Bauherren werden erpresst, bis Geld fliesst: Gestern berichtete BLICK über den Volkssport Einsprachen. Denn gewisse Anwohner klagen nur aus einem Grund: Sie wollen Geld sehen! Der Luzerner Architekt Patrick Müller (48) musste bei einem Projekt in Horw LU 300'000 Franken hinblättern, um eine fragwürdige Forderung abzuwenden.
Diese Erpressung hat offenbar System. Immobilienexperte Donato Scognamiglio (48): «Früher machte man ein Fest, wenn das Haus stand. Heute wird bereits gefeiert, wenn die Baubewilligung vorliegt», so der Chef des Immobiliendienstleisters Iazi.
Immo-Experte will Missbrauch «im Keim ersticken»
Jetzt will Scognamiglio die Erpresser zur Kasse bitten. Der Immo-Profi schlägt vor, über die Verpflichtung zu einem Kostenvorschuss von einigen Tausend Franken nachzudenken. «Wer davon überzeugt ist, mit seiner Einsprache recht zu haben, sollte erst mal ein paar Franken locker machen. Damit könnte allenfalls ein Missbrauch schon im Keim erstickt werden.»
Von Berufs wegen war er eben erst in drei Bauvorhaben von chancenlosen Einsprachen betroffen. «Das empfinde ich als sehr stossend. Die Kosten erhöhen sich, Bauvorhaben können so über Jahre verzögert werden.» Wenn Einsprachen nur dazu genutzt werden, um Bauvorhaben zu verzögern und Macht auszuüben, «dann empfinde ich dies als rechtsmissbräuchlich».
Erpesser bezahlen lassen? Scognamiglios Idee stösst auch in der Politik auf offene Ohren. «Wenn wir vor fünftausend Jahren schon solche Beschwerderechte gehabt hätten, würden wir heute noch in Pfahlbauten leben», enerviert sich der Präsident des Hauseigentümerbands (HEV) der Stadt Zürich, SVP-Nationalrat Gregor Rutz (46). Die missbräuchlichen Einsprachen seien tatsächlich ein Volkssport geworden. «Daher finde ich den Vorschlag, solche Erpresser zur Kasse zu bitten, prüfenswert. Ich bin offen für diese Überlegung.»
FDP-Ständerat Eder: «Was abläuft, ist unzumutbar»
Ja, es werde seit Jahren schlimmer, sagt auch Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler (60). Sein Bonmot: «Die fünfte Landessprache ist die Einsprache!» Die Beschwerde sei zum «politischen Kampfmittel verkommen». Darum müssten die Anforderungen für eine Beschwerde erhöht werden.
Damit kein «Schindluder mit Baurechtseinsprachen» getrieben werde, müsse der Gang übers Portemonnaie durchaus erwogen werden. Bigler ist jedoch «gespalten», wie er sagt. «Dass Erpresser bezahlen müssen, könnte zielführend sein – man überlegt es sich zweimal, ob man wirklich Einsprache erheben will, wenn es im Portemonnaie schmerzt», sagt der Freisinnige. «Aber andererseits könnten damit die Ehrlichen bestraft werden. Dieser Vorschlag gefährdet leider die Rechtsstaatlichkeit – es gibt nun mal das Recht, eine Beschwerde einzureichen.»
Bedenken wegen der Rechtsstaatlichkeit hat auch FDP-Ständerat und HEV-Vorstandsmitglied Joachim Eder (67). Trotzdem: «Was abläuft, ist unzumutbar. Die Hürden, eine Beschwerde einzureichen, sind zu tief. Das müsste mehr kosten», sagt der Zuger. Sein Rezept: «Erpresser sollten eine Strafe bezahlen, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass ihre Beschwerde missbräuchlich ist. Das wäre machbar!» Man müsse einfach zu Anfang eines Verfahrens eine «Beschwerde einer Ehrlichkeitsprüfung unterziehen und relativ rasch einen anfechtbaren Entscheid fällen. Das wäre auch abschreckend!»
Bauherren bezahlen, um Anwohner ruhig zu stellen
Das würde auch das Spiel auf Zeit missbräuchlicher Beschwerdeführer verunmöglichen, so Eder. Fredy Hasenmaile (51), Immobilienexperte von der Credit Suisse (CS), sieht denn Handlungsbedarf bei den Fristen. «Mit Einsprachen können Immobilienprojekte zum Teil erheblich verzögert werden. Und Zeit ist bekanntlich Geld.» Es bestehe darum bei den Bauherren eine gewisse Zahlungsbereitschaft, «völlig unabhängig von den Erfolgsaussichten des Einspracheführenden».
Oftmals sei es für Bauherren günstiger, fünfstellige Beträge zu bezahlen, um Anwohner ruhig zu stellen. «Leider fördert das nur noch mehr die Flut von Einsprachen», sagt Hasenmaile. Und er schlägt Alarm: «Persönlich scheint es mir, dass auch die Unverfrorenheit, mit der Rekurse eingereicht und Forderungen gestellt werden, zunimmt», sagt der CS-Experte.
Hasenmaile fordert mehr Transparenz: Wenn man derartige «Deals» zwischen Bauherr und Einspracheführenden in einem einfachen Register aufführen müsste, könnte die soziale Kontrolle auf kostengünstige Weise eine stärkere Wirkung entfalten. Dazu müsste das Register aber öffentlich einsehbar sein, so Hasenmaile. «Das dürfte dem Gebaren zwar keinen Riegel schieben, könnte jedoch mildernd auf die geforderten Summen wirken, weil dann die Einspracheführenden unverschämte Summen erklären müssten.»