«Querulantisch, ja bösartig»
Autofahrer wehrt sich gegen Zürcher Abschleppfirma

Konrad Jost sollte 390 Franken bezahlen – obwohl sein Auto gar nicht abgeschleppt worden ist. Das will er nicht hinnehmen. Er ist nicht der einzige Betroffene.
Publiziert: 17.07.2024 um 12:33 Uhr
|
Aktualisiert: 17.07.2024 um 12:44 Uhr
1/2
Für ein falsch parkiertes Auto gibt es eine Busse, der Wagen kann aber auch abgeschleppt werden.
Foto: Keystone
yves_demuth_1.jpg
Yves Demuth
Beobachter

Als die Rechnung kam, war Konrad Jost überrascht. 390 Franken sollte er für eine sogenannte Leerfahrt bezahlen. Damit ist die vergebliche Fahrt eines Abschleppdienst-Mitarbeiters zu einem Parksünder gemeint. Das falsch parkierte Auto konnte in so einem Fall nicht abgeschleppt werden, weil es beispielsweise schon wieder weg war. 

Die Stadtpolizei Zürich verrechnet für eine Leerfahrt 130 Franken. Die Abschleppdienst Zürich GmbH dagegen verlangte in zwei Fällen, die dem Beobachter vorliegen, 270 bzw. 390 Franken. 

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Unklare Rechtslage hilft Abschleppdienst

Ob eine Rechnung für eine Leerfahrt in diesen zwei Fällen überhaupt zulässig war, ist allerdings fragwürdig. «Die Rechtslage zum Abschleppen auf Privatgrund ist umstritten», sagt Jurist Daniel Leiser vom Beobachter-Beratungszentrum (das ist die Rechtslage). Und somit sei auch unklar, ob Leerfahrten verrechnet werden dürfen. 

Jurist Leiser rät dazu, den Abschleppauftrag und somit auch die Leerfahrt als unverhältnismässig zurückzuweisen. «Das ist etwa dann der Fall, wenn jemand nur wenige Minuten unrechtmässig parkiert hat und seine Handynummer hinter der Windschutzscheibe deponiert hatte.» In so einem Fall könne der Parkplatzbesitzer nur schwerlich einen Schaden begründen. 

Allerdings müssen Betroffene damit rechnen, betrieben zu werden – und dann sollten sie innert zehn Tagen Rechtsvorschlag erheben. «Es wird viel gedroht, aber vor dem Friedensrichter landet so eine Forderung selten», sagt Leiser. Wer aber die Sache am liebsten schnell vom Tisch haben wolle, der müsse wohl oder übel den ganzen Betrag zahlen.

Fall 1: Lieber vor Gericht, als die Rechnung zu zahlen

Konrad Jost ist niemand, der klein beigibt. Er bezahlte die Rechnung von 390 Franken für eine Leerfahrt nicht und schrieb der Abschleppdienst Zürich GmbH stattdessen einen Brief. Ein finanzieller Schaden sei nicht entstanden, die rechtlichen Voraussetzungen für die Rechnung seien nicht gegeben. 

Als trotzdem Mahnungen kamen, ignorierte Jost diese. Als ein Inkassobüro Fr. 643.70 wollte, schrieb er zurück, dass der Betrag nicht geschuldet sei. Und tatsächlich legte das Inkassobüro das Mandat nieder.

Doch wenige Wochen später erhielt Augenarzt Jost einen Zahlungsbefehl des Betreibungsamts. Jost erhob Rechtsvorschlag, im August kommt die Forderung über Fr. 578.80 vor den Friedensrichter. 

Abschleppdienst-Chef droht und beleidigt

Jost sagt, das Gebaren des Geschäftsführers der Abschleppdienst Zürich GmbH sei «querulantisch, ja bösartig». Er gehe lieber gegen ihn vor Gericht, als eine ungerechtfertigte Rechnung zu bezahlen. «Ich lasse mich nicht einschüchtern.» 

Jost hat den Abschleppdienst-Geschäftsführer ebenfalls betrieben, weil er als Augenarzt Honorarausfälle hatte, als er aufs Betreibungsamt musste. Das freute den Abschleppdienst-Chef gar nicht. Er beleidigte Jost per Mail als «senilen alten Mann» und drohte mit einer «Welle Rezensionen auf Google», wenn er seine Forderung nicht sofort zurückziehe. 

Angefangen hatte bei Jost alles mit einem Missverständnis. Der Augenarzt betreibt seine Praxis in der Zürcher Innenstadt, wo Parkplätze knapp sind. Er wies seine Reinigungskraft an, auf dem Lieferantenparkplatz vor der Praxis zu parkieren und die Visitenkarte seiner Praxis hinter die Windschutzscheibe zu legen.

Aufgrund eines Irrtums benutzte die Reinigungskraft jedoch den Parkplatz des benachbarten Coiffeurgeschäfts. Die Coiffeuse rief daraufhin den Abschleppdienst, plötzlich stand ein Abschlepper in Josts Augenarztpraxis und drohte, das Auto der Reinigungskraft mitzunehmen. Sie parkierte schnell um, und der Abschlepper fuhr ohne Auto davon. 

Fall 2: Mit Anwalt gegen Inkassobüro

Eine Betroffene aus der Ostschweiz zahlt ihre Rechnung über 270 Franken für eine Leerfahrt ebenfalls nicht. Aus Angst vor Gegenreaktionen des Geschäftsführers will sie anonym bleiben.

«Grundsätzlich zahle ich nur Geld an Leute, die auch eine ehrliche und nachvollziehbare Leistung erbringen», sagt sie. Sie hat sich einen Anwalt genommen, um gegen die Forderung der Abschleppfirma beziehungsweise des Inkassobüros vorzugehen. 

Sie habe nur vier Minuten auf dem Parkplatz gestanden, sagt die Betroffene. Ein Beweis dafür, dass die Leerfahrt überhaupt stattgefunden hat, wurde ihr nie vorgelegt. Denn auch Rechnungen für erfundene Leerfahrten kommen in der Abschleppbranche offenbar vor, wie eine Recherche des Videomagazins «Izzy» vor rund einem Jahr zeigte:

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Firma bestreitet alle Vorwürfe

Der Geschäftsführer der Abschleppdienst Zürich GmbH bestreitet alle Vorwürfe und droht dem Beobachter mit dem Anwalt.

Warum er dem Augenarzt per Mail eine Welle negativer Google-Bewertungen androhte, erklärt der Geschäftsführer zwar nicht. Er sagt jedoch: Der verlangte Preis für Leerfahrten und das Abschleppen sei nicht überhöht. Man könne alle Leerfahrten mit GPS-Daten belegen und versende keine Rechnungen für Fahrten, die nie stattgefunden hätten.

Normalerweise gehe er nicht wegen einer unbezahlten Leerfahrt vor den Friedensrichter, aber bei Augenarzt Jost müsse er eine Ausnahme machen. Dieser habe seinen Mitarbeiter beschimpft und verjagt, und zudem habe Jost ihn selbst betrieben, was rechtswidrig sei. Jost sagt dazu, er habe niemanden beleidigt, und die Betreibung sei gerechtfertigt. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.