Rekordlanger Vaterschaftsurlaub bei Johnson & Johnson
«Papizeit ist ein Marketing-Instrument!»

Der Konzern Johnson & Johnson bietet seinen männlichen Angestellten acht Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub – mehr als jede andere Firma in der Schweiz. Der Gewerkschaftsbund Travailsuisse, der hinter der Vaterschaftsurlaubs-Initiative steht, begrüsst das private Engagement.
Publiziert: 23.08.2017 um 19:22 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 12:52 Uhr
Das Thema Papizeit wird sowohl bei Privaten als auch bei politischen Akteuren immer populärer.
Foto: Getty Images
Konrad Staehelin und Patrik Berger

So viel Papizeit gibt es sonst nirgends in der Schweiz: Johnson & Johnson gibt den frischgebackenen Vätern unter seinen 7000 Mitarbeitern in der Schweiz ab Ende 2017 acht Wochen Vaterschaftsurlaub, also 40 Tage. Das bestätigte der US-Konsumgüter- und Pharmariese heute Morgen in einem Hintergrundgespräch dem BLICK.

Der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas (37) freut sich über dieses Engagement. «Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass ein Vaterschaftsurlaub heute für viele Firmen selbstverständlich ist. Auch Männer wollen ihre Kinder aufwachsen sehen.» 

Travailsuisse erfreut

«Wir freuen uns sehr über die Entscheidung von Johnson & Johnson», sagt auch Linda Rosenkranz, Pressesprecherin beim Gewerkschaftsbund Travailsuisse. Dieser ist die treibende Kraft hinter der Vaterschaftsurlaubs-Initiative, die 20 Tage bezahlte Papizeit fordert. Heute ist kein einziger Tag vorgeschrieben. Bezahlt würde der Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO).

Doch braucht es den Staat überhaupt noch, wenn jetzt auch Firmen wie Johnson & Johnson ein Herz für Papis zeigen? «Grosse Firmen können es sich heute gut leisten, auch Vätern Zeit mit ihren Kindern zu erlauben», sagt Rosenkranz dazu. «Unsere Initiative braucht es trotzdem, denn bei einem kleinen Schreinerbetrieb wäre dasselbe kaum ohne die Finanzierung aus der EO möglich.»

20 Tage zu teuer?

Candinas ist auch dieser Meinung, jedoch findet er 20 Tage Papizeit für die Staatskasse zu teuer. Er setzt sich für einen Gegenvorschlag zur Initiative ein, mit der sich aktuell der Bundesrat befasst.

Doch das ist Zukunftsmusik. Entscheidet sich ein privates Unternehmen heute dazu, seinen Neu-Papis Urlaub zu geben, zahlt es diesen aus dem eigenen Sack. Warum tut das eine Firma überhaupt, wenn sie nicht dazu verpflichtet ist? Rosenkranz: «Die Anstellungsbedingungen werden im Kampf um die besten Mitarbeiter immer wichtiger.»

«Man kann sagen, dass viele Firmen beim Vaterschaftsurlaub grosszügig sind, weil sie das als Marketing-Instrument brauchen können», sagt auch Nationalrat Candinas. Aber da sei nichts Schlechtes dabei, Firmen wollten nun mal so attraktiv wie möglich sein. 

Papi Martin Candinas mit seinen drei Kindern.
Foto: Andy Mettler

15 Tage frei bei der Migros

Darum ist Johnson & Johnson auch nicht das einzige Unternehmen, das an der Papizeit-Schraube dreht. So dürfen frischgebackene Väter bei den SBB, der Post und der Swisscom zehn Tage daheimbleiben. Bei der Migros sind es sogar 15 bezahlte Papi-Tage, plus freiwillig zwei Wochen unbezahlter Urlaub. Bei Coop dagegen sind es bloss fünf Tage, sprich eine Woche.

Bisher war Ikea Papizeit-Spitzenreiter, der Möbelriese garantierte einen Monat Urlaub. Wer wollte, konnte einen zweiten Monat daheimbleiben, musste dafür aber zwei Wochen Ferien opfern. 

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