PUK-Bericht zur CS zeigt: Regulierung taugt nichts
... und am Schluss kommt der Staat

Der Staat muss im Krisenfall wohl jederzeit bereit sein, Banken mit Milliardenbeträgen zu retten. Damit kommt die Frage nach dem Preis der Staatsgarantie auf den Tisch. Eine Analyse.
Publiziert: 22.12.2024 um 08:57 Uhr
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Auf dem Weg zur Pressekonferenz: Alain Berset, Karin Keller-Sutter und Thomas Jordan (v. r.).
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Grossbankenregulierung funktioniert nicht. Ohne Staatshilfe geht es nicht.
  • Verstaatlichung der Credit Suisse war als Alternative in Betracht gezogen worden.
  • Bund muss jederzeit mit 100 Milliarden Franken einspringen können
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Wenn es eine Erkenntnis aus dem 569-seitigen Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission zum Untergang der Credit Suisse gibt, dann diese: Die Grossbankenregulierung funktioniert nicht. Sie hat den Stresstest nicht bestanden. Jetzt ist der Bundesrat gefordert, der im neuen Jahr eine Reform ebenjener Regulierung einbringen wird. Er muss sich beeilen: Die Erarbeitung des PUK-Berichts hat den überfälligen Reformprozess um 18 Monate verzögert. 

Es geht um die sogenannte «Too big to fail (TBTF)»-Gesetzgebung. Sie wurde 2012 eingeführt und in den Folgejahren erweitert und verschärft. Das Gesetz über Banken, die «zum Scheitern zu gross» sind, wurde als direkte Folge des Zusammenbruchs der UBS im Jahr 2008 eingeführt. Schon damals musste der Bund mit Notrecht und Milliarden aus Steuergeldern eingreifen, um die Grossbank zu retten. Später, im Zusammenhang mit dem Steuerstreit, musste Bern erneut Notrecht anwenden. Nur so konnte die UBS vor einer möglicherweise fatalen Anklage in den USA bewahrt werden. 

Auf der Website des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) ist nachzulesen, welche Ziele der Bund mit seinem Gesetz ursprünglich verfolgte: Die TBTF-Regelung sollte zu einer «deutlichen Erhöhung des Umfangs und der Qualität der Eigenmittel» führen, denn damit werde «die Widerstandsfähigkeit gestärkt». Zweitens: «Im schlimmsten Fall eines Konkurses sollte sich dank der TBTF-Massnahmen das systemrelevante Schweizer Geschäft fortführen lassen.»

Beide Ziele verfehlt

Wie der PUK-Bericht zeigt, wurden bei der CS beide Ziele verfehlt. Zum einen, weil die Regulierung nicht konsequent umgesetzt worden sei. Man habe der Credit Suisse weitgehende Erleichterungen gewährt, mit denen die Regulierung ad absurdum geführt wurde. Der von der Finanzmarktaufsicht (Finma) gewährte regulatorische Filter erlaubte es der Bank, eine Eigenkapitallücke von bis zu 10 Milliarden Franken zu verschleiern. Im Ergebnis hatte sie nicht mehr, sondern weniger Eigenkapital.

Zweitens funktionierten auch die zum Schutz von Gläubigern und Steuerzahlern eingeführten Abwicklungsmechanismen nicht oder erwiesen sich in der Praxis als völlig untauglich. Man glaubte, mit der TBTF-Regulierung ein tragfähiges Sicherheitsnetz für taumelnde Grossbanken gespannt zu haben: Fällt deren Eigenkapital unter eine bestimmte Schwelle, werden spezielle, für Notfälle gebildete Kapitalreserven aktiviert und in neues Eigenkapital umgewandelt. Auf diese Weise glaubte man, sichergestellt zu haben, dass Grossbanken unsinkbar und die Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten würden. Für den Fall eines Totalzusammenbruchs wurden in die Organisation der Geldinstitute zudem Sollbruchstellen eingebaut, um das systemrelevante Inlandgeschäft vom Rest zu trennen. 

Bei der Credit Suisse funktionierte nichts davon. Als sich die Krise am Wochenende vom 18. und 19. März 2023 zuspitzte, stand neben einer Sanierung oder einer Abwicklung – wie sie das TBTF-Gesetz vorsieht – plötzlich eine vorübergehende Verstaatlichung der Credit Suisse im Raum, im Fachjargon Temporary Public Ownership (TPO) genannt: eine Alternative für den Fall, dass die Verhandlungen mit der UBS scheitern. Gemäss PUK-Bericht wurde eine Sanierung oder Abwicklung gemäss TBTF-Regel «insgesamt schlechter eingeschätzt als eine direkte Beteiligung des Bundes». 

Am Sonntag, 19. März, lag sogar ein Entwurf des Bundesrats vor, der die Übernahme der CS durch den Staat geregelt hätte. Die Vorlage war erarbeitet worden, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keine Einigung zwischen den beiden Grossbanken gab. Die Beteiligten im Finanzdepartement waren überzeugt, dass eine vorübergehende Verstaatlichung «die am wenigsten negativen Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft und wohl auch für das globale Finanzsystem zeitigen dürfte.» Auch Nationalbank-Chef Thomas Jordan machte sich schon früh für eine Verstaatlichung stark, für den Fall, dass eine Fusion scheitert. Einzig die Finma zog eine Abwicklung gemäss den gesetzlichen Vorgaben vor. 

Auch für die UBS war klar, dass eine Liquidation oder Sanierung vermieden werden musste. So geht es aus Verwaltungsratsprotokollen hervor, die der PUK zur Verfügung standen. Das oberste Gremium der Bank kam damals zum Schluss, dass «das Schweizer Finanzsystem extrem an Glaubwürdigkeit einbüssen sowie die UBS einen grossen Reputationsschaden erleiden und viele Kundinnen und Kunden verlieren würde». 

Die Lehren aus dem Debakel

Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage, welche Lehren daraus zu ziehen sind. Im neuen Jahr kommt in Bundesbern die Reform der Grossbankenregulierung auf den Tisch. Es geht um mehr Eigenkapital, Vergütungsregeln und Abwicklungspläne. Was auch immer die Politik tun wird, ein Problem dürfte sie damit kaum aus der Welt schaffen: Ohne staatliche Beteiligung wird es keine Rettung einer global systemrelevanten Bank geben. 

Die Rettungsaktion für die CS zeigt, dass selbst bei einer privatwirtschaftlichen Lösung, wie sie die Fusion von UBS und Credit Suisse vermeintlich gewesen ist, der Staat mit 259 Milliarden Franken ins Risiko gehen musste. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass dies im nächsten Risikofall anders aussehen könnte. Akzeptiert man dies als Realität, muss auch offen über die faktische Staatsgarantie diskutiert werden, die Grossbanken nach wie vor geniessen – und auch darüber, was diese Staatsgarantie kosten soll. 

Die Regierung in Bern darf sich keinen Illusionen hingeben: Egal, wie ausgeklügelt das neue TBTF-Regime sein wird, der Bundesrat muss jederzeit bereit sein, mindestens 100 Milliarden Franken an Rettungsgeldern zur Verfügung zu stellen. Dass er dafür von der letzten verbliebenen Grossbank der Schweiz eine Bereitstellungskommission verlangen muss, sollte in einem liberalen System eigentlich allen klar sein.

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