Patron Schneider-Ammann verlässt den Bundesrat
Der Nicht-Politiker tritt ab

Mit Johann Schneider-Ammann tritt ein Bundesrat zurück, der nie wirklich im Amt angekommen war. Porträt eines Patrons, dem man die Mühe im Amt zunehmend ansah.
Publiziert: 25.09.2018 um 17:58 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 21:19 Uhr
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Jetzt ist Schluss: Johann Schneider-Ammann tritt nach acht Jahren im Bundesrat zurück.
Foto: Daniel Kellenberger
Pascal Tischhauser

Am 8. August 2010 preschte Johann Schneider-Ammann (66) vor: «Ich überlege mir eine Bundesratskandidatur.» Der damalige FDP-Nationalrat machte an diesem Sonntag in der «Tagesschau» den Zuschauern auch gleich klar, dass Parteichef Fulvio Pelli (67) ihn als Kandidaten angefragt hatte, nachdem Hans-Rudolf Merz (75) seinen Rücktritt öffentlich machte.

Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 22. September, wählte ihn die vereinigte Bundesversammlung dann tatsächlich in die Regierung. Das Parlament traute dem Unternehmer das Amt mehr zu als der St. Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter (54). Man wollte lieber den bernischen Patron als die Law-and-Order-Hardlinerin aus der Ostschweiz.

Er war nie redegewandt, nie geschliffen – aber auch kein Windhund

In den Bundesrat gewählt wurde an diesem Tag aber eine andre Frau: SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga (58) für Moritz Leuenberger (72). Damit wurde die Schweiz nach Finnland zum zweiten Land Europas, in dem eine Frauenmehrheit regierte.

Dem väterlich wirkenden «Hannes» – wie ihn seine Freunde nennen – nahm man darum nicht übel, dass er eine Frau verhindert hatte. Er, der Vertreter der Industrie, der bei der Ammann Group mit seinem eigenen Portemonnaie die Verantwortung trug, war vieles nicht, was von heutigen Politikern verlangt wird: Er war nie redegewandt, nie smart und geschliffen. Aber eben auch alles andere als ein Windhund, vielleicht etwas zu aufrichtig für das Amt.

«Ich bin kein Politiker»

Bei seiner Rücktrittserklärung brachte Schneider-Ammann das gleich selbst auf den Punkt. «Ich bin kein Politiker», sagte er. So blieb er während der ganzen Zeit im Bundesrat Unternehmer. Das war auch der Hauptkritikpunkt an Bundesrat Hannes: Er war stets der Meinung, dass das, was für die Wirtschaft gut ist, auch fürs ganze Land gut sei.

Das sahen gerade 2014 viele anders. Durch einen «Rundschau»-Bericht war bekannt geworden, dass Schneider-Ammann als Unternehmer Geld in Steueroasen gebunkert hatte. Er habe alles im Einklang mit dem geltenden Gesetz und mit Billigung der Steuerbehörden gemacht, machte er klar, und er erklärte im BLICK-Interview: «Die Familie Ammann hat sich weder bereichert, noch wurde das Vermögen für extravagante Tätigkeiten ausgegeben.»

Dass er nicht verstand, weshalb ihm grosse Teile der Bevölkerung auch seine legale Steueroptimierung übel nahmen, zeigt, wie Schneider-Ammann tickt.

Er wagte den Hosenlupf mit den Bauern

Im Clinch lag Schneider-Ammann immer wieder mit der Landwirtschafts-Lobby. Es muss ihm zugutegehalten werden, dass er den Hosenlupf mit den Bauern wagte. Doch dass der Tierarztsohn mit Bauernpräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (51) plötzlich öffentlich streitet, passt nicht zum umgänglichen Langenthaler. Im persönlichen Gespräch ist er «gmögig» und keiner, dem man wirklich böse sein kann.

Der Streit zeigt vielmehr: Schneider-Ammann hatte die Zügel in den letzten Monaten nicht immer selbst fest in der Hand. Gesteuert wurde vieles vom Generalsekretär des Wirtschaftsdepartements, Stefan Brupbacher (50), dem früheren Berater von Novartis-Chef Daniel Vasella (65). Schreiben an Ritter, über die sich der Bauernpräsident masslos ärgerte, trugen Brupbachers Unterschrift.

«Bundesrat Brupbacher»

Auch den Bruch mit den Gewerkschaften, zu dem es bei den Verhandlungen ums Rahmenabkommen mit der EU kam, kreiden viele mehr dem Generalsekretär als dem scheidenden Bundesrat an. Der Generalsekretär soll sich zu sehr eingemischt haben. Im Bundeshaus machte bereits der Ausdruck «Bundesrat Brupbacher» die Runde.

Derweil wurden in den letzten Monaten – wie schon in Schneider-Ammanns Präsidialjahr 2016 – Stimmen laut, er wirke ausgelaugt und müde. Politiker erzählten, er schlafe in Sitzungen ein. Deshalb fragte die «Schweiz am Wochendene» jüngst, ob Schneider-Ammann seinem Amt noch gewachsen sei. Wobei der Wirtschaftsminister in persönlichen Gesprächen auch zuletzt noch eine andere Seite offenbarte, die die Öffentlichkeit selten zu Gesicht bekam: die des schlagfertigen Emmentalers mit feinem Humor.

Seine Überzeugung als Unternehmer

Die Lockerung der Waffenexporte, die dank den Stimmen der beiden SVP-Magistraten und jenen von Schneider-Ammann und dessen Parteifreund Ignazio Cassis (57) zustande kam, gehen jedoch wieder aufs Konto des Unternehmers: Es ist Schneider-Ammanns tiefe Überzeugung, das Richtige zu tun, wenn der Rüstungsindustrie Waffenexporte in Bürgerkriegsländer ermöglicht werden.

Wie der Wirtschaftsminister angekündigt hat, will er morgen Mittwoch bei der dringlichen Parlamentsdebatte klarmachen, dass man weiterhin jeden Einzellfall prüfe und dass sich eigentlich kaum etwas ändere.

Das zeigt erneut: Ihm fehlt das «Gschpüri», dass nur schon die Möglichkeit solcher Exporte in der Bevölkerung als grundfalsch empfunden wird. Niemand hätte es treffender sagen können als Schneider-Ammann selbst: Er ist nie zum Politiker geworden.

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