Es ist eine marktwirtschaftliche Reaktion auf Google, Facebook oder Youtube auf dem globalen und auch schweizerischen Werbemarkt. Nach nur vier Monaten Verhandlungen gaben gestern der grösste Verlag, der grösste TV- und Radio-Produzent und der grösste Telekom-Anbieter im Land einen überraschenden Deal bekannt. Ringier, SRG und Swisscom vermarkten zukünftig ihre Zeitungen und Zeitschriften, ihre TV- und Radiospots sowie sämtliche digitalen Angebote gemeinsam. Es entsteht eine – noch namenlose – Werbevermarktungsfirma mit 290 Mitarbeitern und über 600 Millionen Franken Umsatz, die crossmediale Werbung in gedruckter, elektronischer und digitaler Form anbietet. Am Kapital sind die beteiligten Unternehmen zu je einem Drittel beteiligt.
Bereits heute fliesst jeder zweite Schweizer Werbefranken, der in digitale Plattformen investiert wird, hauptsächlich in die USA ab. Tendenz steigend. Diese Situation setzt alle Beteiligten unter Druck. Ringier baut seine digitalen Plattformen seit Jahren aus, um die erodierende gedruckte Werbung zu kompensieren. Die SRG muss ihre TV-Werbung schützen, da Gebührenerhöhungen politisch immer weniger durchsetzbar sind. Die Swisscom muss sich digital vorwärts bewegen, da die Einkünfte in der Festnetz- und Mobiltelefonie rückläufig sind.
So gesehen bedeutet der Schulterschluss auch einen Befreiungsschlag, wie er in der von kleinräumigem Konkurrenzdenken geprägten Schweizer Medienbranche bis vor kurzem noch undenkbar schien. Einer zudem, der weit über die drei derzeit involvierten Unternehmen hinausreicht, ja gar als Blaupause dienen könnte für eine Schweizer Antwort gegen die globalen Schwergewichte der digitalen Welt. Die Vermarktungsfirma wird explizit für weitere inländische Interessenten geöffnet.
Als Chef der neuen Firma ist Martin Schneider vorgesehen, heute CEO der TV-Vermarktungsfirma Publisuisse, Präsident soll Ringier-CEO Marc Walder werden. Im ersten Quartal soll das Unternehmen starten, vorbehältlich der Zustimmung durch die Wettbewerbskommission. Als «innovativen Schritt in die digitale Welt» beurteilt BDP-Präsident Martin Landolt den Deal, als «eine Stärkung des Medienplatzes Schweiz» sieht es SP-Nationalrat Roger Nordmann. CVP-Ständerat Peter Bieri: «Das darf nicht zu einem neuen Kartell führen.» Und SP-Präsident Christian Levrat meint: «Im kleinen Schweizer Online-Markt kann nur eine Konzentration der Kräfte etwas bewirken.»
Der streitbare Somedia-Besitzer und Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument kann sich vorstellen, der neuen Vermarktungsfirma beizutreten – «falls die Verträge für die Abtretung der Vermarktung gut sind». Ein Knall im Medienmarkt Schweiz also mit überraschend viel Applaus.