Wer bei Kuoni eine Reise bucht, kann sich gleich noch eine Tüte mit Proteinpudding und veganen Fertiggerichten sichern. Wer in der Kleiderboutique Anouk nach einem neuen Outfit stöbert, kommt unter Umständen stattdessen mit einer Packung Punsch nach Hause. Und in den Papeteriegeschäften Köhler und Zumstein gibt es zum Notizbuch eine Konfitüre zu holen.
Die Geschäfte haben nicht etwa ihr Businessmodell diversifiziert, sondern sie sind zu Lebensmittelrettern mutiert. Die Firmen sind seit kurzem Partnerunternehmen des Start-ups Too Good To Go. Über die App kaufen User übrig gebliebene Esswaren von Restaurants, Bäckereien, Hotels oder Detailhändlern zum reduzierten Preis.
Konfitüre mit falschem Etikett
Im Reisebüro und der Papeterie fallen allerdings keine Essensreste an. Was also haben sie auf der App zu suchen? «Wir experimentieren gerade mit Pick-up-Points», erklärt Alina Swirski (34), Schweiz-Chefin von Too Good To Go.
Neben Restaurants und Detailhändlern wollen auch immer mehr Lebensmittelproduzenten oder Grossmärkte ihre übrig gebliebene Ware loswerden, statt sie wegzuschmeissen. Der Proteinpudding hat das Haltbarkeitsdatum bald überschritten, die Konfitüregläser wurden versehentlich mit dem falschen Etikett beklebt.
Das Problem: Die Hersteller haben ihre Fabriken und Verteilzentren in der Peripherie. Bei Hero in Lenzburg AG bilden sich kaum je Schlangen von wohlmeinenden Essensrettern. Also werden die Produkte zusätzlich in die Zentren gebracht, nach Aarau oder Zürich etwa, wo die App-User sie abholen können.
Kuoni verschenkt 25'000 Franken an Lebensmittelretter
Wer sich über die App ein Lebensmittelpaket in der Kuoni-Filiale sichert, erhält einen 100-Franken-Reisegutschein obendrauf. Seit Beginn der Zusammenarbeit hat Kuoni bereits 250 Gutscheine verteilt, heisst es auf Anfrage. Entspricht satten 25'000 Franken.
Kuoni-Sprecher Markus Flick verhehlt denn auch nicht, dass man so Neukunden gewinnt. «Am prominentesten sichtbar ist unser Angebot über die App von Too Good To Go, folglich ist der Anteil jener Nutzerinnen und Nutzer in unseren Filialen am grössten, die bisher nicht zu unserem Kundenstamm zählten.»
Vitamintabletten statt Mittagsmenüs
Riskieren die Lebensmittelretter von Too Good To Go mit solchen Partnerschaften nicht, ausgenutzt zu werden? Alina Swirski verneint. «Ziel ist es, die gesamte Menge der übrig gebliebenen Lebensmittel vor der Verschwendung zu retten.» In der App werden User denn auch nicht darauf hingewiesen, dass sie bei Kuoni zusätzlich einen Reisegutschein erhalten.
Einen faden Beigeschmack hat die Aktion dennoch. Besonders, weil bei den neuen Partnern häufig keine Lebensmittel im klassischen Sinne unter die Leute gebracht werden. Statt Mittagsmenüs gibt es etwa Proteinpulver und Vitamintabletten. Geht es dabei noch um Lebensmittelrettung? Ja, findet Swirski. «Das sind ebenfalls Lebensmittel, für die wertvolle Ressourcen von Mensch und Umwelt – wie etwa für Produktion oder Transport – aufgewendet wurden.»