Profis begeistert, Chauffeure skeptisch
«Reden kann jeder, jetzt muss der Chef liefern!»

Nach dem Sorry-Interview von Postauto-CEO Thomas Baur werden nun Taten gefordert. Einige sind begeistert, andere skeptisch.
Publiziert: 21.09.2018 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2018 um 18:46 Uhr
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Die Postauto AG hat seit mindestens 1998 widerrechtlich Subventionen kassiert. Bekommen hat sie die durch Buchhaltungstricks. Gewinne wurden vor dem Bund versteckt. Um die 100 Millonen Franken beläuft sich der Betrug am Steuerzahler allein für die Jahre 2007 bis 2017 – der grösste Subventionsbetrug der Schweizer Geschichte.
Foto: Siggi Bucher
Patrik Berger und Pascal Tischhauser

Postauto-Chef Thomas Baur (54) erklärte sich gestern im BLICK. Es ist rar, dass ein Topmanager eines Staatsbetriebs in einem Interview so offen über die Baustellen in seinem Haus spricht.

Doch Baur räumt ein, dass Postauto den Chauffeuren ­Minuten abgezwackt hat, um ein paar Franken einzusparen. «Der offizielle Dienstantritt wurde an gewissen Orten von 6.30 Uhr um eine Minute auf 6.31 verschoben.» Und er bestätigt, dass Fahrer in den Busch pinkeln mussten. Das sei nicht hinzunehmen. 

Die Zustände, die er bei Postauto angetroffen hat, ­haben Baur sichtlich erschüttert. Gleichzeitig hat er sich bei seinen 4000 Chauffeuren entschuldigt. So auch bei den Postauto-Chauffeuren der ­Linie 50. Sie hatten BLICK vor Ort die miesen Arbeitsbedingungen auf der Strecke Basel SBB–Flughafen Basel-Mulhouse erklärt.

Eingeständnis, dass es Fehler gegeben hat

Was Postauto-Chef Baur dazu sagt, beurteilen sie dennoch äusserst kritisch. «In der Zeitung hat man sich schnell einmal entschuldigt», sagt Chauffeur Werner S.* (52). «Reden kann jeder, jetzt muss der Chef liefern! Wir glauben nicht, dass sich etwas ändert.»

Gefreut ­haben er und seine Kollegen sich über Reaktionen von Fahrgästen, die ­ihnen für den Mut und den Gang an die Öffentlichkeit gratuliert hätten. Die Gewerkschaften überraschte es, dass der Postauto-Chef auf die BLICK-Berichterstattung hin sogleich ein Interview gab: «Das ist ein Eingeständnis, dass es Fehler gegeben hat. Endlich hat das Postauto klar kommuniziert», sagt Sheila Winkler (37), Zentral­sekretärin von Syndicom.

«Ich bleibe aber kritisch. Denn in der Vergangenheit hat die Leitung von Postauto immer wieder Dinge abgestritten und erst zugegeben, als sie nicht mehr anders konnte», sagt Winkler. «Thomas Baur hat ­einen ersten Schritt gemacht. Nun muss er das alles auch umsetzen. Da bin ich gespannt.» Die Distanz zwischen dem Kader und den Leuten an der Basis müsse abgebaut werden, fordert Winkler. Konkret: «Fahrdienstleiter, Disponenten und Fahrer sind ein Team. ­Dieses Teamwork hat extrem gelitten unter den Profitvorgaben.»

­Entschuldigung ist glaubwürdig

Für René Fürst (50) vom Personalverband Transfair ist klar: «Jetzt braucht es vor ­allem beim Management eine Kulturveränderung», fordert er. «Postauto muss Gesetze und Gesamt­arbeitsverträge endlich ernst nehmen und auch kontrollieren.» Denn er weiss: «Die ­Geduld der Postauto-Angestellten hat ein Ende.»

Viel Lob gibts aber von den Kommunikationsprofis. Einer von i­hnen ist Mark Balsiger (50). Ihm hat vor allem dieser Satz von Chef Baur imponiert: «Die Chauffeure wurden ausgepresst.» Aussagen wie diese sind ganz nach dem Geschmack des Kommunikationsexperten. Er analysierte für BLICK Baurs Auftritt im Interview.

«Baur versteckt sich nicht hinter Floskeln und Mediensprechern.» Er stehe hin und rede, wie ihm der Schnabel ­gewachsen sei. «Er braucht mehrmals das Wort Subventionsbschiss. Bravo!» Andere ­Manager würden trotz krasser Verfehlungen immer noch versuchen, abgedämpfte Begriffe durchzusetzen. Im Fall von Postauto wäre das kontraproduktiv.

«Baur beschönigt nichts und bringt sogar eigene Beispiele dafür, was falsch gelaufen ist. Dass er sich bei den Chauffeuren entschuldigt, ist wichtig.» Er sei sich bewusst, wie wichtig die Fahrer für die Image-Bildung von Postauto sind.

Bei den Chauffeuren braucht Postauto noch viel Überzeugungsarbeit. Den Kommunikationsprofi hat Baur jedoch überzeugt: «Ich nehme ihm die ­Entschuldigung ab, sie ist glaubwürdig», so Balsiger. Baur habe ­einen überzeugenden Auftritt gehabt. «Das ist der erste Schritt, um wieder Glaubwürdigkeit zu erlangen.»

* Name geändert

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