Zürcher Nobelhotel Park Hyatt, kurz vor der Pressekonferenz. «Genau vor einer Woche bin ich schon einmal hier gestanden», sagt Raiffeisen-CEO Patrik Gisel (55) zu BLICK. Damit sei nun Schluss. «In der nächsten Zeit werden Sie mich hier nicht mehr sehen», flachst er und holt sich ein Mineralwasser.
Schon in der Vorwoche wollte Gisel lediglich über Bilanzzahlen referieren. Doch drehten sich alle Fragen nur um seinen Vorgänger Pierin Vincenz (61). Der Ex-Raiffeisen-Chef sitzt nur einen Kilometer entfernt vom Hyatt in U-Haft. Vincenz soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investment-Bude Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben. Vincenz bestreitet diese Vorwürfe vehement.
Bizarrer Auftritt des geschassten Präsidenten
Auch die gestrige Pressekonferenz im Hyatt hatte einen anderen Zweck: Gisel und sein neuer Interims-Präsident Pascal Gantenbein (48) wollten den Medien den überraschenden Sofortrücktritt des bisherigen Raiffeisen-Präsidenten Johannes Rüegg-Stürm (57) erläutern. Dieser wurde am Donnerstag im Beisein Gisels in einer Marathonsitzung im Berner Bellevue abgesägt.
Zur Überraschung der Journalisten sitzt Rüegg-Stürm persönlich in der ersten Reihe. Kurz nach Beginn steht er auf und gibt ein dreisätziges Ultrakurz-Statement ab: Der Rücktritt sei sein Entscheid gewesen, er übernehme Mitverantwortung und gebe den Weg frei für einen Neuanfang. Stille. Rüegg-Stürm setzt sich wieder. Dann plötzlich steht er nochmals auf – und verlässt rasch den Saal, während ihm alle verblüfft nachschauen. Ein bizarrer Auftritt.
Finanzblog enthüllt Brisantes
Danach, wie schon in der Woche zuvor, kommt CEO Gisel unter Beschuss. Denn wenige Stunden vor der Pressekonferenz hat der Finanzblog «Inside-Paradeplatz» Auszüge aus einem unveröffentlichten Bericht der Prüffirma Deloitte aufgeschaltet, den die Finanzmarktaufsicht Finma am 11. Mai 2017 in Auftrag gegeben hatte. Die Sonderprüfer beleuchten darin die Rolle von Vincenz rund um die damaligen Transaktionen im Zusammenhang der Investnet – Gisel gerät auf dem Podium in Erklärungsnot.
Neu-Präsident Gantenbein interveniert, versucht, sämtliche Fragen sofort wegzuwischen: «Das sind alles nur Spekulationen», sagt er zu BLICK. «Es gibt keine Anhaltspunkte in der Summe, die Herrn Gisel belasten.» Man habe vollstes Vertrauen in ihn. «Darum stehen wir als Verwaltungsrat heute voll hinter dem CEO.»
Gisel selbst wiederholt immer nur, er habe zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf ein illegales Verhalten gehabt.
Kein Herumeiern mehr
Dann verspricht Gantenbein, eine externe Firma zu beauftragen. «Um den Laden lückenlos aufzuräumen», wie er sagt. Wer das Mandat bekommt, stehe noch nicht fest. Es soll jedoch schnell gehen: «Wir können es uns nicht leisten, drei Jahre in dieser Angelegenheit herumzueiern.»
Gantenbein markiert Stärke. Er wirkt bemüht, das Vertrauen in die drittgrösste Schweizer Bank wiederherzustellen. Ob er seinen Posten behält? «Zurzeit ist es offen, ob Herr Gantenbein auch dauerhaft für das Amt zur Verfügung stehen wird», sagt eine Sprecherin.
Sein jetziger Fokus liege auf dem Erneuerungsprozess des Verwaltungsrats – «und nicht auf einer langfristigen Präsidentschaft». Und was ist mit CEO Gisel? Wie schon vor einer Woche sei ein Rücktritt Gisels kein Thema.