Pardini trifft ältere Arbeitslose
Um 16 Uhr ins Personalbüro zitiert, um 17 Uhr stand er auf der Strasse

SP-Nationalrat Corrado Pardini will ältere Arbeitnehmer besser vor Kündigungen schützen. Selbst Bürgerliche unterstützen das Vorhaben. Zu Weihnachten trifft sich der Berner Politiker mit Betroffenen.
Publiziert: 02.01.2017 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:35 Uhr
Ältere Arbeitslose trafen sich am Donnerstag mit SP-Mann Pardini in Bern.
Foto: PETER GERBER
Simon Marti

Wenn ältere Arbeitnehmer ihre Stelle verlieren, haben sie ­einen schweren Stand. Über 50-Jährige suchen im Schnitt anderthalb Mal länger als jüngere Arbeitslose nach einem neuen Job, vielen droht die Aussteuerung.

Deshalb lancierte die SP unter Federführung von Nationalrat Corrado Pardini (51) eine parlamentarische Initiative, die von Unternehmen bei der Entlassung älterer Arbeitnehmer den Beweis verlangt, dass sie diese nicht einfach durch billigere Kräfte ersetzen (SonntagsBlick berichtete).

Finanzieller Ruin, Minderwertigkeitsgefühle und psychische Probleme

«Die Resonanz ist gewaltig», zieht Pardini einen Monat später Bilanz. «Ich erhielt zahllose positive Zuschriften. Wir haben einen Nerv getroffen.» Zwei Tage vor Heiligabend treffen sich der Sozialdemokrat und einige Unia-Gewerkschafter im Volkshaus Bern mit einem Dutzend Betroffener.

Ihre Geschichten gleichen sich: Jahrelang im selben Betrieb beschäftigt, wurden sie entlassen und verpassten den Anschluss auf dem Arbeitsmarkt. Manchen droht der finanzielle Ruin, Minderwertigkeitsgefühle und psychische Probleme sind die Folge.

«Was eine Entlassung mit einem Menschen anrichtet, sehen viele nicht», erzählt Bruno Hulliger (61). Der Hilfsmechaniker war 60 Jahre alt, als er seinen Job verlor. «Seither habe ich Schlafprobleme und bin in psychologischer Behandlung», sagt er. «Die ganze Familie leidet», ergänzt seine Frau Franziska (59). «Wir haben Existenzängste!»

Nach 38 Jahren plötzlich auf der Strasse

Auch die Welt von Vincenzo Primiceri (64) ist aus den Fugen. 38 Jahre arbeitete er im selben Betrieb, das Ende dauerte keine Stunde: «Um 16 Uhr wurde ich ins Personalbüro zitiert», erzählt der Uhrmacher. Dort sei ihm die Kündigung eröffnet worden. «Ich gab meinen Badge ab und verabschiedete mich von meinen Kollegen. Das wars dann.»

Primiceri verliess die Firma durch die gleiche Tür, durch die er sie fast vier Jahrzehnte zuvor zum ersten Mal betreten hatte. «Kurz vor fünf stand ich auf der Strasse, dabei weiss ich bis heute nicht, was ich falsch gemacht habe!» Über seine Gefühlslage mag er nicht sprechen. «Ich fiel in ein Loch», meint er nur. Die Hoffnung, einen Job zu finden, ist gering. Immerhin: In sieben Monaten winkt die AHV.

«Früher gab es das nicht. ­Einen langjährigen älteren Mitarbeiter auf die Strasse zu stellen, galt als Tabu, als anstandslos», meint Pardini. Wer älter wurde und etwas langsamer, den hätten die Betriebe bis zur Rente mitgezogen, um das grosse Fachwissen weiterhin nutzen zu können. «Diese Selbstverständlichkeit, die ich noch bis Ende der 1990er-Jahre in den meisten Unternehmen erlebt habe, gibt es heute nicht mehr», sagt der Berner Nationalrat. Umso wichtiger sei es nun, dass das Parlament ältere Arbeitnehmer besser schütze.

Auch Bürgerliche unterstützen Initiative

Politiker wie BDP-Präsident Martin Landolt (48, GL) oder CVP-Nationalrat Marco Romano (34, TI) haben Pardinis Ini­tiative auch unterschrieben. Und sogar ein SVP-Nationalrat, Hansjörg Walter (65, TG), steht hinter dem Vorstoss seines linken Ratskollegen.

Es sei wichtig, dass sich das Parlament dieser Problematik annehme, so Walter: «Heute fehlen die Patrons von früher, die sich noch persönlich um ihre Mitarbeiter gesorgt haben.» Im KMU-Bereich sei es weniger schlimm. «Aber je grösser ein Unternehmen, desto schwächer ist die persönliche Beziehung zwischen Chef und Personal. Und umso weniger Rücksicht wird dann genommen auf die älteren Mitarbeiter», so der SVP-Politiker.

In grossen Betrieben werde oft einfach zusammengestrichen. «Vielfach von externen Beratern, die sowieso niemanden kennen.» Dabei hätten die Angestellten ja ihren Teil dazu beigetragen, dass eine Firma Erfolg habe.

Pardini ist auf diesen bürgerlichen Support angewiesen, sollen seine Pläne eine Chance haben. Immerhin wurde das Problem inzwischen auch in diesen Parteien erkannt. Für etliche Betroffene kommt das indes zu spät. «Das ist mir schon klar», sagt Bruno Hulliger. «Aber ich habe einen Sohn. Der soll dereinst nicht in dieselbe Lage kommen wie ich.»

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