Raiffeisen will endlich mit der Vergangenheit abschliessen. Konkret: Mit der Ära unter Ex-CEO Pierin Vincenz (62) zwischen 1999 und 2015, deren letzten Jahren sich im Nachhinein als Image-Desaster für die Bank herausstellen. Bloss: Weil durch die Presse oder Untersuchungen von Finma, Staatsanwaltschaft und Raiffeisen-internen Ermittlern immer wieder neue, unschöne Informationen ans Licht kommen, wird sich auch in den kommenden Monaten alles bei der Bank um die Vergangenheit drehen. Unvermeidbar.
Dann wollen wir uns wenigstens ins richtige Licht rücken, sagen sich darum die Bosse in der St. Galler Zentrale. «Der Hauptvorwurf gilt Pierin Vincenz», sagte der interimistische Verwaltungsrats-Präsident Pascal Gantenbein (48) vor einer Woche nach der hitzigen Delegiertenversammlung in Lugano TI (BLICK berichtete).
«Bild des volksnahen Genossenschaftsbankers»
Jetzt doppelt er im Verbund mit seinem CEO, dem Vincenz-Ziehsohn und Nachfolger Patrik Gisel (56), nach. Auf der Finanz-Plattform «Finews» schreiben sie zusammen in einem Artikel: «Die Fallhöhe von Pierin Vincenz war sehr gross.» Heute liegt Vincenz am Boden: Nach über drei Monaten Untersuchungshaft erholt er sich nun an einem geheimen Ort und wartet, ob die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen ihn zustandebringt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Weiter im Text: «Er verkörperte das Bild des volksnahen Genossenschaftsbankers. Heute lautet der Hauptvorwurf an ihn, dass er als Vorsitzender der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz bei gewissen Geschäften persönliche Interessen über jene der Bank gestellt hat.»
Dadurch habe nur der Ruf gelitten, nicht aber das Geschäft: «Schaden genommen hat die Reputation. Nicht betroffen ist das Geschäft der 255 Genossenschaftsbanken; die sind erfolgreich unterwegs.» Ebenfalls nicht betroffen sei das Geschäft von Raiffeisen Schweiz, die 2017 ein hervorragendes Ergebnis ausgewiesen habe.
Schwarz-Weiss
Um den Ruf nun wieder herzustellen, räume man nun gnadenlos auf: «Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz haben die Corporate Governance in den vergangenen Monaten radikal hinterfragt und geeignete Massnahmen, um eine einwandfreie Geschäftsführung sicherzustellen, sind ergriffen und umgesetzt worden.»
Dass Gisel in den Vincenz-Jahren die Nummer zwei der Bank war? Wird nicht erwähnt. Stattdessen: Schwarz-Weiss. Vincenz und der damalige VR schlecht. Wir gut.
Es ist auch eine Taktik, um die eigene Haut zu retten. Denn die beiden Männer sitzen nicht sicher im Sattel. Es ist noch immer nicht klar, ob Gisel die Krise übersteht. Finden die Ermittler einen Schnitzer von Gisel rund um die Vincenz-Deals, dürfte er weg sein.
Gantenbein dagegen ist im Moment nur Aushilfs-Präsident, er will sich im November von den Delegierten fix wählen lassen. Lob von Gisel hilft da nur.
Man kann davon ausgehen, dass die beiden sich auch in den nächsten Wochen und Monaten gegenseitig auf die Schultern klopfen. (kst)