Plötzlich sind alle Experten
Das grosse Geschäft der KI-Berater

Sie schiessen wie Pilze aus dem Boden: Consulting-Firmen, die Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) beraten. Sie machen damit das grosse Geld. Die Expertise dahinter ist vielfach fraglich.
Publiziert: 05.07.2024 um 00:03 Uhr
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57 Prozent der Firmen in der Schweiz setzen KI im Arbeitsalltag ein. (Symbolbild)
Foto: Keystone
Désirée Sommer
Désirée SommerWirtschaft

ChatGPT ist noch keine zwei Jahre alt – und aus der globalen Wirtschaft bereits nicht mehr wegzudenken. Im November 2022 ging die Künstliche Intelligenz live, heute gehört sie bei 57 Prozent der Schweizer Unternehmen bereits zum Arbeitsalltag. Dies ging kürzlich aus einer Umfrage des Stellenvermittlers Manpower hervor. 

Um im KI-Wettlauf nicht den Anschluss zu verlieren, setzen Unternehmen häufig auf KI-Beratung. Davon gibt es im boomenden KI-Universum jede Menge. In der Schweiz machen KI-Startups mittlerweile 25 Prozent aller Neugründungen aus, wie der Swiss Startup Radar zeigt. Jedes zehnte neu gegründete Beratungsunternehmen hat sich auf KI spezialisiert. Das belegen Zahlen von Startups.ch, einer Plattform, die Jungunternehmen bei der Firmengründung berät.

Ihre Angebote sind vielfältig, erklärt Afke Schouten (38), Leiterin des MAS-Studienprogramms AI Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ): «Viele Akteure schulen Unternehmen und Mitarbeitende auf die Nutzung von ChatGPT oder bauen konkrete KI-Anwendungen.»

Die grosse KI-Hoffnung

Die unzähligen Consulting-Firmen machen mit dem KI-Hype in der Schweiz ein gutes Geschäft. Laut einer Studie von PwC ist das Wachstumspotenzial für KI nirgendwo besser als hierzulande. Grund dafür ist die starke Präsenz der Technologie- und Softwarebranche sowie von Medien-, Pharma- und Finanzunternehmen in der Schweiz. Gerade in diesen Branchen kommt KI oft zum Einsatz. Die Studie sagt vorher, dass KI das Potenzial hat, das Wirtschaftswachstum in der Schweiz pro Jahr um 0,5 bis 0,8 Prozent zu steigern. Bis 2030 entspräche das einem zusätzlichen BIP-Wachstum von bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken.

Trotz der guten Prognosen sei es wichtig, sich nicht vom Hype blenden zu lassen, warnte Mathias Binswanger (61), Volkswirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und Autor eines Buches über die KI-Revolution jüngst im Blick. «Es gibt eindeutige ökonomische Interessen dahinter, es uns so zu präsentieren, als wäre KI eine Art Tsunami, der uns überrollt.» 

Die Sache mit der Expertise

Am KI-Markt ist nicht alles Gold, was glänzt. «Gerade, weil ein vielfältiges Angebot nötig ist, um die KI-Bedürfnisse des Marktes zu befriedigen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich einige Anbieter mit schlechter Qualität darunter befinden», erklärt HWZ-Studienleiterin Schouten. «Die Realität ist, dass es sehr anspruchsvoll ist, im Bereich der KI erfolgreich zu sein – aktuellen Statistiken zufolge scheitern 87 Prozent der KI-Transformationsprojekte, die in Unternehmen angestossen werden.» 

Gerade deshalb setzen viele Unternehmen auf externe Expertise – und fallen im schlimmsten Fall auf KI-Berater herein, bei denen es mit dem Fachwissen nicht besonders weit her ist. Ähnlich wie am Anfang der digitalen Transformation oder den sozialen Medien kann sich theoretisch jede und jeder als KI-Experte bezeichnen. «Ich habe beobachtet, dass viele Personen, die zum Beispiel als Blockchain-Experten begonnen haben, KI-Experten werden», bemerkt Schouten. Sie glaubt nicht, dass es sich dabei wirklich um Experten handelt. «Diese Personen springen auf den Hype auf.»

Praktische Erfahrung sei für KI-Expertise der Schlüssel, so Schouten. Mit ihr würden auch die «falschen» Experten zu echten werden. Bis dahin rät sie jedem Unternehmen, das mit Consulting-Firmen zusammenarbeitet, zu überprüfen, ob die beteiligten Personen schon vor dem ChatGPT-Hype in diesem Bereich tätig waren.

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