Das Wort «Banker» brächte er nie über die Lippen. Patrick Odier spricht ausschliesslich von «Banquier». Er selbst ist ein mustergültiger Vertreter seiner Zunft. Höflich, korrekt, feiner Humor. Die Contenance verliert er selten, nur etwas treibt Patrick Odier Sorgenfalten auf die Stirn: Übereifrige Politiker, die den Bankiers vorschreiben wollen, wie sie ihr Metier zu betreiben haben.
Ihre Ehefrau Cynthia will mit Kunstprojekten die Wirtschaftswelt aufmischen. Was können die Banken von der Kunst lernen?
Patrick Odier: Ich besuchte vergangene Woche eine Performance von Roman Signer in Zürich, die meine Frau organisiert hat. Signer ist für mich ein sehr gutes Beispiel, wie kreativ und originell die Schweiz ist.
Was haben Sie von seiner Performance mitgenommen?
Dass die Wirtschaft ebenso wie die Kunst mit Emotionen zu tun hat. Die Wirtschaft ohne Emotionen ist wie eine Blume ohne Duft. Es braucht beides. Kunst führt uns dazu, uns selber in Frage zustellen. Sie stellt die Frage: Was will man letztlich? Was ist die Vision? Wie setzt man sie um? Hier gibt es grosse Parallelen zwischen Kunst und Unternehmertum.
Welcher Künstler hat Sie besonders beeinflusst?
Nicolas de Staël hat eine grosse Bedeutung für mich. Er malt sehr einfach und greift viele Themen auf, vom Meer bis zum Fussball. Er kann mit einfachen Zeichen komplexe Sachverhalte erklären. Das muss die Wirtschaft noch lernen. Sie muss sich besser erklären.
Sie lassen sich das Projekt Flux Laboratory Ihrer Frau rund eine halbe Million pro Jahr kosten. Ist das Geld gut investiert?
Auf jeden Fall. Wir führen seit zwölf Jahren eine Stiftung, die verschiedenste Aktivitäten unterstützt, von Ausstellungen über Performances bis zu Schulen für sozial benachteiligte Jugendliche. Das Resultat ist wichtiger als die Kosten. Und mit dem Resultat bin ich sehr zufrieden.
Der Finanzplatz Schweiz hat sich in den letzten sieben Jahren stärker verändert als in den 20 Jahren zuvor. Das Bankgeheimnis in seiner alten Form gibt es nicht mehr. Die Bankiervereinigung hat lange gebraucht, um die neuen Realitäten zu erkennen.
Die Vergangenheit kann man nicht ändern. Wichtig ist, dass wir die neuen Realitäten erkannt haben und die Veränderungen professionell und intelligent angehen. Der Bankensektor hat sich gut angepasst, besonders bei der Steuerkonformität, aber auch beim Konsumentenschutz und der Transparenz.
Sie machen aber nur kleine Schritte. Sie bekämpfen ein Finanzdienstleistungsgesetz mit scharfen Zähnen. Sie bekämpfen zum Beispiel einen Prozesskostenfonds und Sammelklagen.
Wir wollen den Schutz des Anlegers verbessern, aber nicht über das Ziel hinausschiessen. Ein Prozesskostenfonds und Sammelklagen sind absolut unnötig. Kein anderes Land geht so weit. Ich bin froh, dass dies der Bundesrat erkannt hat und diese Punkte aus dem Gesetz gestrichen hat. Es gibt aber weitere Bereiche, wo die Politik zu weit geht.
Welche?
Der Bundesrat will die Maximalzinsen für Konsumkredite senken.
Das ist doch positiv. Die Zinsen sind auf einem historischen Tief. Dann ist es nur recht, wenn auch die Wuchergrenze sinkt.
Es geht um den Grundsatz. Die Preise für Brot und Blumen setzt auch nicht der Staat fest.
Kleinkredite sind gefährlicher als Brot und Blumen. Sie können Menschen ruinieren.
Es ist die Verantwortung der Banken, diese Risiken einzuschätzen. Die Politik muss sich hier nicht einmischen. Wenn die Zinsen für Kredite sinken, kann die Gefahr steigen, weil dann Leute zu Krediten kommen, welche die Risiken nicht tragen können. Der Bundesrat verschlimmert das Problem.
Die verschärfte Regulierung ist Ausdruck eines Misstrauens gegenüber den Banken. Wenn etwas schiefgeht, sitzen die Kunden am kürzeren Hebel.
Das bestreite ich. Die Schweizer Sparer wurden in der Krise gut geschützt. Die Bankiers vertreten die Interessen der Kunden. Das steckt tief drinnen in ihren Genen.
Wenn man sich gewisse Portfolios anschaut, kommt man zu anderen Schlüssen. Den Leuten werden Produkte angedreht, die sie nicht verstehen. Zudem wird ständig gekauft und verkauft, um die Kommissionen zu erhöhen.
Es ist in der Schweiz absolut unüblich, die Kundenportfolios ohne Grund zu «drehen». Zudem kann jeder die Bank wechseln, wenn er nicht einverstanden ist. Und es gibt Anlaufstellen für Konfliktfälle: Der Bankenombudsman vertritt die Interessen der Kunden.
Was den Banken nicht hilft, sind Skandale wie bei der HSBC in Genf. Offenbar ist das Geldwäschereigesetz nicht so gut, wie von den Banken dargestellt.
Wir sollten die Gegenwart nicht anhand alter Einzelfälle beurteilen. Warten wir das Ergebnis der Untersuchungen der Justiz ab. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Geldwäschereibekämpfung in der Schweiz vorbildlich ist.
Der Korruptionsfall beim brasilianischen Erdölkonzern Petrobras tangiert die Schweiz ebenfalls. Ihre Bank, Lombard Odier, ist betroffen.
Es ist ein laufendes Verfahren. Deshalb kann ich den Fall nicht kommentieren. Man muss aber die Relationen wahren: Die Schweiz ist weltweit die Nummer 1 in der Vermögensverwaltung. Bei so vielen Kundenbeziehungen lässt es sich nicht vermeiden, dass Schweizer Banken manchmal in die Schlagzeilen geraten. Wichtig ist, dass wir unsere Sorgfaltspflichten wahrnehmen und die Gesetze einhalten.
Sie stimmen dem automatischen Informationsaustausch mit dem Ausland zu. Wie sieht es im Inland aus – unterstützen Sie die Matter-Initiative, welche das Bankgeheimnis in die Verfassung schreiben will?
Wir unterstützen die Initiative nicht. Der Schutz der Privatsphäre steht heute schon in der Verfassung. Ich sehe nicht, wer von einer Verankerung des Bankgeheimnisses in der Verfassung profitieren würde. Wir laufen Gefahr, dass wir an Flexibilität verlieren.
Also sollen auch die Schweizer Steuerbehörden Zugriff auf Bankdaten haben?
Mit der Verrechnungssteuer haben wir heute schon ein Instrument gegen die Steuerhinterziehung. Der Austausch von Bankdaten bringt keinen Zusatznutzen.
Wie stark treffen die Banken die Negativzinsen?
Primär werden nicht die Banken getroffen, sondern die Kunden. Sie zahlen die Negativzinsen.
Aber nur Grosskunden. Das Problem sind die Verzerrungen.
Die Nationalbank privilegiert mit der Regelung Banken mit grossen Risiken auf der Bilanz, weil sie höhere Reserven haben und Freibeträge haben. Sie bestraft aber die sichersten Banken. Sie müssen am meisten bezahlen. Auch die Pensionskassen werden hart getroffen. Sie werden per Gesetz gezwungen, die Mehrheit der Anlagen in Franken zu halten und werden nun dafür bestraft. Das ist nicht akzeptabel.
Was tun Sie dagegen?
Man sollte die Freibeträge erhöhen. Zwischen den Banken darf es keine Wettbewerbsverzerrungen geben. Wir haben deshalb das Gespräch mit der Nationalbank gesucht, aber noch keine Lösung gefunden. Wichtig ist, dass die Massnahmen befristet bleiben.