Auf einen Blick
Man könnte es positiv sehen. Immerhin stoppte die Zentrale der Raiffeisenbanken die Einführung einer neuen Bank-App, bevor das grosse Chaos ausbrach. Die im Herbst 2024 geplante Ablösung der bestehenden Systeme durch eine neue App findet nicht statt, wie die Bank am Montag in einem Nebensatz einer Medienmitteilung erwähnte. Zumindest noch nicht.
Man kann es aber auch weniger positiv sehen. Auch nach einem Jahr Testbetrieb mit Mitarbeitenden und Neukunden hat es die grösste Schweizer Retailbank nicht geschafft, dass das neue Online-System so stabil läuft, dass auch die restlichen Bankkunden darauf losgelassen werden können. Das bestätigt Banksprecherin Angela Rupp, wenn sie sagt, dass die Stabilität für die Skalierung nicht ausreichend sei. Woran das liege, schaue man sich jetzt an.
Die App hätte alle bisherigen Apps ablösen sollen
Raiffeisen versprach sich viel von dem Projekt. Heute haben die Raiffeisen-Kunden meist mehrere Apps auf ihren Handys – für unterschiedliche Anwendungen. Eine fürs klassische Alltagsbanking, eine fürs Login, eine für Geldanlagen über Rio und eine weitere für das Mitgliederportal.
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Der Auftrag an die neue App lautete: Erst mit dem Wichtigsten beginnen – wie eine Neobank – und dann laufend alles andere einbauen. So formulierte Bankmanager Roland Altwegg im Juni das Ziel im Gespräch mit der «Handelszeitung». Von den Stabilitätsproblemen war damals noch keine Rede. Das ist jetzt anders.
Die ersten Kundenbewertungen der App auf der Download-Plattform von Google sind durchzogen. Die Bewertung ist mit 3,9 Sternen nicht gut, aber auch nicht schlechter als bei anderen Neustarts. Aber einzelne Kommentare lassen aufhorchen. So schreibt ein Kunde: «App macht, was sie soll. In Sachen Geschwindigkeit jedoch wie drei zusammengebundene Faultiere.»
An mehr als die 12'000 Testkunden getraut sich die Bank nicht
Von Performance-Problemen auf Kundenseite will Raiffeisen nichts wissen. Vielmehr scheint die Schwachstelle hinter der Fassade zu liegen. Fast zwei Millionen Kundinnen und Kunden nutzen derzeit die Online-Kanäle von Raiffeisen. Bisher aufgeschaltet auf das neue System wurden erst 12'000 Kundenbeziehungen. An mehr getraute sich die Bank noch nicht.
Als Nächstes wäre das Rollout auf weitere Kunden gekommen, doch das traute die Bank dem System nicht zu. Und stoppte die Übung. Die Stabilität für grössere Massen fehle, sagt Rupp. Klar sei aber: «Für die, die drauf sind, funktioniert alles so, wie es auf der aktuellen Entwicklungsstufe soll.»
Man müsse nun erst einmal über die Bücher, sagt Rupp. Einen Grund für die Probleme kann sie nicht nennen. Sie macht denn auch keine Prognose dazu, wann die App zum Fliegen kommen könnte.
Der verantwortliche Manager verlässt die Bank
Die App-Probleme wurden am Montag am Rande einer Mitteilung zu einer Umstrukturierung bei Raiffeisen kommuniziert. Demnach wird der Bereich Operating Services abgeschafft. Uwe Krakau, der diesen leitete, verlässt das Unternehmen.
Einen direkten Zusammenhang mit der gestoppten App-Einführung verneint Sprecherin Rupp. Allerdings sei Krakau mit seinem Departement auch für die Strategieumsetzung zuständig gewesen, zu der auch die App-Einführung gehörte, sagt sie. Ganz zufällig dürfte die gemeinsame Mitteilung somit auch nicht gewesen sein.
Und damit zurück zur guten Nachricht: Mit der Notbremse bewahrte sich Raiffeisen vor grösserem Schaden. Wie dieser – schon bei kleinen Pannen – aussehen kann, zeigen Beispiele bei anderen Banken. So verursachte 2023 eine nicht sauber geplante App-Ablösung bei der Basler Kantonalbank und bei deren Tochter Bank Cler grossen Ärger.
Und vor ein paar Jahren erlebte die Postfinance einen regelrechten Shitstorm, als sie eine alte App, an die sich die Kundschaft gewöhnt hatte, durch eine neue Version ablöste, in der zunächst wichtige Funktionen fehlten.