Pauken mit Tablet, Roboter und Computerspielen
«Heute muss jeder Schüler programmieren lernen»

Heute wird der Umgang mit digitalen Medien früh gelehrt: Schon in der Primarschule lernen Kinder, was ein Algorithmus ist und wie man programmiert. Beat Zemp, Präsident des Lehrer-Dachverbands, erklärt den modernen, digitalisierten Schulalltag.
Publiziert: 22.10.2017 um 17:04 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2018 um 22:50 Uhr
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Beat W. Zemp ist Zentralpräsident des Dachverbands für Lehrer.
Foto: Derek Li Wan Po
Helena Schmid

BLICK: Im Rahmen des Lehrplans 21 wird das Thema Digitalisierung nun auch im Schulunterricht behandelt. Was erwartet die Schüler?
Beat Zemp:
Der neue Lehrplan führt unter anderem das Schulfach «Medien und Informatik» ein. Darin lernen die Kinder einerseits, wie man richtig mit den digitalen Medien umgeht – andererseits auch, wie die digitalen Medien funktionieren. Spätestens in der Mittelstufe lernen sie dann auch zu programmieren.

Wie wird den Kindern so etwas Komplexes wie Programmieren beigebracht?
Erst mal müssen die Schüler lernen, was ein Algorithmus ist und wie er funktioniert. Das können schon Primarschüler anhand von sehr anschaulichen Beispielen lernen. Es gibt da ganz einfache Methoden: Beispielsweise das Programmieren einer Schildkröte, die ein Quadrat kriechen soll. Die Schüler müssen hierbei lediglich eingeben, in welche Richtung die Schildkröte gehen und wie viele Schritte sie machen soll, bevor die Richtung geändert wird. 

Warum ist es so wichtig, dass die Kinder so etwas lernen?
Der Alltag wird heute immer mehr von Algorithmen beeinflusst. Täglich sind die Kinder mit digitalen Medien in Berührung, die sie nicht nur bedienen, sondern auch verstehen sollen. Man geht davon aus, dass rund ein Drittel der heutigen Schüler in Berufen arbeiten wird, die es momentan noch gar nicht gibt. Kenntnisse in Programmieren und Informatik werden für diese Berufe wohl eine Grundvoraussetzung sein – die Schüler müssen darauf vorbereitet werden.

Müssen dann Grundlagenfächer wie Mathematik oder Deutsch dem neuen Fach weichen?
Auf keinen Fall. Aber es gibt eine Obergrenze an Anzahl Schulstunden pro Woche. Zudem kosten mehr Lektionen schliesslich auch mehr Geld. Das heisst, dass in einigen Fällen bestimmte Fächer etwas reduziert werden, um dem neuen Fach Platz zu machen. Anwendekompetenzen in «Medien und Informatik» kann man aber auch in anderen Fächern erwerben: Algorithmen kann man beispielsweise auch im Matheunterricht behandeln und Textverarbeitungsprogramme im Fach Deutsch.

Was braucht es, um das neue Fach durchzusetzen?
Auf der einen Seite müssen die Lehrer die neuen Inhalte vermitteln können. Um «Medien und Informatik» zu unterrichten, muss ein Lehrer eine entsprechende Lehrberechtigung haben. Dafür sind Weiterbildungen in vielen Fällen unumgänglich. Auf der anderen Seite brauchen die Schüler die nötigen Unterrichtsmaterialien wie einen eigenen Computer oder ein Tablet.

Welche Möglichkeiten ergeben sich aus dem digitalisierten Unterricht?
Wenn Kinder auf dem Computer eine Aufgabe lösen,
registriert dieser jeden Arbeitsschritt des Schülers. Für die Lehrperson ist dies äusserst praktisch: Sie können den Arbeitsprozess überwachen und genau feststellen, wo die einzelnen Schüler Probleme haben. Das macht das Lernen effizienter und personalisierter. Der Schüler hat so mehr die Möglichkeit, in seinem eigenen Tempo zu arbeiten. Zudem kann mithilfe der digitalen Medien, der Unterrichtsinhalt attraktiver gestaltet werden.

Haben Sie ein Beispiel für ein solches attraktives Lernprogramm?
Für das Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» der ersten Sekundarschule haben wir vor etwas mehr als einem Jahr in Zusammenarbeit mit den Kantonalbanken das Computerspiel «Finance Mission Heroes» entwickelt. In diesem Spiel trainieren die Schüler den verantwortungsvollen Umgang mit Geld: Sie können selbst einen Helden kreieren, der durch kluges Verhalten fiese Roboter unschädlich machen muss, die das Finanzwesen blockieren. Dabei muss der Held die Einnahmen und Ausgaben im Griff behalten. Für die Schüler ist so ein Spiel natürlich viel spannender als trockene Theorie – die Motivation steigert dann auch den Lernerfolg.

Werden Lehrer bei solcher Technik nicht irgendwann überflüssig?
Diese Angst ist durchaus verbreitet, schliesslich könnte mit einem Computer auch jeder von zu Hause aus lernen. Doch das wäre überhaupt nicht sinnvoll: Kinder lernen viel von ihren gleichaltrigen Mitschülern. Der Austausch in der Klasse fördert Sozial- und Selbstkompetenzen. Der Lehrer steht der Klasse als Ansprechperson zur Seite und wird auch benötigt, wenn die Schüler überwiegend selbständig arbeiten.

Wo gibt es noch Ausbaumöglichkeiten im Umgang mit digitalen Medien im Klassenzimmer?
Beim Thema Digitalisierung der Schulen gibt es noch viel zu tun. So brauchen wir zum Beispiel ein personalisiertes Login: Die Vision ist, dass jeder Schüler und jede Lehrperson mit einer persönlichen digitalen Identität Zugriff auf alle offiziellen Lernplattformen und elektronischen Lehrmittel erhält. Doch die Kinder sind die Zukunft – deshalb interessieren mich auch die Visionen und Wünsche der Schüler.

Im Videowettbewerb von Digitalswitzerland können Schüler ihre Ideen auf einem Video festhalten. Was erhoffen Sie sich vom Wettbewerb?
Ich freue mich auf ganz viele kreative Ideen! Mittlerweile haben schon mehrere Schulklassen und Schülergruppen ihr Video eingeschickt. Ich bin gespannt, was da noch bis Ende Oktober kommt und freue mich auf die Arbeit in der Jury. Und die Teilnehmenden dürfen sich auf tolle Preise freuen. 

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