis zum Forschungsstandort Schweiz kann es nicht geben. Roche ist kein Wanderzirkus, wir planen langfristig in der Schweiz.

Der Klimawandel ist das grosse Thema. Wie spürt die Pharmabranche den Greta-Effekt?
Ich scheue mich davor, das so zu benennen, denn die Klimathematik gibt es schon seit Jahren. Roche engagiert sich schon lange für den Umweltschutz, das hat auch mit den Eigentümern zu tun. Lukas Hoffmann etwa gehörte zu den Mitbegründern des WWF. Nachhaltigkeit gehört zu den zentralen Aufgaben des Verwaltungsrats. Wir haben uns sehr konkrete Ziele vorgegeben. Es ist uns gelungen, in den letzten 15 Jahren unsere globalen CO2-Emissionen um 50 Prozent zu reduzieren. Doch dieser Prozess ist noch lange nicht zu Ende, wir sind gerade dabei zu definieren, was wir in den nächsten zehn Jahren erreichen wollen.

Was macht Roche konkret?
Der Bau 1 in Basel zum Beispiel ist eines der nachhaltigsten Hochhäuser der Welt. Das Gebäude hat eine sehr energieeffiziente Fassade, zum Heizen verwenden wir Abwärme, die wir auf dem Werksareal haben, zum Kühlen brauchen wir Grundwasser. Überall sind LED-Lampen eingebaut. Das alles führt dazu, dass wir einen extrem günstigen Fussabdruck bezüglich CO2-Produktion pro Quadratmeter Bürofläche haben. Nun haben wir den Ehrgeiz, mit dem zweiten Hochhaus, das noch im Bau ist, diese Werte nochmals deutlich zu unterschreiten.

Wie steht es um die Flugscham der Roche-Mitarbeiter? Mehr Videokonferenzen statt Geschäftsflüge?
Wir haben alle Voraussetzungen geschaffen, damit unsere Mitarbeiter so viel wie möglich mittels Videokonferenzen zusammenarbeiten. Das hilft, die Anzahl der Geschäftsflüge in den Griff zu kriegen. Aber ab und zu braucht es auch Treffen von Mensch zu Mensch.

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