Pensionskassen-Debakel
30-Millionen-Klage gegen Schwyzer Kantonalbank

Mit der Hoffnung auf hohe Gewinne stieg die Schwyzer Kantonalbank ins Pensionskassengeschäft ein. Doch der Ausflug scheiterte grandios.
Publiziert: 07.02.2021 um 00:55 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2021 um 21:14 Uhr
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Ein missglückter Ausflug ins Pensionskassengeschäft könnte für die Schwyzer Kantonalbank teuer werden.
Foto: Keystone
Danny Schlumpf

Die Schwyzer Kantonalbank (SZKB) sei «so stabil und gewinnbringend wie nie zuvor», sagte CEO Peter Hilfiker (64), als er Ende Januar einen Jahresgewinn von 75 Millionen Franken präsentierte.

Fast die Hälfte steht schon wieder auf der Kippe. In den kommenden Tagen steht der SZKB eine Klage ins Haus, die es in sich hat: Serge Aerne (41), Gründer der aargauischen Pensionskasse Phoenix, fordert von der Bank 30 Millionen Franken Schadenersatz. Es ist der Höhepunkt eines Wirtschaftskrimis, der nur Verlierer kennt.

Pensionskassen lassen Gelder betreuen – die schöpfen Millionen ab

Dabei hatte es so vielversprechend begonnen. 2014 stieg die SZKB unter ihrem damaligen Präsidenten Kuno Kennel und CEO Hilfiker ins Vorsorgegeschäft ein. Ein lukrativer Markt: 1500 Pensionskassen betreuen in der Schweiz Versichertengelder im Umfang von 1000 Milliarden Franken. Die Schwyzer Kantonalbank wollte ein Stück von diesem Kuchen. Sie beteiligte sich mit 49 Prozent an der Pensionskassen-Verwalterin Assurinvest. Viele Pensionskassen lassen ihr Geld von solchen Firmen betreuen; die schöpfen damit Millionen ab.

Seit Anfang 2015 verwaltete die Assurinvest die Gelder der Pensionskasse Phoenix. Doch schon nach wenigen Monaten mahnte deren Stiftungsrat die Assurinvest wegen Unregelmässigkeiten in der Verwaltung ab. Die wiederum warf PK-Gründer Serge Aerne unzureichend dokumentierte Geschäfte mit Nahestehenden vor. Als die Assurinvest die PK Phoenix zu einer Fusion mit einer anderen Pensionskasse drängte, brach der Streit offen aus. Der Stiftungsrat lehnte ab und kündigte Assurinvest 2016 ein Ende der Zusammenarbeit an. Worauf diese eine Gefährdungsmeldung an die Pensionskassen-Aufsicht Aargau (BVSA) schickte und eine Untersuchung verlangte.

«Ziel der Assurinvest und der SZKB war die Absetzung des Stiftungsrats»,sagt PK-Gründer Serge Aerne. «So wollten sie die angestrebte Fusion doch noch zustande bringen und gleichzeitig Fehler in der Verwaltung der Pensionskassengelder kaschieren.» Die Schwyzer Kantonalbank widerspricht: «Die Gefährdungsmeldung hatte mit Fusionsbestrebungen nichts zu tun. Die Revisionsstellen und die Aufsicht der verschiedenen Pensionskassen haben die Arbeit der Assurinvest immer für gut befunden.»

«So will es der Gesetzgeber»

2016 trennten sich die PK Phoenix und Assurinvest. Doch die Aufsichtsbehörde ging der Gefährdungsmeldung weiter nach – und zwar vehement: Zwischen 2017 und 2018 versuchte sie drei Mal, den Stiftungsrat der PK Phoenix abzusetzen. Bundesgericht und Bundesverwaltungsgericht jedoch schmetterten alle drei Versuche ab. 2019 musste der BVSA-Geschäftsführer in den Ausstand treten.

Manfred Hüsler (59), Direktor der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) in Bern, überwacht die kantonalen und regionalen Aufsichtsbehörden. Die mehrfachen Absetzungsversuche findet er zwar ungewöhnlich. Bloss: «Die Oberaufsicht hat keine Kompetenz, im Einzelfall bei einer Aufsichtsbehörde einzugreifen», sagt Hüsler. «So will es der Gesetzgeber.»

Fehlbuchungen in der Verwaltung der Pensionskassengelder

Von 2017 bis 2019 führte ein von der Aufsicht bestellter Sachwalter die Geschäfte der PK Phoenix. Als der Stiftungsrat 2019 seine Arbeit wiederaufnahm, bemerkte er ein Kassenloch von zwölf Millionen Franken – der Streit eskalierte endgültig: PK Phoenix und Assurinvest werfen sich gegenseitig vor, für die verschwundenen Millionen verantwortlich zu sein.

Die Kantonalbank verweist auf einen Bericht des Sachwalters von 2017: «Er zeigt, dass Liegenschaften, welche von Serge Aernes Familie erstellt wurden, abgewertet und Darlehen an nahestehende Personen wertberichtigt werden mussten.» Zudem sei ein Rentnerbestand zu unvorteilhaften Konditionen übernommen worden – mit hohen Rückstellungen als Folge. «So kam das Millionenloch zustande.»

Die PK Phoenix sieht das anders. Sie gab 2020 einen forensischen Untersuchungsbericht in Auftrag, der zum Schluss kam: 2015 und 2016 gab es Fehlbuchungen in der Verwaltung der Pensionskassengelder. «Diese wurden zweifelsfrei in jener Zeitperiode getätigt, als die Assurinvest die Kasse verwaltete», sagt Serge Aerne. «Sie sind für den grössten Teil des Lochs in der Kasse verantwortlich. Der Rest geht auf das Konto administrativer und juristischer Folgen der Angriffe durch die Assurinvest und die SZKB.» Die Attacken hätten die Pensionskasse und ihn selbst massiv beschädigt, sagt Aerne. Deshalb wird er nun Schadenersatz fordern.

Schuldfrage bleibt offen

Daniel Werdenberg (47) hingegen, Geschäftsführer der Assurinvest, ist sicher: «Die Abschlüsse 2015 und 2016 waren korrekt. Es gab keine Fehlbuchungen.»

Die Schuldfrage bleibt offen. Die Schwyzer Kantonalbank musste bereits zehn Millionen Franken auf das PK-Investment abschreiben. 2019 trat Präsident Kennel wegen der Affäre zurück. Ein politisches Erdbeben blieb bis heute aus. Die Aufsichtskommission für die Schwyzer Kantonalbank sieht aktuell keinen Anlass für eine Untersuchung. Ihr Präsident, Kantonsrat Alexander Lacher (44), sagt: «Die angeblichen Unregelmässigkeiten betreffen nicht die SZKB, sondern die PK Phoenix.»

Risiken sind kaum kalkulierbar

Der gescheiterte Ausflug der SZKB ins Vorsorgegeschäft ist kein Einzelfall. «Da Banken mit dem traditionellen Geschäft zunehmend weniger verdienen, sind sie auf der Suche nach Alternativen», sagt Mathias Binswanger (58), Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Man muss sich aber überlegen, ob man staatlichen Banken solche Aktivitäten im Sozialversicherungsbereich nicht untersagen sollte.» Die Risiken seien kaum noch kalkulierbar. «Da wird die Staatsgarantie eigentlich missbraucht.»

Die SZKB ist nach wie vor mit 49 Prozent an der Assurinvest beteiligt. CEO Hilfiker geht im März in Pension. Das Aufräumen überlässt er Präsident August Benz(50). Der Nachfolger von Kuno Kennel muss die Stabilität wiederherstellen, von der sein CEO bei der Präsentation des Jahresgewinns gesprochen hat.

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