BLICK: Herr Forrer, wie oft kommt es vor, dass Personen Titel fälschen?
Timon Forrer: Sehr selten, mir ist das noch nie untergekommen. Wenn, dann geht es meist um eine falsche Kennzeichnung von Leistungen aus dem Ausland und nicht um böswillige Fälschung. Genau wie bei den Fällen, die BLICK aufgedeckt hat.
Wenn einer einen Doktortitel trägt, denkt man schnell an einen Verkopften, der in der Praxis kaum zurechtkommt.
Das gibts schon manchmal. Meist liegt der Fehler dann bei der Stellenausschreibung. Dort muss klar sein, was gesucht wird: einer für die Strategie oder einer für die pragmatische Umsetzung. Kann er beides, ist er die eierlegende Wollmilchsau – ein Traum für jede Unternehmung.
Wenn einer in der Wissenschaft bleiben will, ist die Entscheidung für ein Doktorat alternativlos. Aber was spricht dafür, wenn einer in die Privatwirtschaft will?
In Branchen wie der Pharma, Chemie oder Medizin können Absolventen ihr Wissen aus der Doktorarbeit oft direkt beim neuen Arbeitgeber einbringen. Das wird auch entsprechend honoriert. Anderswo ist dies teilweise schwieriger. Aber eines sehen wir in unseren Daten klar: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Doktortitel und Karriere.
Was kann ein Doktor – wenn er jetzt nicht gerade in Pharma, Chemie oder Medizin arbeitet – genau besser als einer ohne Titel?
Personen, die eine Dissertation geschrieben haben, sind normalerweise strukturiert, sind präzise, engagiert und lernfähig. Das sind Fähigkeiten, mit denen man Karriere macht, unabhängig vom Titel. Weil Firmen dieses Potenzial in Personen mit Doktorat sehen, vertrauen sie ihnen wichtige Positionen an und bezahlen sie entsprechend.
Wie viel mehr kann ein Doktor in der Lohnverhandlung verlangen?
Früher gab es Systeme, die je nach Ausbildung einen anderen Lohn vorsahen. Heute hat keine grössere Firma mehr ein solches System, da wird nach Funktion, Leistung, Potenzial und selten noch nach Kompetenzen bezahlt. Auch beim Bund ist das so.
Braucht es in der Schweiz einen Doktor als Karriere-Katalysator?
In der Schweiz kann man glücklicherweise auch ohne Doktorat Karriere machen. Schauen Sie sich den CEO der Zürcher Kantonalbank, Martin Scholl, an, der arbeitet seit der Lehre dort. In Deutschland hingegen gibt es Konzerne wie beispielsweise in der Automobilbranche, wo man ab einer gewissen Management-Stufe ohne Doktortitel keine Chance mehr hat.
Sehen Sie in Ihren Daten wirklich nicht, wie viel mehr ein Doktor beim Berufseinstieg gegenüber einer Person ohne Doktor verdient?
Das könnte man schon rauslesen, aber es ist mit Vorsicht zu geniessen. Während einige Akademiker noch ein Doktorat anhängen, arbeiten andere bereits. Entsprechend muss das Einstiegsgehalt von Personen mit Promotion mit einer Person mit einem Masterabschluss mit etwa drei Jahren Berufserfahrung verglichen werden. Das kann je nach Branche auch zuungunsten des Doktors ausgehen.
Timon Forrer (37) ist Projektmanager bei der HR-Beratung Kienbaum in Zürich.