Roberto Cirillo kurz vor dem Antritt
Der neue Postchef hat weniger Macht

In drei Wochen übernimmt Roberto Cirillo das Zepter bei der Post. Jetzt zeigen Recherchen: Er wird weniger Macht haben als seine Vorgängerin. Der gelbe Riese geht kein Risiko ein.
Publiziert: 10.03.2019 um 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 11:54 Uhr
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Roberto Cirillo kann von seiner Konzernleitung blockiert werden.
Foto: Keystone
Moritz Kaufmann und Sven Zaugg

Am 1. April nimmt Roberto Cirillo seine Arbeit bei der Post auf. Der 48-Jährige ersetzt Susanne Ruoff (61), die letzten Sommer wegen der Postauto-Affäre zurückgetreten ist. Sein Auftrag ist klar: den gelben Riesen zurück in die Spur bringen!

Über den Tessiner ist wenig ­bekannt. Seit seiner Nomination Ende November schweigt er ­eisern. Karriere machte er im Ausland. Das Postgeschäft kennt er nicht. Deshalb taufte ihn SonntagsBlick «Roberto Risiko».

Jetzt zeigen Recherchen: Cirillo wird mit weniger Macht ausgestattet als seine Vorgängerin. Ruoff hatte 51 Prozent Stimmrecht in der Post-Konzernleitung (KL). Sie konnte das Gremium also überstimmen. Bei Cirillo wird das nicht mehr so sein. Wenn es hart auf hart kommt, könnten die anderen sieben KL-Mitglieder ihn bodigen. Die Post bestätigt gegenüber SonntagsBlick: «Nach den Vorfällen rund um Postauto ist die Governance im gesamten Konzern überprüft und vereinheitlicht worden.» Die neue Regelung gelte für die ganze Post und entspreche den üblichen Good-Governance-Standards von anderen Unternehmen. Die Post geht kein Risiko ein.

Kein Chef führt sich wie ein Direktor auf

Erstaunt auf diese neue Praxis reagiert Stefan Michel, Professor für Wirtschaft an der Lausanner Kaderschmiede IMD: «Wenn die Geschäftsleitung den CEO blockieren kann, ist er ihr ausgeliefert. Ich kenne nicht viele CEOs, die das mitmachen würden.» Michel ergänzt, dass sich heute kein Chef noch wie ein Diktator aufführt. «Wichtige Entscheide werden immer im Team gefällt. Aber ein CEO übernimmt die Verantwortung gegen aussen. Also muss er auch mit der nötigen Macht ausgestattet sein.»

Hintergrund für die neue Praxis ist der Postauto-Skandal. Jahrelang hatte die Postauto AG – eine 100-prozentige Tochter der Post – zu Unrecht zu viel Steuergeld kassiert. Die Post musste Gemeinden und Kantonen über 200 Millionen Franken zurückzahlen. Als Hauptschuldiger wurde der damalige Postauto-CEO Daniel Landolf ausgemacht. Die Post erhofft sich offenbar mehr Kontrolle, wenn die Chefs weniger zu sagen haben.

Natürlich sei die Post ein Spezialfall, sagt Professor Michel. «Sie gehört dem Bund und hat einen Skandal hinter sich. Trotzdem hat die neue Regelung nichts mit Good Governance an sich zu tun.»

SBB-Boss Andreas Meyer kann Konzernleitung nicht überstimmen

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Prinzipien zur guten Unternehmensführung aufgestellt. Sie gelten als allgemeine Standards. Allerdings geht es dort eher um das Verhältnis zwischen Besitzern einer Firma und Managern als um die Machtausgestaltung des CEO.

Interessant ist deshalb der Vergleich mit anderen Firmen. Auf die Frage, ob SBB-Chef Andreas Meyer (57) die SBB-Konzernleitung überstimmen könne, antwortet ein Sprecher mit nur einem Wort: «Nein.» Wie die Post sind auch die SBB voll und ganz in Staatsbesitz.

Kryptischer fällt die Antwort bei der Swisscom aus, die zu 51 Prozent dem Bund gehört. «Die Mitglieder der Konzernleitung unterstützen den CEO in der Konzernführung, indem sie die Entscheidungen des CEO und des Verwaltungsrates Swisscom AG vorbereiten und dem CEO Anträge stellen.» Daraus kann man schliessen: Die sechs Mitglieder der Swisscom-Konzernleitung müssen bei CEO Urs Schaeppi (59) antraben, wenn sie etwas wollen. Und er entscheidet dann.

Beschlüsse im Kollektiv bei der Migros

Bei der Migros – die genossenschaftlich organisiert ist – «erfolgt die Beschlussfassung im Kollektiv», wie eine Sprecherin schreibt. Herrscht ein Patt, kann Konzernchef Fabrice Zumbrunnen (49) den Stichentscheid fällen. «Dies kommt jedoch äusserst selten vor.» Das gilt allerdings nur für den Migros- Genossenschafts-Bund, der in Zürich zu Hause ist. Die zehn ­Migros-Regionalgenossenschaften werden als eigene Unternehmen geführt.

Die UBS als an der Börse gehandelte AG gibt in ihrem Geschäftsbericht Auskunft über die Governance-Strukturen. «Beschlüsse der Konzernleitung werden mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst», heisst es da. Allerdings: CEO Sergio Ermotti (58) hat ein Veto, er kann Entscheide des Gremiums aufheben. Tut er das, muss er aber «unverzüglich» den Präsidenten des UBS-Verwaltungsrats und ein weiteres VR-Mitglied informieren.

Will der Verwaltungsrat die Kontrolle abschieben?

«Der Trend ist in den letzten Jahren klar hin zu partizipativer Führung gegangen. Der Chef versucht, seine Leute ins Boot zu holen», sagt Reto Steiner, Wirtschaftsprofessor und Direktor der Zürcher Wirtschaftsfachhochschule ZHAW. Der Corporate-Governance-Experte ergänzt: «Das wird erwartet und es ­motiviert.» Wichtig sei aber, dass der Verwaltungsrat seine Kontrolle nicht abtritt. «Denn er vertritt die ­Eigentümer.»

Genau diesen Anschein mache es jetzt aber bei der Post, sagt Management-Experte Stefan Michel. «Es wirkt ein bisschen, als wolle der Verwaltungsrat die Kontrolle auf die Geschäftsleitung abschieben. Damit würde er seiner Verantwortung nicht gerecht.»

Eigentümer der Post sind alle Schweizer Bürger. Sie haben ein Recht darauf, dass sie richtig gemanagt und kontrolliert wird.

Die Post – Megabetrieb in Zahlen

200 Millionen Franken

So viel erhält der Bund als Besitzerin jedes Jahr von der Post.

2412

So viele Fahrzeuge besitzt die Postauto AG. Sie hat 2018 die grösste Krise in der Geschichte der Post ausgelöst.

138'000'000

So viele Pakete hat die Post im letzten Jahr ausgeliefert. Tendenz stark steigend.

58'180

So viele Angestellte in über 100 Berufen hat die Post. Davon 7897 im Ausland.

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