Bei Jan Fehr (29) laufen die Drähte heiss. Fehr ist Leiter Marketing bei Oel-Hauser, einem der wichtigsten Lieferanten für Brenn- und Treibstoffe in der Schweiz. Wie bei allen Heizöl-Lieferanten läuten die Telefone Sturm, viele Hausbesitzer wollen ihre Tanks nach dem Winter wieder auffüllen.
Nicht nur wegen Corona sind die Zeiten auf dem Heizölmarkt besonders. «Wir sehen eine deutlich höhere Nachfrage aufgrund der tieferen Preise. So tiefe Preise haben wir schon lange nicht mehr gesehen», erklärt Fehr gegenüber Blick, als er zwischen zwei Kundenanrufen gerade mal kurz Zeit hat.
Historische Förderkürzung
Denn zu Beginn der Corona-Krise haben Saudi-Arabien und Russland einen Preiskrieg vom Zaun gebrochen, der den Ölpreis hat abstürzen lassen. Inzwischen hat sich der Preis wieder etwas erholt, doch ein starker Anstieg ist nicht zu befürchten. Im Moment hat es mehr als genug Öl auf dem Weltmarkt, die Lager sind beinahe randvoll.
Daran ändert auch die jüngste Kürzung der Ölförderung nichts. In der Nacht auf Montag haben das Ölkartell Opec und seine Partner den Weg frei gemacht für eine historisch einmalige Drosselung der Ölproduktion. Bei einer Sondersitzung per Video einigten sich die beteiligten Ölförderländer auf eine Kürzung um 9,7 Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag für die Monate Mai und Juni.
Die Förderkürzung könne den Nachfrage-Einbruch aufgrund der Corona-Krise nicht kompensieren, sagt die Ökonomin und Erdölexpertin Cornelia Meyer: «Der Ölpreis wird sich auf dem heutigen Niveau stabilisieren. Denn die vereinbarte Förderkürzung ist bereits eingepreist.»
Nachfrage nach Öl wird weiter sinken
Die Nachfrage nach Öl könnte sogar noch weiter schrumpfen, je nachdem wie stark die Weltwirtschaft wegen der Corona-Pandemie noch einbricht. «Mittelfristig spricht viel für einen tiefen Ölpreis. Denn durch Corona und auch durch den Handelskrieg USA–China wurden Lieferketten unterbrochen. Das heisst, es werden weniger Güter transportiert – und die erst noch über kürzere Distanzen», erklärt Meyer.
Wann und wie schnell sich die Weltwirtschaft erholen wird, weiss niemand. Unterstützung kommt auf alle Fälle vom Ölmarkt. «Der tiefe Ölpreis kann der Wirtschaft helfen, sich nach der Krise schneller zu erholen», ist Meyer überzeugt.
Beschäftigungsvorrat für Ölhändler
Von Krise ist derzeit bei Oel-Hauser nichts zu spüren. Es wird sogar ein Beschäftigungsvorrat aufgebaut. «Um die Nachfrage zu bewältigen, verteilen wir die Lieferungen über die kommenden Wochen. Entscheidend für den Preis ist aber das Datum der Bestellung.» Das heisst, wer seine Lieferung erst in ein oder zwei Monaten erhält, profitiert vom aktuellen Preis. Dieser liegt im Moment bei etwas mehr als 70 Franken für 100 Liter Heizöl und einer Bestellmenge von 3000 bis 6000 Litern.
Trotz Ansturm können aber auch dringliche Anfragen erfüllt werden. «Niemand soll frieren müssen, nur weil der Heizöl-Tank leer ist», sagt Fehr und beruhigt damit jene Hausbesitzer, die den Tank über den Winter leer gefeuert haben.