Digitalisierung bedeutet Selbstversorgung und Selbstbestimmung, wo immer möglich. Das gilt auch im Gesundheitswesen. Während dieser Veränderung wird sich auch die Rolle des Patienten grundlegend ändern.
Das Wort Patient kommt aus dem Lateinischen und bedeutet auf Deutsch so viel wie: leidend, ertragend, aushaltend. Der Begriff Patient schreibt dem Kranken also eine passive Rolle zu. Zudem drückt er eine Hierarchie zwischen dem Patienten (dem Ertragenden) und dem Arzt (dem Handelnden und Entscheider) aus.
Internet macht Patienten mündig
Diese Rolle ändert sich nun in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird der Patient im Sinne des «Do-it-Yourself» eine aktive und fordernde Rolle einnehmen. Schon heute recherchieren je nach Land und Region zwischen 50 und 80 Prozent aller Patienten im Internet, bevor sie zum Arzt gehen.
Das Internet verändert die Institutionen des Gesundheitswesens wie einst der Buchdruck die Kirche. Es entwickelt sich zum Ratgeber des Patienten mit einer ähnlichen Stellung wie der Arzt. Dadurch werden Patienten mündiger und entscheiden bei der Wahl von Therapien mit.
Zudem gelangen sie eigenständig zu Diagnosen, indem sie Tests zu Hause durchführen oder gemeinsam mit einem digitalen Coach ihre chronische Krankheit behandeln. Darüber hinaus verändert der Wandel von einer therapierenden zu einer vorsorgenden Medizin das Bild des Patienten.
Arzt muss umdenken
Welche Rolle spielt der Arzt, wenn der einzelne Mensch und auch Algorithmen künftig mehr Verantwortung übernehmen? Brauchen wir ihn überhaupt noch? Die Antwort ist ein klares: Ja! Das volle Wartezimmer könnte sich trotzdem schon bald leeren. Denn der Arzt wird befreit von administrativer Arbeit. Und er muss umdenken. Die Menschen, die ihm gegenübersitzen, haben sich immer öfter vor ihrem Praxisbesuch im Internet informiert. Sie sind mündig und möchten in den Prozess der Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Patienten bewerten die Behandlung durch ihre Ärzte immer häufiger im Internet. Damit wandeln sie sich in diesem Aspekt zum Kunden, und der Arzt entwickelt sich zu einem Dienstleister. Neben der richtigen und guten Behandlung wird es daher immer wichtiger, dass Ärzte sich die Zeit nehmen, die ausgewählte Therapie ihren Patienten zu erklären. Dies geht auch mit einem Wandel in der Sprache einher. Warum bedarf es lateinischer Fachbegriffe bei Gesprächen zwischen Arzt und Patient?
Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz (60) wagt zusammen mit den Co-Autoren Elgar Fleisch (53), Andreas Herrmann (56) und Annette Mönninghoff (33) einen Blick in die Kristallkugel und skizziert die digitale Zukunft der Medizin. Im Zentrum steht dabei der Kampf gegen die wichtigsten fünf chronischen Krankheiten (u.a. Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen oder Diabetes), die hohe Kosten und viel Leid verursachen. Die Autorin und Autoren zeigen auf, wie auch dank der Digitalisierung aus der «Reparaturmedizin» eine «Vorsorgemedizin» entstehen kann. BLICK präsentiert für seine Leserinnen und Leser exklusiv drei Kapitel in leicht gekürzter Form. Hier lesen Sie den zweiten Auszug.
Christoph Franz ist seit 2014 Präsident des Verwaltungsrats des Pharmakonzerns Roche. Der studierte Wirtschaftsingenieur stieg 1990 bei der Lufthansa ein. Dann folgten zehn Jahre bei der Deutschen Bahn. Von 2004 bis 2009 war er Chef der Swiss. Bis 2014 führte er drei Jahre die Lufthansa. Der eingebürgerte Schweizer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in Zürich.
Das Buch «Die digitale Pille» vom Campus Verlag ist seit dem 10. Februar im Handel erhältlich (288 Seiten, ca. 48 Franken;
e-Book ca. 35 Franken).
Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz (60) wagt zusammen mit den Co-Autoren Elgar Fleisch (53), Andreas Herrmann (56) und Annette Mönninghoff (33) einen Blick in die Kristallkugel und skizziert die digitale Zukunft der Medizin. Im Zentrum steht dabei der Kampf gegen die wichtigsten fünf chronischen Krankheiten (u.a. Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen oder Diabetes), die hohe Kosten und viel Leid verursachen. Die Autorin und Autoren zeigen auf, wie auch dank der Digitalisierung aus der «Reparaturmedizin» eine «Vorsorgemedizin» entstehen kann. BLICK präsentiert für seine Leserinnen und Leser exklusiv drei Kapitel in leicht gekürzter Form. Hier lesen Sie den zweiten Auszug.
Christoph Franz ist seit 2014 Präsident des Verwaltungsrats des Pharmakonzerns Roche. Der studierte Wirtschaftsingenieur stieg 1990 bei der Lufthansa ein. Dann folgten zehn Jahre bei der Deutschen Bahn. Von 2004 bis 2009 war er Chef der Swiss. Bis 2014 führte er drei Jahre die Lufthansa. Der eingebürgerte Schweizer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in Zürich.
Das Buch «Die digitale Pille» vom Campus Verlag ist seit dem 10. Februar im Handel erhältlich (288 Seiten, ca. 48 Franken;
e-Book ca. 35 Franken).
Mehr Verantwortung für Lebenswandel
Die Zeit der verbalen Abgrenzung ist an vielen Orten schon Geschichte – Ärzte und Patienten diskutieren auf Augenhöhe. Übrigens: Eine verständlichere Sprache nimmt automatisch die Patienten mehr in die Verantwortung für ihre Gesundheit. Noch nie war es so klar und eindeutig, welche Verhaltensweisen die Gesundheit beeinflussen, negativ oder positiv. Der eigene Lebenswandel ist für rund die Hälfte aller chronischen Krankheiten verantwortlich.
Es bedarf deshalb einer gesellschaftlichen Debatte, inwieweit Menschen künftig in die Pflicht genommen werden sollten, auf ihre eigene Gesundheit zu achten. Es gilt, individuelle Freiheitsrechte und bürgerliche Pflichten gegeneinander abzuwägen. Wo muss die Solidargemeinschaft der Versicherten oder der Steuerbürger einstehen, und wo ist der Einzelne in der Pflicht?
Der Wandel hat bereits begonnen
Auch sind Ärzte wie viele andere Berufsgruppen vermehrt herausgefordert, die Grenzen ihres eigenen Wissens zu erkennen und zu akzeptieren. Viele technologische Anwendungen erlauben es inzwischen, auf das Weltwissen zurückzugreifen und damit bessere Diagnosen zu erstellen und passendere Therapien auszuwählen. Man denke an einen Scanner für Hautkrebs, der durch entsprechende Vernetzung und maschinelles Lernen auf Millionen von Bildern und von richtigen und falschen Diagnosen zurückgreifen kann.
Damit die Leistungsfähigkeit dieser Technologien für die Patienten genutzt werden kann, braucht es ein Zusammenspiel zwischen Arzt und Maschine. Die Verantwortung muss am Ende immer der Mensch übernehmen und tragen, nicht die Maschine. Zum neuen Selbstverständnis des Arztes gehört es, die Leistungsfähigkeit der digitalen Medizin im Behandlungsalltag zu nutzen. Im Gesundheitssystem von morgen nehmen Patienten und Ärzte neue Rollen ein. Der Wandel kommt nicht von heute auf morgen, der Prozess hat längst begonnen.
Lesen Sie morgen: Prävention – Vorsorge statt Reparatur