Eine Welle von Investitionen überrollt die Spitallandschaft. Milliarden von Franken (siehe Box) werden landauf, landab verbaut. Das Ziel: Die teils schon in den Siebzigern erbauten Spitäler wieder auf Hochglanz zu polieren. Nach Meinung von Experten allerdings sind viele dieser Ausgaben unnötig. Sie warnen vor einem Investitionsfriedhof.
800 Millionen Franken! Für diesen Betrag will die St. Galler Regierung ihre Kliniken renovieren. Die Bündner wiederum lassen sich den Ausbau ihres Kantonsspitals in Chur 400 Millionen Franken kosten.
Geklotzt wird auch in der Nordwestschweiz: Das Kantonsspital Aarau soll in Etappen saniert werden. Kostenpunkt: 700 bis 800 Millionen Franken. Nur 20 Kilometer entfernt, plant das Kantonsspital Baden einen Millionen teuren Neubau – unter anderem. Fragt sich, wer dort behandelt werden soll.
Für Tilman Slembeck (51), Wirtschaftsprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur ZH, ist klar: «Ein Grossteil der Investitionen ist für die Katz.»
Das klassische Spital mit Bettenhaus habe ausgedient, sagt der Fachmann. Immer mehr Eingriffe können ambulant durchgeführt werden und erfordern keinen längeren Klinikaufenthalt mehr. Patienten, die nach einer erfolgreichen Operation kurzzeitig gepflegt werden müssen, können auf Besuch von der Spitex zählen – in ihren eigenen vier Wänden.
Seit Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2012 sind Spitäler bestrebt, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patienten zu senken, denn sie werden nicht mehr pro Tag vergütet, sondern pro Behandlung. «Spitäler dienen künftig nur noch als sogenannte Hardware-Zentren», sagt Slembeck. Will heissen: Kliniken stellen hauptsächlich Apparate, Untersuchungs- und Operationsräume. Operiert wird ähnlich wie beim Belegarzt-System von frei praktizierenden Medizinern. «Festangestellte Ärzte wird es fast nur noch in Unispitälern geben», so der Experte. Der Rest werde in den nächsten zehn bis 15 Jahren mehrheitlich in Ärzte-Netzwerken tätig sein.
Laut Urs Meister (41), Ökonom bei der Denkfabrik Avenir Suisse, ist eine Konsolidierung des Angebots dringend notwendig. «Es gibt zu viele kleine Spitäler», sagt er. Deshalb würden in vielen Kliniken bestimmte Behandlungen nur selten durchgeführt. Mit teils dramatischen Folgen: «Die zu tiefen Fallzahlen führen zu Minderqualität.»
Politiker scheuten jedoch aus Angst davor, nicht wiedergewählt zu werden, vor der Schliessung von Spitälern oder deren Fusion mit anderen zurück.
Während sich Politiker um ihre Wiederwahl sorgen, spüren Prämienzahler die Bauwut bereits im Portemonnaie. Helsana-Chef Daniel Schmutz (49): «Viele dieser Investitionen werden über die Fallpauschalen abgerechnet. Diese werden von den Prämienzahlern mitfinanziert.»