Pro Kopf essen wir einen Fünftel weniger als vor 30 Jahren
Fleisch ist nur noch Beilage

Der Fleischkonsum in der Schweiz ist seit Jahren rückläufig. Grund dafür ist der boomende Vegi-Trend und das neue Gesundheitsbewusstsein. Was in der Branche aber wirklich für Kopfzerbrechen sorgt, sind Einkaufstourismus und Schmuggel.
Publiziert: 26.04.2018 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:11 Uhr
Fleisch wird bald zur Beilage
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Fleischkonsum 2017:Fleisch wird bald zur Beilage
Sven Zaugg und Bianca Lüthy

«Schweizer Fleisch. Alles andere ist Beilage.» Bis 2016 und damit gut zehn Jahre lang warb die Fleischbranche mit diesem Slogan und erntete dafür wiederholt Kritik. Weder Vegetarier, Ernährungswissenschaftler noch das Bundesamt für Gesundheit freuten sich über das knackige Sprüchlein, das den hiesigen Fleischkonsum hätte ankurbeln sollen. Es kam anders.

Die veränderten Konsumgewohnheiten und der damit verbundene Trend – weniger Fleisch ist mehr – haben dazu geführt, dass in der Schweiz pro Kopf so wenig Rind, Kalb, Schwein, Geflügel und Schaf konsumiert wird wie letztmals 1969: 48,1 Kilogramm. Zum Vergleich: 1987, der Fleischkonsum hatte seinen Höhepunkt erreicht, verdrückte man hierzulande von den Hauptfleischsorten 61,6 Kilo. Seit da geht es bergab. Aktuell verzehrt die Schweizer Bevölkerung von den Hauptsorten 48,8 Kilo.

Foto: BLICK Grafik

Niemand will Pferdefleisch

«Es ist eine herausfordernde Zeit für Fleisch», sagt Rolf Büttiker (67), Alt-National- und Ständerat und Präsident des Schweizerischen Fleischverbands. Dies zeigt auch ein Blick in die Statistik. Seit 2000 ist der Konsum von Kalbfleisch um 30,8 Prozent eingebrochen, bei Wild und Kaninchen sind es sogar 32,7 Prozent, und 12,6 Prozent weniger Schweinefleisch landen auf Schweizer Tellern. Denn grössten Einbruch verzeichnete das Pferdefleisch mit 40 Prozent. Grund dafür dürfte der Deklarationsskandal in Übersee sein.

Grösser geworden ist der Hunger auf Rindfleisch. In den letzten 17 Jahren wurden 7,2 Prozent mehr rotes Fleisch verschlungen. Spitzenreiter ist das Geflügel: plus 31,4 Prozent. Dort dürfte es sich für die Geflügelbranche gelohnt haben, das weisse Fleisch als gesunde Alternative zu Rind und Schwein zu positionieren.

Die abnehmende Tendenz des Konsums ist für Fleischverbands-Präsident Büttiker «ein Spiegelbild der Gesellschaft». «Der Konsument setzt heute vermehrt auf Qualität und Quantität.» Das berge jedoch auch Risiken. Nämlich dann, wenn nur noch Edelstücke konsumiert werden. Er plädiert für die möglichst vollständige Verwertung der Tiere. «From nose to tail», die Verwertung des Tiers von der Nase bis zum Schwanz, lautet seine Devise.

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Fleischloser Lebensstil im Trend

Klar ist aber auch: Die Essensgewohnheiten haben sich verändert. Früher war ein Essen ohne Fleisch keine vollwertige Mahlzeit. Das gilt nicht mehr. Die vegetarische und vegane Küche erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Viele entscheiden sich bewusst dazu, weniger Fleisch zu essen – oder verzichten ganz. «Und ein wachsender Teil der Bevölkerung eifert einem immer gesünderen und damit fleischlosen Lebensstil nach», sagt Christine Schäfer (28), die am Gottlieb Duttweiler Institut zum Thema Ernährung forscht.

Für Fleischtiger Büttiker, der rund ein Kilo Tier in der Woche verdrückt, ist das Quatsch. Ihm bereiten vor allem Einkaufstourismus und Fleischschmuggel sorgen. Gemäss Mathias Binswanger (55), Professor an der Hochschule für Wirtschaft in Olten, haben sich die Fleischkäufe im benachbarten Ausland seit 2008 verdreifacht. Sie dürften sich mittlerweile auf rund 1,6 Milliarden Franken belaufen.

Damit geben Herr und Frau Schweizer jeden siebten Franken im benachbarten Ausland für Fleisch aus. Dem Einkaufstourismus will Büttiker mit einer Absenkung der Mehrwertsteuer-Freigrenze von heute 300 auf 50 Franken pro Tag und Person beikommen.

Grenzen sollen besser kontrolliert werden

Ein Stachel im Fleisch der hiesigen Branche sei auch der Schmuggel, sagt Büttiker. Zahlen der Oberzolldirektion zeigen eine klare Zunahme von gewerblichen und privatem Schmuggel. Innerhalb eines Jahres hat ist der Anteil der Schmuggelware von 98 Tonnen (2015) auf 200 Tonnen (2016) gestiegen. Die Dunkelziffer, so sind sich Branchenkenner sicher, sei um ein Vielfaches höher.

Büttiker fordert deshalb eine Verschärfung der Grenzkontrollen. Dafür soll der Bestand an Zöllnern erhöht werden. Zudem sollen «massiv» höhere Strafen bei gewerbsmässigem Schmuggel ausgesprochen werden. Von Gefängnis bis Berufsverbot.

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