Pilatus-Chef ist überzeugt
«Schweiz kann Kampfjets eine Milliarde billiger haben»

Der Stanser Flugzeugbauer hat mit der Auslieferung seines Düsenjets PC-24 begonnen. Pilatus-Chef Oskar J. Schwenk kritisiert derweil die Kampfjetbeschaffung.
Publiziert: 05.05.2018 um 23:43 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:00 Uhr
1/7
Oskar Schwenk (73) in der Pilatus-Endmontage-Halle in Stans NW vor seinem PC-24. Der Jet erhielt im Dezember seine Zulassung.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
Interview: Moritz Kaufmann

Kompensationsgeschäfte sind üblich, wenn ein Land im Ausland Rüstungsgüter kauft. Gewisse Teile des Produkts werden im Käuferland hergestellt. Einerseits wird so die heimische Volkswirtschaft angekurbelt. Anderseits will sich die Armee absichern, falls man im Kriegsfall nicht mehr mit Ersatzteilen versorgt wird.

Rüstungsgüter sind teuer. Kompensationsgeschäfte dienen deshalb immer als wichtiges Argument, um die Bevölkerung von der Milliardeninvestition zu überzeugen. Doch genau diese Kompensationsgeschäfte kritisiert Pilatus-Präsident Oskar J. Schwenk (73) heftig – obwohl er davon profitieren könnte. Er weiss, wovon er spricht: Pilatus beliefert selbst ausländische Armeen mit Trainingsflugzeugen.

SonntagsBlick: Herr Schwenk, Pilatus hat die ersten zwei PC-24 nach Amerika ausgeliefert. Ihr berühmtester Kunde aber ist der Bundesrat. Wann erhält er seinen Jet?
Oskar J. Schwenk: In der Schweiz ist der Bundesrat ein wichtiger Kunde. Aber wir leben nicht vom Schweizer, sondern vom Weltmarkt. In der Welt interessiert es niemanden, ob der Bundesrat in einem Pilatus-Flugzeug fliegt. Auch wenn der Bundesrat das bei den Verhandlungen vielleicht dachte.

Hat der Bundesrat etwa versucht, Ihren Preis zu drücken?
(Lacht) Nein, nein. Das macht ja auch nicht der Bundesrat, sondern Armasuisse. Sie sagten: «Stellt euch nur dieses Renommee vor, wenn der Bundesrat mit eurem Jet herumfliegt.» Ich habe den Spiess umgedreht: «Der Bundesrat kann voller Stolz in einem Schweizer Jet herumfliegen. Er muss keinen ausländischen kaufen.» Am Ende haben wir beide gewonnen.

Wann bekommt er ihn?
Noch dieses Jahr. Im November dürfte er fertig werden, im Dezember wird er ausgeliefert.

Sie verkaufen keine Optionen, sondern nur echte Jets.
Das ist das Schönste daran! Wären wir börsenkotiert, würden wir so viele Optionen wie möglich verkaufen. Der Aktienkurs ginge täglich hoch. Ob dann die Optionen je eingelöst würden, wäre zweitrangig.

Untypisch in Ihrer Branche.
Total! Alle Flugzeugbauer von Rang und Namen sind börsenkotiert. Die arbeiten nur mit Optionen, von denen der Kunde wieder zurücktreten kann. Bei uns kann man nur mit Anzahlung einen Kaufvertrag unterschreiben. Wer vom Kauf zurücktritt, verliert die Anzahlung. «Firm Commitment» sagen wir dem – eine feste Zusage. Wir haben dafür alle unsere Versprechen gehalten.

Wie oft fliegen Sie im PC-24?
Nie. Alle Jets, die wir herstellen, werden ausgeliefert. Wir haben noch drei Prototypen. Wir bekommen viele Anfragen, um mit diesen zu fliegen. Doch das ist gar nicht erlaubt. Das sind keine Passagierflugzeuge, da sind zwei Tonnen Computer und Instrumente drin.

Können Normalpassagiere mit Ihrem neuen Jet fliegen?
Bei uns nicht. Wir sind keine Airline und wollen auch keine sein. Aber in Genf gibt es beispielsweise die Firma Jetfly, die fünf PC-24 bestellt hat. Der erste wird dieses Jahr ausgeliefert. Firmen oder Privatpersonen können dort einen PC-12 oder PC-24 mit Besatzung mieten.

Alle reden vom PC-24. Kaum jemand erwähnt den einmotorigen PC-12, von dem Sie 2017 das 1500. Exemplar verkauft haben.
Das ist eine unglaubliche Geschichte! Vor dem PC-12 hatten wir nur Militärkunden. Mit dem PC-12 sind wir in die Zivilluftfahrt eingestiegen. Das hat uns erst die Entwicklung des PC-24 ermöglicht. Damals nahm uns niemand ernst – jetzt wissen die Mitbewerber, was wir können. Die Flinten sind geladen, das spüren wir.

Sie erwarten einen Preiskampf?
Das werden wir sehen. Es gibt vielleicht ein Dutzend Konkurrenten in unserem Markt, darunter sehr gute. Wir wussten: Wir müssen etwas Besseres bringen. Denn im riesigen amerikanischen Markt bestehen wir nicht mit einem gleich guten Produkt. Beim Preis sind wir schwach. Wir produzieren in der Schweiz und zahlen rechte Löhne.

Ihr Jet startet und landet auf extrem kurzen Pisten.
Das ist ja erst mal ein Widerspruch: Wenn der Jet auf einer kurzen Piste reinkommt, muss er sehr langsam fliegen können. Nachdem er auf einer kurzen Piste gestartet ist, muss er auf 45’000 Fuss Reiseflughöhe sehr schnell sein. Also haben wir ein ausgeklügeltes System von Klappen und Spoilern entwickelt, die sich selber steuern.

Klingt logisch.
Das Schwierige ist, das alles zertifizieren zu lassen. Denn diese Klappen und Spoiler müssen absolut symmetrisch sein. Ist eine nur ein halbes Zehntelgrad zu weit offen, kann sich der Flieger in der Luft drehen. Wir müssen nachweisen, dass dies nicht passiert.

Am Flugplatz Buochs NW bauen Sie eine ganz neue Halle ...
Eine der grössten Holzhallen! 200 Meter lang und 70 Meter breit. Aus Schweizer Holz! Damit sind wir beim Produktionsstandort Schweiz. Ein schwieriges Thema ...

Schwierig? Warum?
Wir brauchen einen Werkplatz Schweiz. Dafür tun wir bei Pilatus alles. Es bringt nichts, wenn wir nur noch Firmenhauptsitze und Bürolisten hier haben. Und denen, die richtig werken, nimmt man die Arbeit weg und verpflanzt sie nach Indonesien oder sonst wohin.

Auch Pilatus produziert im Ausland.
Als wir vor 25 Jahren mit dem PC-12 in die Zivilluftfahrt eingestiegen sind, haben wir den Preiskampf gespürt. Die Amerikaner produzieren die gleiche Technologie in Mexiko viel günstiger als wir. Also haben wir gesagt: Den Strukturbau machen wir im Ausland.

Strukturbau?
Nieten setzen und Einzelteile zusammenbauen: hoch qualifizierte Handarbeit. Wenn etwas schiefgeht, kann man den Flügel wegschmeissen. Wir sind einmal um die Welt geflogen und in Portugal gelandet. Damals lagen die Löhne dort im Vergleich neun Mal tiefer als bei uns.

Aber Portugal hat sich entwickelt.
Die Löhne sind gestiegen. Bei den Spenglern beträgt der Lohnunterschied noch 1:3,5. Also sind wir nach Rumänien. Aber auch die haben sich entwickelt.

Sie müssen also ein noch ärmeres Land suchen?
Es ist ein untaugliches System. Eigentlich müsste man alle zehn Jahre weiter. Intelligent wäre, wenn wir den Strukturbau in der Schweiz machen könnten. Aber das geht nur, wenn wir automatisieren und neue Technologien anwenden können. Das probieren wir jetzt. Aber es ist eine Heidenbüez!

Sie bauen Ihre Flugzeuge in der Schweiz, setzen dafür aber Roboter ein?
Wir haben drei Jahre lang mit einer deutschen Firma einen Nietroboter entwickelt. Den stellen wir in die neue Halle. Den Rest machen wir von Hand. Es muss uns gelingen, noch weitere Prozesse zu automatisieren. Wenn wir das schaffen, haben wir für die Schweiz etwas sehr Gescheites geleistet.

Die Angst ist gross, dass die Digitalisierung Jobs vernichtet.
Hier in der Schweiz haben wir dafür 150 Stellen aufgebaut. Es braucht Menschen, die zu den Maschinen schauen, sie warten und überwachen. Überhaupt: Die wichtigste Eigenschaft des Menschen ist die Fantasie. Kein Computer – auch keine künstliche Intelligenz – wird je die Idee für einen PC-24 entwickeln können. Dafür fehlt ihm schlicht die Vorstellungskraft. Der Computer kann ihn höchstens bauen. Aber alle, die Handarbeit verrichten, werden auf lange Sicht den Job verlieren.

Die Schweiz will neue Kampfjets beschaffen. Hoffen Sie auf die bei Rüstungskäufen üblichen Kompensationsgeschäfte?
Nur, wenn wir dabei Technologien bekommen, die uns weiterbringen. Ich will keine Arbeiten für die Amerikaner oder Schweden erledigen, die wir schon beherrschen. Diese Gegengeschäfte sind eigentlich überflüssig. Die Politiker wollen das so. Aber wir könnten die Kampfjets bis zu einer Milliarde Franken billiger haben, wenn wir auf Aufträge für die Schweiz verzichten. Und ab Werk kaufen.

Woher wissen Sie das?
Wenn Pilatus Trainingsflugzeuge für andere Armeen baut und zu 100 Prozent Kompensationsgeschäften gezwungen wird, schlagen wir 15 bis 20 Prozent drauf. Das ist normal.

Pilatus will also nicht vom Kampfjet-Kauf profitieren?
Wir profitieren ja nicht. Eine Firma muss eigene Produkte haben. Wenn wir bloss einfache Teile in Offset herstellen, sind wir langfristig tot. Ich habe dem Bund mitgeteilt, dass wir dafür nicht zu haben sind. Aber wenn wir nicht mitmachen, ist das für den Kampfjet-Lieferanten ein Riesenproblem. Denn wer ausser uns hat in der Schweiz das Know-how als Flugzeughersteller? Dann stellt der Bund die Teile in seinen Betrieben halt selber her. Aber das halte ich für falsch.

Wie arbeiten Sie eigentlich mit der Ruag zusammen?
Gut! Sie erledigt beispielsweise PC-21-Strukturarbeiten für uns. Was die Unternehmens-Philosophie angeht, sieht es allerdings anders aus.

Wie meinen Sie das?
Die Ruag gehört zu 100 Prozent dem Bund. Aber sie investiert fast nur noch im Ausland. Sämtliche Wachstumsgeschäfte finden dort statt. Wir versuchen, Prozesse wieder in die Schweiz zu holen. Doch ein Bundesbetrieb macht das Gegenteil! Was sendet denn das für eine Botschaft aus? Die Schweiz ist mit dem Handwerk gross geworden! Das können wir. Das sollten wir nicht auslagern.

Bevor Sie Ingenieur wurden, haben Sie Philosophie studiert. Sie leben auf einem Bauernhof, besitzen eine Mineralquelle, stellen in Australien Fleisch her. Ist es nicht seltsam, dass ein so viel-seitig interessierter Mensch wie Sie sein ganzes Leben bei der gleichen Firma gearbeitet hat?
Nur, wenn Sie meinen, Pilatus sei immer noch die gleiche Firma wie vor 30 Jahren. Ich hatte das Glück, diese Firma gestalten zu können.

Aber Sie bauern immer noch?
Mein Leben lang! Wir waren die Ersten, die Angus-Rinder hielten. Damals war das in der Schweiz noch eine verbotene Rasse. Jetzt hat mein Sohn unsere Bergbetriebe auf der Neualp am Fuss des Pilatus übernommen und bewirtschaftet sie. Ich bin mit meiner Frau auf einen anderen Hof in Mauensee gezogen, wo wir qualitativ hochwertiges Gras und Mais produzieren. Auf der Neualp züchten wir Angus-Rinder, im Tal betreiben wir Aufzucht und Mast.

Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Es hängt schon an. Aber ich brauche zum Glück recht wenig Schlaf. Es geht immer noch gut.

Oskar J. Schwenk

Oskar J. Schwenk (73), Präsident von Pilatus, zuvor CEO, hat vier Flugzeuge neu entwickelt. Zuletzt kam sein PC-24 auf den Markt, der erste Schweizer Businessjet. Schwenk ist verheiratet. Er hat zwei Töchter und einen Sohn.

Oskar J. Schwenk (73), Präsident von Pilatus, zuvor CEO, hat vier Flugzeuge neu entwickelt. Zuletzt kam sein PC-24 auf den Markt, der erste Schweizer Businessjet. Schwenk ist verheiratet. Er hat zwei Töchter und einen Sohn.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.