«Die Schneeflocken waren sehr eindrücklich»
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Seniorin übers Metaverse:«Die Schneeflocken waren sehr eindrücklich»

Pro Senectute kauft Boden im virtuellen Land
Senioren tauchen ein ins Metaverse

Wer denkt, das Metaverse sei nur etwas für Junge, der irrt. In Basel macht sich Pro Senectute zusammen mit rüstigen Rentnern auf, in die unbekannten Weiten der virtuellen Welt vorzustossen.
Publiziert: 11.08.2023 um 00:49 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2023 um 08:16 Uhr
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Irene Jucker besteigt im Metaverse verschneite Gipfel und ...
Foto: STEFAN BOHRER
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

«Vorsicht, hier schneits» hallt es plötzlich durch den ehrwürdigen Schmiedhofsaal in der Basler Altstadt. Und das bei durchaus sommerlichen Temperaturen von knapp 30 Grad. Irene Jucker (66) ist völlig eingetaucht in die Welt des Metaverse, steht auf einem verschneiten Gipfel im weit entfernten Kalifornien, links und rechts drohen schroffe Abgründe. Wer hier steht, muss schwindelfrei sein – in der realen Welt ebenso wie in der virtuellen. «Für das Hirn macht das keinen Unterschied», sagt Jucker.

Die rüstige Rentnerin ist eine von sechs Seniorinnen und Senioren zwischen 65 und 70 Jahren, die für Pro Senectute beider Basel das Metaverse erkunden. Die Stiftung hat in der virtuellen Welt drei Parzellen Land gekauft – zwei auf der Plattform Decentraland, die andere in The Sandbox. Für 15'000 Franken, finanziert durch den Verkauf einer eigens dafür geschaffenen Kollektion virtueller Kunstwerke, sogenannter NFTs. «Wir sind die erste Schweizer Non-Profit-Organisation, die Geld im Metaverse investiert hat», sagt Geschäftsführer Michael Harr (52) stolz.

Ganz neue Erlebnisse

Nur: Die drei Grundstücke sind derzeit noch Brachen in einer grossen Wüstenei. Und das Metaverse als Spielwiese für kleine und grosse Kinder verschrien, der Hype ist abgeflacht. Davon lässt sich Harr nicht beirren, sondern denkt zusammen mit den Senioren über die künftige Nutzung der Parzellen nach. Schnell ist klar, dass sich vor allem Themen wie Einsamkeit oder eingeschränkte Mobilität so angehen lassen.

«Für Menschen, die auf den Rollator angewiesen sind oder gar im Rollstuhl sitzen, eröffnen sich so ganz neue Möglichkeiten», sagt Christian Selig (69). Der Rentner und Künstler ist dank der VR-Brille vor seinen Augen völlig versunken in der virtuellen Welt, nimmt die Umgebung gar nicht mehr wahr. «Gerade Menschen mit eingeschränkter Mobilität könnten plötzlich wieder Dinge erleben, die in der analogen Welt nicht mehr möglich sind», glaubt Selig. Also etwa gemeinsam mit Freunden oder Bekannten die Aussicht von einem Berggipfel geniessen. Oder in virtuellen Läden einkaufen gehen, spinnt Selig den Gedanken weiter.

Schärft den Gleichgewichtssinn

Selig ist begeistert von der realen Wirkung der virtuellen Welt: «Wegen meines leicht lädierten Gleichgewichtssinns gab es Situationen, wo ich Angst hatte, in den Abgrund zu stürzen.» Gerade Übungen für die Verbesserung des Gleichgewichts im Alter könnten eine sehr sinnvolle Anwendung auf den Parzellen der Pro Senectute im Metaverse sein, ist Gipfelstürmerin Jucker überzeugt. Bislang haben sie sich fürs Erste darin geübt, virtuelle Steine aufzuheben und in den Canyon zu schleudern. Die Sache mit dem Hochwerfen und Auffangen der Steine dagegen hat nicht so funktioniert.

Für Geschäftsführer Harr ist klar, das Metaverse ist nicht nur etwas für junge Gamer und Tech-Nerds: «Es ist uns wichtig, älteren Personen aktuelle und zukünftige Technologien näherzubringen und sie so zu befähigen, diese für sich zu nutzen.»

Als Erstes soll deshalb nun ein virtueller Check-In-Schalter auf den Parzellen von Pro Senectute gebaut werden. Als Zugang zu den Dienstleistungen der Stiftung und als Versammlungsort für Interessierte, die zu neuen Erlebnissen aufbrechen wollen.

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