Pressefreiheit
Plädoyer für Pressefreiheit auf der Internetkonferenz re:publica

Berlin – Zum Auftakt der Internetkonferenz re:publica in Berlin haben verfolgte Journalisten und Aktivisten die Pressefreiheit in den Mittelpunkt gestellt. Der türkische Medienmacher und Dokumentarfilmer Can Dündar warb für Solidarität mit inhaftierten Kollegen.
Publiziert: 08.05.2017 um 22:34 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 23:11 Uhr
Warnt vor Einmischungsversuchen aus Moskau: der frühere russische Schach-Champion und heutige Putin-Kritiker Garry Kasparow.
Foto: KEYSTONE/EPA/FILIP SINGER

Der ehemalige Chefredaktor der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet» berichtete von einer Gruppe Kollegen, die seit 190 Tagen in der Türkei im Gefängnis sässen, nur weil sie ihrem Beruf nachgegangen seien.

«Es gibt kein Recht und keine Pressefreiheit in diesem Land», sagte Dündar, der derzeit in Deutschland lebt und arbeitet, über die Türkei. Er zeigte zudem Bilder von der Zelle des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel von der Berliner Tageszeitung «Die Welt». Dündar rief dazu auf, auch von Deutschland aus die Betroffenen zu unterstützen - und erntete anhaltenden Applaus.

Auch Journalisten und Aktivisten aus Ungarn, Ägypten und Polen berichteten von zum Teil schweren Einschränkungen der Pressefreiheit in ihrem Land.

«Ungarische Journalisten waren wie der Frosch in einem Topf mit Wasser, das langsam zum Kochen gebracht wird», sagte Márton Gergely, der stellvertretende Chefredaktor der eingestellten ungarischen Oppositionszeitung «Népszabadság». Die Medien in seinem Land hätten die Bedrohung erst zu spät erkannt und sich auf politische Grabenkämpfe eingelassen statt Neutralität und Solidarität miteinander zu bewahren.

Der ägyptische Netzaktivist und Sicherheitsforscher Ramy Raoof forderte die Anwesenden dazu auf, Anfragen bei Regierungen zu stellen und alle Informationen im Netz zu veröffentlichen, um bedrohten Akteuren der Zivilgesellschaft in Ägypten zu helfen.

Ein weiteres Thema auf der re:publica war auch das so genannte Darknet, das für viele Journalisten in aller Welt oft der einzige Weg für eine freie Kommunikation ist.

Ohne den sicheren Datenaustausch etwa über die Software Tor hätte er seinen Beruf als Journalist in Syrien zuletzt nicht mehr ausüben können, sagte Ahmad Alrifaee von der Hamburg Media School an einer Podiumsdiskussion zum Thema.

Der Syrer, der seit 2014 in Deutschland lebt, hatte zuvor unter anderem vom Krieg in seinem Land in Reportagen berichtet und als Fotograf für grosse Agenturen gearbeitet. Wer das Darknet in Syrien nicht nutze, laufe schnell Gefahr, festgenommen oder getötet zu werden.

«Viele Journalisten unterschätzen immer noch, welchen Gefahren sie sich aussetzen - trotz Snowden», sagte Daniel Mossbrucker von Reporter ohne Grenzen. Das Netzwerk Tor sei für solche Zwecke ein «probates Mittel».

Auch im Iran und in China werde es nicht nur von Journalisten viel genutzt, um die Zensur zu umgehen, sagte Mossbrucker. «Im Moment sehen wir gerade, dass in der Türkei die Nachfrage deutlich grösser wird.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller betonte zur Konferenzeröffnung den Wert freier und unabhängiger Medien. Berlin stehe wie keine andere Stadt für Liberalität, für Offenheit und Toleranz, für Freiheit und Internationalität, sagte er. Diese Dinge und auch die Meinungs- und Pressefreiheit seien nicht selbstverständlich, sondern Werte, «für die man immer wieder kämpfen, sich immer wieder engagieren muss».

Der russische Oppositionelle und ehemalige Schach-Champion Garri Kasparow warnte am Montagabend vor Versuchen Moskaus, nach den US-Wahlen im vergangenen Jahr auch die deutsche Bundestagswahl im Herbst zu beeinflussen. Der russische Präsident Wladimir Putin wolle, dass Kanzlerin Angela Merkel ihr Amt verliert, auch weil sie die westlichen Sanktionen gegen Russland unterstütze, sagte der Putin-Kritiker.

Er warnte vor einer Abkehr von demokratischen Freiheiten im Westen. Leute, die es in Ordnung fänden, wenn es etwa unter US-Präsident Barack Obama Überwachung gebe - aber dies unter seinem Nachfolger Donald Trump für besorgniserregend hielten, seien Teil des Problems, sagte Kasparow.

Denn es gehe nicht um Persönlichkeiten, sondern um das System. Das sei besonders wichtig in einer Situation, in der «nicht-demokratische Regierungen entdeckt haben, dass sie über das Internet manipulieren können», sagte Kasparow.

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