Roche-Präsident Christoph Franz über neue Möglichkeiten der Prävention
Digitale Tracker werden zu Gesundheitscoaches

Vorbeugen ist besser als Heilen. Das gilt gerade auch in der digitalen Medizin, die bei der Prävention ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Das wirft allerdings auch einige Fragen auf, wie Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz und seine Mitautoren schreiben.
Publiziert: 12.02.2021 um 01:54 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2021 um 07:10 Uhr
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Ein Tracker kann alle Fitness-relevanten Informationen wie zurückgelegte Strecken, Schritte, Treppenstufen, verbrannte Kalorien, oder den Schlafrhythmus überwachen.
Foto: Getty Images

Digitalisierung ist ein zentrales Schlüsselwerkzeug, um unser Gesundheitssystem umzubauen und der Vorsorge mehr Gewicht zu verleihen. Vorsorge, da sind sich alle einig, ist die beste Medizin. Besonders wichtig sind die Prävention und diagnostische Überwachung im Bereich der chronischen Krankheiten.

Dafür gibt es bislang fast keine Budgets, sodass Ausgaben für Prävention nur 3 Prozent der Gesundheitskosten ausmachen. Die unzureichende Wertschätzung und Vergütung von Präventionsmedizin führen mitunter dazu, dass die Spezialisierung auf die Allgemeinmedizin unter jungen Ärztinnen und Ärzten immer unattraktiver wird.

Der Arzt als Coach

Facharzt zu sein wird deutlich besser vergütet und ist höher angesehen, Vorsorgemedizin hat im heutigen System einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Mediziner haben für Prävention allein schon wegen ihrer vollen Terminkalender kaum Zeit.

Die digitale Gesundheitswelt gibt Ärzten wertvolle Zeit zurück, die sie für eine präventive Medizin benötigen. Digitale Coaches entlasten Ärzte künftig, indem sie zum Beispiel im Management von chronischen Krankheiten eine führende Rolle einnehmen. Zudem helfen digitale Tracker, Vitalwerte von Patienten kontinuierlich aufzuzeichnen.

Durch eine diagnostische Überwachung wird es überhaupt erst möglich, präventiv und faktenbasiert mit Patienten über ihre Gesundheit zu sprechen. Ärzte werden in der neuen digitalen Welt dafür bezahlt, im Gespräch mit den Patienten die Rolle eines Verhaltenscoaches einzunehmen.

Ständige Beobachtung der Gesundheit

Zudem dürfte sich unser Blickwinkel auf Gesundheit und Krankheit verändern. Es gibt nicht nur die Alternativen gesund oder krank, schwarz oder weiss. Es gibt vielmehr eine Skala an Grautönen dazwischen. Und wir alle haben Einfluss darauf, wo wir uns auf dieser Skala befinden. Im Gesundheitssystem von morgen werden wir nicht warten, bis sich Symptome einer Krankheit zeigen, sondern wir werden durch vorsorgendes Verhalten Tag für Tag versuchen, möglichst gesund zu bleiben.

Wir bewegen uns weg von der Blitzlichtmedizin, die sich am aktuellen Zustand im Augenblick der Untersuchung orientiert. Gefragt ist eine ständige Beobachtung der eigenen Gesundheit, die Teil des täglichen Lebens wird. Mit automatisierten Sensoren, systematischen Screenings und regelmässigen Check-ups können Anzeichen einer Krankheit früher erkannt, medizinische Versorgungsleistungen für den Patienten verbessert und Kosten gespart werden.

Auch die medizinische Forschung verändert durch die Digitalisierung ihren Blickwinkel. Sie wendet sich mehr der Entstehung von Krankheiten und damit der Vorsorge zu. Um Krankheiten wie Alzheimer zu erforschen, konnte man in der Vergangenheit lediglich Patientendaten ab dem Zeitpunkt der Diagnose sammeln. Dank digitaler Patientenakten, die in Datenbanken aggregiert werden, wird nun auch der Blick in die Vergangenheit möglich.

Die Zukunft der Medizin ist Digital

Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz (60) wagt zusammen mit den Co-Autoren Elgar Fleisch (53), Andreas Herrmann (56) und Annette Mönninghoff (33) einen Blick in die Kristallkugel und skizziert die digitale Zukunft der Medizin. Im Zentrum steht dabei der Kampf gegen die wichtigsten fünf chronischen Krankheiten (u.a. Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen oder Diabetes), die hohe Kosten und viel Leid verursachen. Die Autorin und Autoren zeigen auf, wie auch dank der Digitalisierung aus der «Reparaturmedizin» eine «Vorsorgemedizin» entstehen kann. BLICK präsentiert für seine Leserinnen und Leser exklusiv drei Kapitel in leicht gekürzter Form. Hier lesen Sie den zweiten Auszug.

Christoph Franz ist seit 2014 Präsident des Verwaltungsrats des Pharmakonzerns Roche. Der studierte Wirtschaftsingenieur stieg 1990 bei der Lufthansa ein. Dann folgten zehn Jahre bei der Deutschen Bahn. Von 2004 bis 2009 war er Chef der Swiss. Bis 2014 führte er drei Jahre die Lufthansa. Der eingebürgerte Schweizer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in Zürich.

Das Buch «Die digitale Pille» vom Campus Verlag ist seit dem 10. Februar im Handel erhältlich (288 Seiten, ca. 48 Franken;
e-Book ca. 35 Franken).

Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz (60) wagt zusammen mit den Co-Autoren Elgar Fleisch (53), Andreas Herrmann (56) und Annette Mönninghoff (33) einen Blick in die Kristallkugel und skizziert die digitale Zukunft der Medizin. Im Zentrum steht dabei der Kampf gegen die wichtigsten fünf chronischen Krankheiten (u.a. Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen oder Diabetes), die hohe Kosten und viel Leid verursachen. Die Autorin und Autoren zeigen auf, wie auch dank der Digitalisierung aus der «Reparaturmedizin» eine «Vorsorgemedizin» entstehen kann. BLICK präsentiert für seine Leserinnen und Leser exklusiv drei Kapitel in leicht gekürzter Form. Hier lesen Sie den zweiten Auszug.

Christoph Franz ist seit 2014 Präsident des Verwaltungsrats des Pharmakonzerns Roche. Der studierte Wirtschaftsingenieur stieg 1990 bei der Lufthansa ein. Dann folgten zehn Jahre bei der Deutschen Bahn. Von 2004 bis 2009 war er Chef der Swiss. Bis 2014 führte er drei Jahre die Lufthansa. Der eingebürgerte Schweizer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in Zürich.

Das Buch «Die digitale Pille» vom Campus Verlag ist seit dem 10. Februar im Handel erhältlich (288 Seiten, ca. 48 Franken;
e-Book ca. 35 Franken).

Prävention spart Milliarden

So können Forscher besser verstehen, welche Faktoren die Entstehung von Krankheiten beeinflussen und wie man ihnen vorbeugen kann. Besonders im Bereich der mentalen Krankheiten könnten durch Datenreihen neue präventive Therapien entwickelt werden. Sie bringen hoffentlich bald den ersehnten Durchbruch im Kampf gegen Alzheimer.

Weltweit kosten uns chronische Krankheiten mehr als 6000 Milliarden US-Dollar, und das jedes Jahr. Die Hälfte dieser Kosten könnte durch Prävention vermieden werden. Ein grösserer Fokus muss deshalb darauf gerichtet werden, wie Präventionsprogramme anhaltend erfolgreich umgesetzt werden können. Nur wenn die Programme leicht und kostengünstig skalierbar sind, können die Früchte der Prävention einem grossen Teil der Bevölkerung zugutekommen. Wir sind überzeugt, dass digitale Tools hierbei eine entscheidende Rolle spielen werden.

Neue Fragen stellen

Gesundheit muss mehr in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion rücken. Viele Neuerungen, die die digitale Medizin mit sich bringt, erfordern einen Diskurs, weil durch sie Wertentscheidungen für unsere Gesellschaft getroffen werden. Wie wollen wir mit den gewaltigen Datenmengen und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten umgehen? Wie präventiv sollte unser Gesundheitssystem werden? Möchten wir Gen-Screenings für alle, um den Risikofaktoren zum Beispiel für Krebs präventiv begegnen zu können? Oder wollen wir vielleicht gar nichts von den Risikofaktoren wissen und unser Leben lieber unbeschwert leben?

Auf alle diese Fragen gibt es keine richtigen oder falschen Antworten. Es geht um ein Abwägen von gesellschaftlichen Werten, von Verantwortung und von Freiheit. Wir alle, nicht nur Politiker oder Gesundheitsunternehmen, müssen uns dieser Debatte annehmen.

Lesen Sie morgen: Roche-Präsident Christoph Franz erklärt im Interview, wieso «Datenspenden das neue Blutspenden» ist.


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