In der Nacht auf Mittwoch waren die Notrufnummern 117, 118 und 144 für knapp 90 Minuten nicht erreichbar. In weiten Teilen der Schweiz. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr. Sanität, Polizei, Feuerwehr waren nur über eine Handy-Nummer erreichbar. Quasi eine Not-Notrufnummer.
Das ist kritisch. Bei den Blaulichtorganisationen handelt es sich um lebenswichtige Bereiche. Die Aufgabe ist so wichtig, dass sie sogar gesetzlich geregelt ist. Demnach muss die Swisscom als Konzessionärin für die Grundversorgung den Zugang zu Notrufnummern sicherstellen. Jederzeit.
Das war ganz offenbar nicht der Fall. Bislang sind keine Konsequenzen bekannt. Kein Patient, der deswegen zu spät ins Spital geliefert wurde. Kein Gewaltopfer, das die Polizei nicht kontaktieren konnte.
«Das gab es früher nie»
Aber genau das ist der Albtraum aller. Deswegen sagt Theo Flacher von Schutz & Rettung Zürich: «Wir müssen das Thema mit der Swisscom anschauen.»
Die Situation verschärfe sich, sagt Flacher. «Sie akzentuiert sich. Ein Ausfall der Notrufnummern ist nicht hinnehmbar. Das gab es früher in dieser Ausprägung nie.»
Unterstützung gibt es aus St. Gallen und Freiburg. Die Swisscom-Störung war auch in diesen Regionen spürbar. Philipp Lutz, Sprecher der Rettungsdienste und des Kantonsspitals St. Gallen, stimmt Flacher zu – und sagt: «Gespräche und Lösungen mit Swisscom müssen auf überregionaler Ebene folgen, eine entsprechende nationale Arbeitsgruppe besteht bereits, welche diese Aufgaben übernimmt.»
Ausweichmöglichkeit in St. Gallen
In St. Gallen war die Situation offenbar weniger brenzlig als in anderen Teilen des Landes. «Die kantonale Notrufzentrale St. Gallen verfügt über ein Ersatznetz», sagt Lutz. Das heisst: Wenn die Swisscom-Dienste ausfallen, wird auf ein anderes Netz umgestellt. Nur während einer kurzen Umschaltzeit sei die Notrufzentrale nicht erreichbar, so Lutz. «Danach wieder problemlos. So war es auch in dieser Nacht.»
Klare Worte an die Adresse von Swisscom gibt es aus Freiburg. «Es gibt kein Null-Risiko», sagt der kantonale Sicherheits- und Justizdirektor Maurice Ropraz, «aber die Vervielfachung der Pannen, die die Notrufnummern betreffen, ist nicht akzeptabel.»
Das Problem müsse «unverzüglich und in koordinierter Weise zwischen den Kantonen und dem Bund zusammen mit der Swisscom angegangen werden», so Ropraz. «Ich fordere die Konferenz der Vorsteher der kantonalen Justiz- und Polizeidepartements und die Regierungskonferenz für Militär, Zivilschutz und Feuerwehr auf, sich unverzüglich mit dieser Frage zu befassen. »
Bund plant zweites Netz
Was lief schief bei der Swisscom? Der Telekombetrieb spricht von «mehrfachem menschlichen Fehlverhalten» bei Wartungsarbeiten. Vom Ausfall betroffen waren Festnetztelefonie, Mobilfunktelefonie über das 4G-Netz, Swisscom TV und andere internetbasierte Dienste. «Wir bedauern den Ausfall ausserordentlich», heisst es. «Swisscom entschuldigt sich in aller Form für den Unterbruch. Dies entspricht in keiner Art und Weise den Anforderungen, welche wir an uns haben.»
Im Januar kam es zu einer ähnlichen Panne. Seinerzeit waren das Fest- und Handynetz betroffen. Gewisse Blaulichtorganisationen waren nicht erreichbar. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) forderte eine genaue Untersuchung. Eine weitere Panne hätte nicht vorkommen sollen. Der Bund, die Kantone und die Swisscom wollten die Lehren daraus ziehen. Die Rede war von einem zweiten Kommunikationsnetz.
Wie steht es darum? Was sagt der Bund zur neuerlichen Störung? «Seitens Babs sind Abklärungen geplant», heisst es. Es geht darum, «inwieweit die Resilienz der Telekommunikation und insbesondere der Notrufdienstleistungen verbessert werden kann.» Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) ergänzt: «Das Bakom wird angesichts der beiden zeitlich nahe zusammenliegenden Ausfälle eine vertiefte Abklärung der Ursachen vornehmen.»