Der Schock sitzt immer noch tief, nachdem am Sonntag über 20 Leichen in einer Bar in Südafrika aufgefunden worden sind. Bei den Todesopfern handelt es sich um Jugendliche. Medienberichten zufolge sollen sie in einer Taverne in der Stadt East London einen Geburtstag und den Beginn der Ferien gefeiert haben. Das jüngste Opfer war möglicherweise erst 13 Jahre alt.
Zunächst waren am Sonntag nach Behördenangaben 17 Leichen in der informell betriebenen Bar gefunden worden. Vier weitere Jugendliche starben später im Spital. Die Todesursache war zunächst unklar, die Leichen wiesen aber offenbar keine äusserlichen Verletzungen auf. Am Sonntag hatte die Polizei zunächst von mindestens 22 Toten gesprochen.
Wie die Polizei am Montag mitteilt, befänden sich vier weitere Minderjährige in kritischem Zustand. Als Reaktion auf den rätselhaften Tod der Schüler haben die Behörden nun den Einsatz «maximaler Ressourcen» angeordnet. Eine forensische Untersuchung sei eingeleitet worden, hiess es.
Autopsie soll Gewissheit bringen
Wie die südafrikanische Zeitung «The Citizen» am Montag berichet, werde das Eastern Cape Liquor Board (ECLB) gegen den Besitzer der betroffenen Taverne Strafanzeige erstatten. «Es werden die notwendigen Schritte unternommen, um gegen diese Kneipe vorzugehen, einschliesslich des sofortigen Entzugs der Schanklizenz und der Erhebung von Strafanzeigen gegen den Lizenzinhaber wegen eklatanter Verstösse gegen das Alkoholgesetz des Ostkaps, in dem eindeutig festgelegt ist, dass kein Alkohol an Personen unter 18 Jahren verkauft werden darf», so der ECLB-Vorstandsvorsitzende Nombuyiselo Makala.
Doch woran mussten die Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren am frühen Sonntagmorgen sterben? Berichten von Einsatzkräften zufolge wurden die Leichen in sich zusammengesunken auf Stühlen, Sofas und der Tanzfläche aufgefunden – ohne sichtbaren Wunden. Zunächst hatte die Polizei eine Massenpanik als Hintergrund vermutet. Dies sei mittlerweile als Todesursache ausgeschlossen worden.
«Es ist schwer zu glauben, dass es sich um eine Massenpanik handelt, da es keine sichtbaren offenen Wunden bei den Toten gibt», sagte Unathi Binqose, ein Behördenvertreter der Provinz Ostkap, der Nachrichtenagentur AFP. Er untersuchte den Vorfall vor Ort.
In den Online-Netzwerken wurde über eine Gasvergiftung oder eine andere Form der Vergiftung als Todesursache spekuliert. Ob dies der Fall sei, werde von der Gerichtsmedizin geprüft, sagte Binqose. «Eines ist sicher: Es waren viel mehr Leute da, als der Ort normalerweise aufnehmen kann.»
Eine Autopsie der Leichen soll Gewissheit bringen. «Heute Morgen wurden Proben per Flugzeug nach Kapstadt geschickt», 800 Kilometer westlich von East London, sagte Unathi Binqose von den Sicherheitsbehörden am Montag. Die Leichen wurden derweil zur Bestattung freigegeben.
Mindestalter bei Alkohol wird nicht immer durchgesetzt
«Es ist ein schrecklicher Anblick», sagte Polizeiminister Bheki Cele unter Tränen nach einem Besuch im Leichenschauhaus. Die Opfer seien «ziemlich jung». «Wenn man gesagt bekommt, sie seien 13 oder 14 Jahre alt, und man geht hin und sieht sie – das bricht einem das Herz.»
Der sichtlich geschockte Regierungschef der Provinz, Oscar Mabuyane, äusserte sich ebenfalls nicht zur Todesursache, verurteilte jedoch den «unseligen» Alkoholkonsum.
In den Townships südafrikanischer Grossstädte, den Gebieten, die abseits von europäischen Einwanderern errichtet wurden, werden zahlreiche informelle Kneipen – sogenannte «Shebeens» oder Tavernen – betrieben. Offiziell sind diese erlaubt oder zumindest geduldet. Über 18-Jährigen ist der Alkoholkonsum dort gestattet. Zum Teil befinden sich die Tavernen jedoch in Privathäusern, wo Sicherheitsvorschriften und das Mindestalter für den Alkoholkonsum nicht immer durchgesetzt werden.
«Hätten nicht gedacht, dass unser Kind so stirbt»
Vor der Taverne versammelte sich am Sonntag eine Menschenmenge, darunter Eltern, deren Kinder noch vermisst wurden. Mutter Ntombizonke Mgangala hatte da bereits die traurige Gewissheit, dass ihr 17-jähriger Sohn unter den Toten war. «Wir hätten nicht gedacht, dass unser Kind auf diese Weise sterben würde. Er war ein bescheidenes Kind, respektvoll», sagte sie vor dem Leichenschauhaus.
Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa (69), der sich derzeit für den G7-Gipfel in Deutschland aufhält, drückte den Hinterbliebenen sein Beileid aus und äusserte sich besorgt über die Todesumstände. Solche Tavernen «sollten eigentlich für Menschen unter 18 Jahren tabu sein», sagte er. Der Vorfall sei eine «Tradgödie».
Die Behörden prüfen nun eine Überarbeitung der Vorschriften für Ausschankgenehmigungen. Südafrika zählt zu den Ländern mit dem höchsten Alkoholkonsum in Afrika. Die Stadt East London mit rund einer Million Einwohnern liegt rund 700 Kilometer südlich von Johannesburg am Indischen Ozean. (AFP/SDA/dzc)